Abschied eines Urgesteins:Glück gehabt

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Der am längsten gediente Abgeordnete der Bundesrepublik tritt ab. Nach 38 Jahren verabschiedet sich Landtagspräsident Alois Glück aus dem bayerischen Parlament.

Katja Auer

Als Alois Glück an diesem Donnerstag die Glocke läutet, um die letzte Plenarsitzung der Legislaturperiode zu eröffnen, da denkt er nicht an sich, sondern an einen Radioreporter. Nicht daran, dass es auch seine letzte Sitzung ist, dass er nun aufhört nach 38 Jahren im Parlament, fünf davon als Landtagspräsident. Er denkt an den Reporter, der das Klingeln noch aufnehmen will, um die Abschiedssendung über Alois Glück einzuläuten.

Alois Glück verabschiedet sich als Landtagsprädisent - gewohnt pragmatisch. (Foto: Foto: dpa)

Der Präsident geht und er tut es gewohnt pragmatisch. "Ich verspüre keine Wehmut, aber es ist natürlich eine Zäsur", sagt er. Eine wohlüberlegte, die er schon 2003 bei seiner Wahl zum neunten Präsidenten des Bayerischen Landtags angekündigt hatte.

Während am Donnerstag viele scheidende Abgeordnete ihre Büros ausgeräumt haben - Herbert Ettengruber hat sich daheim schon die Angelrute rausgelegt und Wolfgang Hoderlein ist mit dem Kombi da, um seine Habseligkeiten heim nach Oberfranken zu kutschieren - ist es für Glück ein ganz normaler Arbeitstag. Bei der ökumenischen Andacht liest Glück bei der Lesung aus dem Buch der Weisheit.

Der Bauernsohn aus dem oberbayerischen Hörzing (Landkreis Traunstein) ist der dienstälteste Parlamentarier der gesamten Bundesrepublik. In der CSU gilt er gleichsam als Vordenker wie als einflussreicher Strippenzieher im Hintergrund. Besonders als Fraktionschef von 1988 bis 2003 sammelte er Mehrheiten regelmäßig im Stillen.

"Das Besondere an Alois Glück ist, dass er so argumentiert, dass wir nachher glaubten, wir wollten das, was er wollte", erzählt Kurt Eckstein. Er ist sich mit vielen einig, dass Glück eine Lücke in der CSU hinterlassen wird. "Für diese spezielle Rolle gibt es im Moment keinen Nachfolger", sagt auch Innenminister Joachim Herrmann, der Glück 2003 als Fraktionschef nachfolgte.

"Als Fraktionsvorsitzender hat man mehr Einfluss als jeder andere nach dem Ministerpräsidenten", sagt Glück. Natürlich hat er den Einfluss genutzt. Nicht zu aller Beifall. Es gibt Leute in der CSU, die keine lobenden Worte zum Abschied sprechen wollen. "Wer Führungsaufgaben übernimmt, muss auch bereit sein zu führen, und das hat seinen Preis", sagt Glück.

Als die Fraktion im vergangenen Jahr den Rücktritt von Edmund Stoiber erzwungen hatte, hat Glück ebenfalls im Hintergrund gewirkt. Obwohl er in der Staatskanzlei als einer von Stoibers ärgsten Widersachern galt, soll er es gewesen sein, der den Rückzug so regelte, dass er ohne großen Bruch vonstatten ging. Glück und Stoiber, das war Vorsicht versus Dynamik. Sie hätten sich wunderbar ergänzt, sagt Glück. Während "ich manchmal zu lange zögere, weil ich zu gründlich überlege", sei Stoiber immer schnell vorangeprescht. Um solche Sätze richtig zu verstehen, muss man zwischen den Zeilen lesen.

Stoiber ist auch gekommen, zu seiner ebenfalls letzten Plenarsitzung. Gerade wird er vom oberfränkischen Abgeordneten Alexander König mit einer kleinen Kamera gefilmt. Stoiber sagt wahlkampfkonform, dass er immer wieder gerne nach Hof kommen werde und dass der Abgeordnete König Außerordentliches für die Stadt geleistet habe. "Ich empfinde keinen Abschiedsschmerz", sagt Stoiber.

Sein erster Plenartag sei ihm heute wieder eingefallen, irgendwann im Oktober 1974. Die Debatten seien damals schon ganz andere gewesen, da habe man zum Beispiel diskutiert, ob man einen Umweltausschuss einsetzen solle. So ist es dann geschehen, die Leitung übernahm damals der junge Abgeordnete Alois Glück.

Wenigstens Kurt Faltlhauser fühlt sich an diesem Tag ein bisschen komisch. "Wenn man das letzte Mal da drin sitzt, wird's einem schon anderes", sagt der frühere Finanzminister. Immerhin gehe nach 34 Jahren im Parlament ein Teil seines politischen Lebenswerkes zu Ende.

Der erfundene Professor

Unterdessen herrscht eine Art Letzter-Schultag-Stimmung und der Abschied lässt manchen klarer sehen. Zum Beispiel das Rätsel um Professor Sadlowowitsch. Diesen hatte Hans Spitzner, der frühere Dauer-Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, in der Nachtsitzung am Mittwoch zum letzten Mal zitiert. Der Professor, Iwan mit Vornamen und hochbetagt, hat zur Entkräftung vieler Oppositions-Gutachten herhalten müssen.

Nur persönlich konnte Professor Sadlowowitsch nie erscheinen, weil er einen Lehrauftrag in Neuseeland angenommen habe. Da erklärt Glück, warum der hochgeschätzte Professor wieder nicht da sein kann: Spitzner hatte den Mann vor 25 Jahren erfunden.

Mit Tagesordnungspunkt 56 endet schließlich die 130. Plenarsitzung des Landtags. Vizepräsidentin Barbara Stamm ergreift das Wort und sorgt endlich für ein bisschen Rührung im Hohen Haus. "Herr Präsident, Sie waren und sind ein vorbildlicher Vertreter der bayerischen Volksvertretung", sagt Stamm und Glück bekommt stehende Ovationen von allen Fraktionen.

Daraufhin muss er nun doch von seinem Redemanuskript abweichen, nach dem er eigentlich nur einen Satz über seinen eigenen Abschied sagen wollte. Sogar von Wehmut spricht er, allerdings der anderen wegen, weil viele seiner politischen Weggefährten ebenfalls den Landtag verlassen. "Man kann nur wirksam sein, wenn das Vertrauen anderer einen trägt", sagt Glück.

Franz Maget, der für die Opposition die Schlussworte spricht, stänkert doch noch ein wenig. Die CSU habe ihre Zweidrittel-Mehrheit in der Periode recht "selbstgerecht durchexerziert", sagt Maget. Dem Präsidenten dankt er trotzdem zum Abschied. Das letzte Wort hat Alois Glück: "Damit ist die Tagung geschlossen." Dann gibt er noch ein Fernsehinterview und fährt nach Hause. Endlich einmal ausschlafen.

© SZ vom 18.07.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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