Abensberg:Das Geheimnis des Ehrenbürgers

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Die Geschichte lies sich wie ein Krimi. Elf Jahre nach dem Tod eines Abensberger Unternehmers fordert eine bisher unbekannte Tochter ihr Erbe - und erhält fünf Millionen Euro aus dessen Stiftung.

Johannes Laubmeier

So etwas bleibt nicht geheim. Wenn elf Jahre nach dem Tod eines ortsbekannten Bauunternehmers dessen Grab geöffnet wird, dann schießen natürlich an den Stammtischen die Spekulationen ins Kraut. Schließlich war der Verstorbene ja nicht irgendwer - vielmehr war Josef Stanglmeier zu seinen Lebzeiten ein über seine Heimatregion hinaus bekannter Unternehmer, Vizepräsident der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, ehemaliges Mitglied des Senats, Träger des bayerischen Verdienstordens, Zweiter Bürgermeister und Ehrenbürger von Abensberg.

Erst Jahre nach dem To des Bauunternehmers Stanglmeier meldet sich eine uneheliche Tochter - und erhält einen Erbanteil in Höhe von fünf Millionen Euro. (Foto: dpa)

Zu seiner Beerdigung im Jahr 1999 war die halbe Stadt auf den Beinen, selbst der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber befand sich unter den Trauergästen. Und nun wurden Stanglmeiers sterbliche Überreste exhumiert, um durch eine DNS-Analyse zu klären, ob er eine nichtehelich geborene Tochter hat. Die Frau hatte sich nämlich erst ein Jahrzehnt nach dem Tod des Unternehmers gemeldet, um ihren Erbanspruch geltend zu machen. Dabei ging es zunächst immerhin um die beachtliche Summe von sieben Millionen Euro.

Die Geschichte liest sich wie ein Krimi und gibt zugleich Einblick in das Leben einer honorigen Unternehmerpersönlichkeit, die es bei aller Umtriebigkeit immer gut verstanden hatte, die Schattenseiten in ihrem Privatleben vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Denn in Abensberg, einer niederbayerischen Kleinstadt, gab sich Stanglmeier stets als guter Familienvater, der sich um seine Frau und seine beiden Kinder, einen Sohn und eine Tochter, angemessen kümmerte.

Dennoch soll der "Stangs", wie er im Ort genannt wurde, auch nach seiner Hochzeit 1945 Affären gehabt haben. Gerüchte, er habe auch nichteheliche Kinder, machten schon mal die Runde, aber außer ganz wenigen Eingeweihten wusste niemand was Genaues. Stanglmeiers Kinder, die aus der Ehe mit seiner Frau hervorgegangen sind, starben beide in den 1970er Jahren - im Alter von 21 und 23 Jahren. Für den Unternehmer war dies Grund genug, zu seinem 60. Geburtstag im Jahr 1978 seine finanziellen Verhältnisse grundlegend zu regeln.

Josef Stanglmeier gründete eine Stiftung zur Förderung von Kindern und Jugendlichen und gab ihr seinen Namen. Für den Fall seines Ablebens sollte die Stiftung auch Haupterbin seines Vermögens werden. Doch schon damals gab es einen geheimen Geldfluss, den Stanglmeier vor der Öffentlichkeit zu verbergen wusste. So hatte er für einen nichtehelichen Sohn, der 1959 geboren wurde, die Vaterschaft anerkannt, ihn später finanziell großzügig abgefunden. Anders verfuhr Stanglmeier jedoch mit einer ebenfalls nichtehelich geborenen Tochter, die nur einen Monat später auf die Welt kam. Er konnte deren Mutter überreden, seine Vaterschaft beim Standesamt nicht anzugeben. Dafür soll er der Frau versprochen haben, sich um seine Tochter zu kümmern und sie auch im Falle seines Todes großzügig zu bedenken. Nach SZ-Informationen war ein Freund des "Stangs" in die Geschichte eingeweiht. Er soll der Mutter des Mädchens mehrmals die Unterhaltsleistungen in bar vorbeigebracht haben.

Der schöne Schein blieb auch nach dem Tod von Josef Stanglmeier gewahrt, wenngleich die Tochter - entgegen der früheren Zusage gegenüber ihrer Mutter - bei der Regelung des Erbes leer ausging. Erst als auch Stanglmeiers Ehefrau im Jahr 2008 starb, meldete sich die Tochter, mittlerweile 50 Jahre alt geworden, bei der Stanglmeier-Stiftung und machte einen Anspruch auf ihren Erbteil geltend. "Aus Respekt vor der Familie" habe sie so lange gewartet, sagt ihr Anwalt heute. Die Frau, die im Landkreis Traunstein lebt, beantragte bereits beim Familiengericht in Traunstein die Feststellung der Vaterschaft Stanglmeiers. Ein DNS-Test sollte zweifelsfrei die Rechtmäßigkeit ihres Ansinnens belegen.

Doch die Verantwortlichen der Stiftung lehnten das ab. Sie befürchteten, eine nachträgliche Exhumierung des Bauunternehmers könnte publik werden und den Namen des Stiftungsgründers in Verruf bringen. Nach SZ-Informationen schlug die Stiftung stattdessen vor, drei Zeugen zu benennen, mit deren Hilfe der Streitfall vor dem Familiengericht geklärt werden könnte. Dabei handelte es sich um die beiden Stiftungsvorstände und den ehemaligen Anwalt Stanglmeiers. Zwei von ihnen sollen dem Gericht offenbar bestätigt haben, dass der Bauunternehmer ihnen gegenüber erwähnt habe, der Vater der Frau zu sein. Daraufhin erfolgte am 16. April 2010 die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft von Josef Stanglmeier.

Stanglmeiers Tochter erhob jetzt Anspruch auf ihr Erbe. Zuerst verhandelte die Stiftung mit ihr, doch auf Anraten der Stiftungsaufsicht wurde schließlich ein Gutachten erstellt, das beweisen sollte, dass die Erbansprüche der Tochter mittlerweile verwirkt waren. Diese klagte daraufhin in Regensburg vor Gericht einen kleinen Teil des Erbes ein, um den Fall prinzipiell zu klären - und bekam Recht.

Das wollte die Stiftung nicht hinnehmen. Sie ging beim Oberlandesgericht Nürnberg in Berufung. Außerdem legte die Stiftung parallel Beschwerde beim Oberlandesgericht München gegen die Feststellung der Vaterschaft durch das Amtsgericht Traunstein ein. Obwohl der stellvertretende Vorstand dort als Zeuge diese noch bestätigt hatte, seien wegen neuer Dokumente erhebliche Zweifel aufgekommen, sagte Stiftungsvorstand Johannes Paintl. Trotz aller vorherigen Sorgen um den guten Namen der Stiftung musste jetzt ein Vaterschaftstest her. Und so wurde 2010 das Grab von Josef Stanglmeier in Abensberg geöffnet, um eine DNS-Probe zu entnehmen. Verwendet wurde sie aber nie, denn diesmal war es die Tochter, die einen Vaterschaftstest verweigerte. Die Richter am Oberlandesgericht lehnten auch ohne DNS-Beweis eine Wiederaufnahme des Verfahrens ab.

In Nürnberg, wo parallel immer noch über das Erbe verhandelt wurde, schlug der Richter schließlich einen Vergleich vor. 5,2 Millionen Euro sollte die Stiftung an die nichteheliche Tochter zahlen, "im Sinne des Verstorbenen". Der Vergleich wurde von beiden Seiten angenommen, von der Tochter, um die Sache endlich abzuschließen, und vom Kuratorium der Stiftung, "um den Schaden zu minimieren". Johannes Paintl, der Vorstand der Stiftung, fühlt sich dennoch betrogen: Er glaube nach wie vor nicht, dass Josef Stanglmeier der Vater der Frau ist.

Ungeachtet dieses Rechtsstreits kümmert sich die Josef-Stanglmeier-Stiftung weiterhin um Kinder und Jugendliche in Niederbayern und der Oberpfalz. Statt 23 Millionen stehen ihr jetzt aber nur noch etwa 18 Millionen Euro zur Verfügung, weshalb sie die Zuschüsse für Kunst, Musik und Sport verringern muss. Nicht betroffen sind die gesponserten Auslandsaufenthalte von Studenten. Auch der Wettbewerb "Jugend gestaltet Freizeit" geht weiter: Von 11. November an werden im Landkreis Kelheim mehr als 1000 Kinder musizieren, tanzen oder Theater spielen - für einen Zuschuss zum Taschengeld.

© SZ vom 27.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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