Untersuchung zu Missbrauch im Kloster Ettal:Ein mutiger Schritt

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Das Kloster Ettal im Kreis Garmisch-Partenkirchen. (Foto: dpa)

Die Institution stand im Mittelpunkt, nicht der Mensch: Im Kloster Ettal zeigte sich der Narzissmus der katholischen Kirche. Der unabhängige Bericht über den Missbrauchsskandal ist nun ein mutiger Schritt zu dessen Überwindung - selbst wenn es immer noch uneinsichtige Täter gibt.

Ein Kommentar von Matthias Drobinski

Die Wahrheit ist manchmal wichtiger als alles Geld, so gesehen ist dieser Bericht über die körperliche und sexuelle Gewalt in Ettal genauso wichtig, vielleicht sogar wichtiger als alle Entschädigungsleistungen, die das Benediktinerkloster gezahlt hat und zahlen wird. Was das Team des Münchner Instituts für Praxisforschung und Projektberatung da aufgeschrieben hat, ist brutal und schonungslos: Es gab vor allem im Internat des Klosters über Jahrzehnte hinweg ein Cluster der Gewalt, der Demütigung, der Selektion. Die Kinder, die in die Mühlen dieser Gewaltspirale gerieten, waren furchtbar alleine zwischen prügelnden und übergriffigen Patres, mitprügelnden Schülern, verständnislosen Eltern.

In Ettal zeigte sich der institutionelle Narzissmus der katholischen Kirche, der diese Gewalt erst möglich machte: Die Institution stand im Mittelpunkt, nicht der Mensch. Sie musste geschützt werden, auch um den Preis des Verrats an den Kindern, um den Preis der Lüge und des Doppellebens, der Vertuschung, des Wegsehens. Als dies alles vor drei Jahren an die Öffentlichkeit kam, leugnete das Kloster anfangs die Dimension des Unrechts, die Opfer mussten die Mönche zur Einsicht zwingen.

Und nun also der Bericht, angefertigt auf den Wunsch der Betroffenen hin von einem unabhängigen Institut, veröffentlicht in voller Länge im Internet (pdf) - das ist ein mutiger Schritt hin zur Überwindung dieses institutionellen Narzissmus. Die Ettaler Benediktiner sind damit beispielhaft, innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche. Ja, noch immer leben in der Gemeinschaft uneinsichtige Täter, muss Abt Barnabas Bögle seinen Kurs gegen die Zweifel der Mitbrüder verteidigen. Und die Verletzungen der Kinder von einst kann der ehrlichste aller Berichte nicht ungeschehen machen. Aber der Weg hinaus aus der Gefangenschaft in sich selbst ist möglich geworden.

© SZ vom 08.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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