Fall Mannichl:Glatzkopf mit Schlangen-Tattoo

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Die Polizei präzisiert die Beschreibung des Mannes, der auf Alois Mannichl eingestochen hat. Das Münchner Neonazi-Ehepaar bleibt in Haft.

M. Hägler, B. Kastner, S. Wimmer

Die Hinweise auf den Messer-Attentäter von Fürstenzell werden allmählich genauer: Die Polizei sucht einen etwa 30 bis 40 Jahre alten kräftigen, glatzköpfigen Mann, hinter dessen linkem Ohr eine grüne Schlange tätowiert ist. Dieser Mann wurde am Samstag in dem niederbayerischen Ort gemeinsam mit dem aus der Neonazi-Szene polizeibekannten Münchner Ehepaar Manuel und Sabrina H. gesehen.

Passauer Polizeichef Alois Mannichl. (Foto: Foto: AP)

Es könnte sich um den Messerstecher handeln, der den Passauer Polizeidirektor Alois Mannichl mit den Worten "Viele Grüße vom nationalen Widerstand" ein Messer in den Körper gerammt hat.

Den Ermittlern liegen mittlerweile insgesamt 40 Hinweisen aus der Bevölkerung vor. Die Beschreibung des Mannes mit der Glatze ähnelt der Täterbeschreibung von Anschlagsopfer Mannichl. Der Polizeichef sprach am Krankenbett ebenfalls von einem circa 1,90 Meter großen Mann mit Tätowierung oder Muttermal im Halsbereich. Üblicherweise werden Merkmale wie Tätowierungen bei erkennungsdienstlichen Behandlungen in die Datenbank der Polizei aufgenommen.

Bisher hat der Abgleich jedoch keinen Treffer gebracht, was daher rühren könnte, dass der Täter noch nicht polizeibekannt ist - oder nicht aus Deutschland stammt. Mannichl hat angegeben, dass der Täter bairisch oder möglicherweise auch österreichisch sprach.

Die tschechischen und österreichischen Behörden arbeiten im Fall Mannichl eng mit den bayerischen Ermittlern zusammen. Der oberösterreichische Sicherheitsdirektor Alois Lißl kam am Donnerstag persönlich zum Informationsabgleich in die Passauer Einsatzzentrale. Er sagte der Süddeutschen Zeitung anschließend, dass das verdächtige Ehepaar H. derzeit keine Verbindungslinien nach Oberösterreich aufweise.

Befragungen in der österreichischen Neonazi-Szene hätten noch keine Erkenntnisse gebracht. "Über den Fall Mannichl hinaus gibt es aber durchaus eine weitgehende Zusammenarbeit der Rechtsextremen in Oberösterreich und Niederbayern", sagte Lißl. Im November hat es auf oberösterreichischen Internetseiten drei Morddrohungen gegen österreichische Politiker gegeben.

Unklar ist weiterhin, ob es ein Phantombild geben wird. Nach Polizeiangaben tun sich die Zeichner schwer, die eindrücklichen Merkmale in ein Gesamtbild einzuordnen. "Es ist keine Frage der Zeit, sondern eine Frage der Qualität", sagte Einsatzleiter Anton Scherl. Vor allem aufgrund der Beschreibungen sei der Personenkreis mittlerweile "durchaus begrenzt". 30 bis 35 rechtsextreme Personen gibt es laut den Ermittlern im Raum Passau, das Ehepaar H. das wegen des Verdachts der Beihilfe zum versuchten Mord in Untersuchungshaft sitzt, wohnt allerdings in München.

Manuel und Sabrina H. sowie der 21-jährige Phillip H., der ihnen für den Tattag in Fürstenzell ein Alibi gab, sind alte Bekannte: Alle drei sind in derselben rechtsradikalen Gruppierung aktiv. "Die Gruppe der freien Nationalisten in München umfasst zehn bis 20 Personen, bundesweit etwa 300", sagte ein Kriminalhauptkommissar vom Präsidium München. Manuel H. sei seit langem in der Münchner Szene bekannt, "mit dem hatten wir schon das ein oder andere Mal zu tun".

Nach SZ-Informationen störte das Ehepaar H. im Mai 2007 mit Gleichgesinnten den Israeltag auf dem Odeonsplatz. Sie sollen antisemitische Parolen skandiert haben. Nach der Beerdigung des Neonazis Friedhelm Busse in Passau marschierte H. an der Spitze der Rechtsradikalen mit einer Fahne durch die Passauer Innenstadt, flankiert von NPD-Chef Udo Voigt. "Das Ehepaar H. ist bei fast jedem größeren Neonazi-Aufmarsch im Bundesgebiet dabei", sagt Robert Andreasch vom Aida-Archiv (antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle).

Außerdem saß das Ehepaar mit zwei weiteren Rechtsradikalen im Gerichtssaal, als in München der Kriegsverbrecherprozess gegen den ehemaligen SS-Offizier Josef Scheungraber wegen 14-faches Mordes begann: Beim Eintreten des Angeklagten erhoben sich die Vier von ihren Plätzen. Unter Pseudonym veröffentlicht H. im Internet Berichte von Aufmärschen sowie Parolen gegen den verhassten Staat und die Polizei.

Auch Phillipp H. ist mit seinen 21 Jahren kein unbeschriebenes Blatt. Zunächst in der Neonazi-Szene in Essen aktiv, zog er 2005 nach München und gründete neue Vereinigungen. Er organisiert Demonstrationen und pflegt auch Kontakte zur österreichischen Rechtsradikalen-Szene. Im Internet erzählt er von seiner Beugehaft, dass er dem befreundeten Ehepaar H. ein Alibi gegeben habe und dass Mannichl den Anschlag "sogar provoziert hat". Ebenfalls am Mittwoch wurde die in München lebende Freundin von Phillipp H. von der Polizei vorläufig festgenommen.

Ein Nachbar hatte sich bei ihr wegen lauter Skinhead-Musik beschwert, da erklärte sie, er solle aufpassen, sonst gehe es ihm wie dem Polizisten in Passau. Im selben Haus in der Müllerstraße, in dem die Frau wohnt, ist ein Homosexuellen-Treff untergebracht. Da in dem Haus offenbar Neonazis aus- und eingehen, ist es nach SZ-Informationen des öfteren zu Angriffen der Rechtsextremen gegen Schwule gekommen.

© SZ vom 19.12.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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