Zehn Jahre MS Europa:Waschen, legen, föhnen

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Heute feiert die MS Europa ihren zehnten Geburtstag. Zuvor wurde sie nach 660.000 Seemeilen Kreuzfahrteinsatz gründlich renoviert. Ein Werftbesuch.

Lutz Jäkel

"Achtung, bis 15 Uhr gibt es kein Wasser. Bitte auch die Toiletten nicht benutzen" - eigentlich keine gute Ansage an Bord der MS Europa, die seit neun Jahren in Folge vom Berlitz Cruise Guide als einziges Kreuzfahrtschiff mit Fünf-Sterne-Plus ausgezeichnet wird. Und dann kein Wasser? Doch in den letzten Tagen war nichts so, wie es die Kundschaft erwartet - galt es doch, die Lady, wie die Kapitäne ihr Schiff liebevoll nennen, für einen stolzen Tag frisch zu machen. Denn am heutigen Montag feiert die MS Europa mit einer pompösen Party im Hamburger Hafen ihren zehnten Geburtstag - neben bunt-gastronomischen und pyrotechnischen Einlagen soll es auch Abertausende weiße Rosenblätter regnen.

Wurde nach zehn Jahren und 660.000 Seemeilen generalüberholt:MS Europa (Foto: Foto: oh)

In den vergangenen zehn Jahren hat das Schiff mehr als 660.000 Seemeilen, also weit über eine Million Kilometer, zurückgelegt und fast zweitausend Häfen angelaufen. Da war ein Rundum-Lifting überfällig, mit dem die Profis der Traditionswerft Blohm + Voss beauftragt waren. In den vergangenen zwei Wochen wurde auf den elf Decks gefräst, zerlegt, verlegt, genäht, geschweißt und geschwitzt. Für fünf Millionen Euro wurde auf Hochglanz poliert, was seit der letzten Werftkur vor zwei Jahren durch Wind und Wasser, Stöckelschuhe und Badelatschen abgerieben wurde.

"Und der Werftplan war wieder eng, jede Minute kostbar", sagt Rainer Wallis, als Schiffsinspektor verantwortlich für das Lifting der Lady. Kaum hatte die MS Europa vor zwei Wochen am Hamburger Kreuzfahrtterminal in der HafenCity festgemacht, enterten mehr als 600 Handwerker von fast sechzig verschiedenen Firmen die Decks. Schon in der halben Stunde, die das Schiff dann für die Dreiviertelmeile vom Terminal zu Blohm + Voss brauchte, wurden Teppiche herausgerissen und Möbel zum Abtransport bereitgestellt - 600 Kubikmeter Müll in den ersten acht Stunden.

Spätestens damit war der Charme des Fünf-Sterne-Plus passé. Rainer Wallis richtete sein Büro auf dem Schiff ein, kontrollierte rund um die Uhr den Ablauf, um Verzögerungen auffangen zu können. Außerdem marschierten Inspektoren des Germanischen Lloyds, des maritimen TÜVs, über die Decks. Ebenfalls an Bord war Kapitän Friedrich Jan Akkermann: "Ich bin jeden Tag drei bis vier Mal übers ganze Schiff gegangen und habe nach dem Rechten geschaut. Wir müssen schließlich damit leben. Und so ein Werftaufenthalt ist mit seiner staubigen Atmosphäre eine nette Abwechslung."

10 Jahre MS Europa
:Waschen, legen, föhnen

Heute feiert die "MS Europa" ihren zehnten Geburtstag. Zuvor wurde sie gründlich renoviert. Ein Werftbesuch.

Es wurde gefräst, es kreischte, hämmerte und klopfte - alles im Takt. Zylinderköpfe standen in den Gängen, einige der Suiten wurden zum Möbellager, empfindliche Teile waren mit Folie abgeklebt. Auf den Böden lagen Spanholzplatten als Schutz, es roch nach Farbe, Öl, Terpentin. Auch für Küchenchef Stefan Wilke und seine Crew gab es viel Arbeit: "Die Truppe muss bei Laune gehalten werden; deswegen haben wir auch zum Oktoberfest einen bayerischen Frühschoppen gemacht." Und überhaupt wurde die Speisenkarte in der Werftzeit etwas rustikaler. Statt Hummer, Kaviar oder Rinderfilet gab es Frikadellen, Kartoffelsalat und Schnitzel. "Normalerweise machen wir am Tag 200 Schnitzel", sagt Wilke, "jetzt waren es 800."

Gearbeitet wurde an Bord der MS Europa in zwei Schichten fast rund um die Uhr, jeder Handgriff weit im Voraus geplant. Und nach zehn Jahren konzentrierte man sich vor allem auf den Schiffskörper. So wurde das Unterwasserschiff zunächst mit 600 bar abgestrahlt, weil ein rauer Rumpf den Wasserwiderstand und damit den Treibstoffverbrauch erheblich erhöht. 12.000 Quadratmeter Schiffshaut bekam einen neuen Anstrich, 4000 Liter Farbe waren dafür notwendig. Und für das Unterwasserschiff musste kurzfristig neue Farbe geordert werden, weil die bis dahin eingesetzte mehr Algen angezogen hatte als versprochen. Und obwohl, so Wallis, "blaue Farbe die Algen noch mehr anzieht", bekam das Schiff wieder den blauen Streifen entlang der Wasserlinie - "der gehört zum Design, da kann man leider nichts machen".

An 170 Messpunkten am Schiffsrumpf wurde zudem die Dicke der Außenhaut überprüft, die zwischen acht und zehn Millimeter betragen muss - wäre dieser Wert unterschritten worden, hätte die entsprechende Stahlplatte ausgetauscht werden müssen. Auch den strenger gewordenen Umweltauflagen musste Rechnung getragen werden: Weil in vielen Häfen verlangt wird, dass während der Liegezeit für die Energiegewinnung an Bord von Schweröl auf Diesel umgestellt wird, mussten neue Tanks eingebaut werden.

Auch das Innere des Luxusliners wurde aufgehübscht. Das bislang eher rot gehaltene Ambiente der 204 Suiten für maximal 408 Gäste wich dezenteren blau-grünen Tönen, mehr als sechs Kilometer Stoffe wurden dafür zurechtgeschnitten. Und die Polsterei kam direkt an Bord. "Es ist einfacher, hier alles neu zu bepolstern, als die Stühle, Bänke und Sessel an Land zu bringen", erklärt Gabi Haupt, Leiterin Luxuskreuzfahrten MS Europa. Außerdem wurden 5000 Quadratmeter Teppich verlegt, rund 800 Quadratmeter Teak aufbereitet, die 270 Meter langen Ankerketten ausgetauscht, Rettungsboote überholt. Einer der größten Posten: Die beiden Azipods, die vibrationsfreien Antriebe der MS Europa, mussten zerlegt werden, neue Lager wurden eingesetzt. Kostenpunkt: rund 950.000 Euro. Hoher Aufwand, der garantieren soll, dass es auch in Zukunft zu keinem Ausfall der Motoren kommt.

Doch Unvorhergesehenes lässt sich nicht verhindern. So war vor vier Jahren ein Dampfkessel mit Bordmitteln nicht mehr zu reparieren - das Schiff musste außerplanmäßig fünf Tage in Singapur in die Werft, da für den Austausch des Kessels ein Teil der Außenhaut ausgeschnitten werden musste. Das kostete Zeit und viel Geld: Die Reise wurde unterbrochen, die Gäste entschädigt.

Doch in Hamburg lief alles nach Plan. Während die Arbeiter noch Hand anlegten, begann die Crew bereits mit dem Säubern der Suiten und Restaurants, Proviant wurde verstaut. Schließlich folgten die letzten Abnahmen durch den Germanischen Lloyd, die Ingenieure und die Reederei. Dann, am Sonntagnachmittag wurde das Dock geflutet, am gestrigen Abend schließlich machte die Lady am Kreuzfahrtterminal fest.

Wenn heute um 15 Uhr die ersten Geburtstagsgäste an Bord der MS Europa Champagner schlürfen, werden die letzten Handwerker das Schiff verlassen haben. Der Zeitplan war knapp, wieder mal. Und Schiffsinspektor Rainer Wallis weiß aus Erfahrung: "Nach der Werft ist vor der Werft."

© SZ vom 21.9.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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