Vogelschlag-Gefahr:Wo zwei fliegen, ist einer zu viel

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Die Notlandung eines Jets in Hamburg zeigt, wie groß die Vogelschlag-Gefahr ist. Flughäfen gehen mit Schreckschussrevolvern und hohem Gras gegen Habicht & Co. vor.

Andreas Spaeth

Den Start in den Ägypten-Urlaub hatten sich die 245 Passagiere von Condor-Flug DE 1032 am Montag vergangener Woche anders vorgestellt. Kaum hatte die Boeing 757-300 um 7.28 Uhr in Hamburg-Fuhlsbüttel abgehoben, geriet der zweistrahlige Jet in einen Vogelschwarm. Ein Habicht, dessen Gewicht auf ein Kilo geschätzt wird, geriet in das linke Triebwerk, das sich daraufhin sofort abschaltete.

Gefährlich ist es, wenn die Vögel in der Startphase in die Triebwerke geraten. In Hamburg widmet sich die Verkehrsaufsicht auch ihrer Vergrämung und kennt dabei ... (Foto: aspa)

Für Piloten eine Standardsituation, die sie mehrfach pro Jahr im Simulator üben. "Ein Vogelschlag erzeugt einen schlagartigen Ruck", sagt Jörg Handwerg, Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit, "reagiert der Pilot schnell, kippt das Flugzeug wegen des asymmetrischen Schubs nur um etwa zehn bis 15 Grad zur Seite." Der Kapitän im Condor-Cockpit handelte richtig und landete sicher wieder in Hamburg.

Das Risiko eines Vogelschlags steigt vor allem zu Zeiten des Vogelzugs im Frühjahr und im Herbst. "Die Zugvögel machen uns in etwas größeren Höhen Probleme, während die Gefahr während der Brutzeit eher am Boden lauert", weiß Daniel Licht vom Deutschen Ausschuss zur Verhütung von Vogelschlägen (DAVVL) in Traben-Trarbach, der die Gegenmaßnahmen koordiniert.

Die finden naturgemäß an Flughäfen statt - zum Beispiel in Hamburg. Dort ist Michael Rumstedt der Leiter der Verkehrsaufsicht; zu seinen Aufgaben gehört auch die Vogelvergrämung. "Das machen wir übers ganze Jahr", erklärt Rumstedt, "am meisten los ist im März und im September." Denn besonders gefährlich ist es, wenn Vögel in der Startphase in die Triebwerke geraten.

Schon bei ihrer Zulassung müssen neue Triebwerke zeigen, dass sie sich nach Ansaugen eines bis zu 1,8 Kilo schweren Vogels sicher abstellen lassen oder nach einer Begegnung mit kleineren Vögeln weiterhin Schub liefern. Auch für andere Rumpfbereiche gelten strenge Vorgaben. Moderne Flugzeuge müssen nachweisen, dass ihre Struktur und die Cockpitscheiben den Aufprall von bis zu 1,8 Kilo schweren Tiere überstehen, im Heckbereich und am Leitwerk gilt dies sogar für bis zu 3,6 Kilo.

In den USA gibt es rund 20 Vogelschläge am Tag, in Deutschland waren es 2010 genau 567 Meldungen von Piloten, in den ersten drei Quartalen 2011 insgesamt 450. Obwohl im Schnitt nur in 15 Prozent aller Fälle Schaden am Flugzeug entsteht, sind Vogelschläge eine große Belastung für die Luftfahrt. Seit 1988 gab es nach einer Statistik der US-Luftfahrtbehörde FAA weltweit mehr als 200 Tote durch entsprechende Unfälle, die Schäden summieren sich weltweit auf geschätzte 1,2 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

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In den letzten Jahrzehnten allerdings ist die Zahl der gefährlichen Begegnungen in Deutschland massiv gesunken, erklärt die DAVVL. Gab es 1982 noch 13,4 Fälle pro 10.000 Flügen, so sind es heute noch fünf Vorkommnisse je 10.000 Flugbewegungen. "Das zeigt, dass die langfristigen Maßnahmen der Flughäfen glücklicherweise erfolgreich sind", erklärt David Licht.

... kein Pardon: Um die Vögel zu verscheuchen, wird am Hamburger Flughafen Schreckschussmunition eingesetzt. (Foto: aspa)

Wir haben rund 35 Vogelschläge im Jahr", sagt der Chef der Hamburger Verkehrsaufsicht, "es kommt aber nur etwa bei einem Viertel der Fälle zu Beschädigungen am Flugzeug." Um das zu verhindern, sind Michael Rumstedt und seine Kollegen ständig auf dem 570 Hektar großen Airport-Gelände unterwegs. "Für die Vögel ist das hier eine große Grünfläche, auf der sie sich erholen können und nicht mit Widerstand rechnen", erklärt Rumstedt.

Doch da haben die Tiere die Wehrhaftigkeit der Luftfahrtbranche unterschätzt. Und Rumstedts Feindbilder sind eindeutig definiert: "Erstens die Möwen, weil sie so viele sind und immer im Schwarm auftreten; zweitens Falken und Bussarde, weil sie keine natürlichen Feinde und kein Fluchtverhalten haben." J

e nach Region sind die Arten, die den Jets gefährlich werden können, unterschiedlich. "Flugsicherheitsrelevant sind sowohl schwere Vogelarten wie Enten, Gänse oder Greifvögel als auch Schwarm bildende Arten wie Star oder Kiebitz", heißt es bei der DAVVL.

Seit etwa 20 Jahren gehen die Airports systematisch gegen das Vogelrisiko vor. Biotopmanagement heißt eines der Zauberworte - "75 Meter um jede Start- und Landebahn herum gibt es einen Vogelschlag-Schutzstreifen mit möglichst hohem Gras, damit sich die Vögel unsicher fühlen", erklärt Rumstedt. Auch Schreckschussrevolver sind im Einsatz: "Die Waffe wird täglich benutzt", so Rumstedt. 2500 Schuss Pyro-Knallpatronen der Marke Vogelschreck werden im Jahr in Hamburg verballert.

Andere Flughäfen experimentieren mit Füchsen, Falken oder Warnschussanlagen - ganz abstellen lässt sich die Gefahr dennoch nicht. Manchmal lauert die Gefahr aber ganz woanders: Im US-Bundesstaat Rhode Island wurde ein Flugzeug von einem Fisch getroffen, weil ein Fischadler seine Beute fallen ließ.

© SZ vom 07.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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