Verkaufsförderung:Im Rabatt-Labyrinth

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Alte Zapfsäule und immer neue Fragen zum Diesel: Viele Kauprämien versprechen ein gutes Geschäft, lohnen sich aber nicht immer. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Bei den Kaufprämien für alte Diesel gibt es viele Fallstricke im Kleingedruckten. Von den Prämien profitieren vor allem Neuwagenkäufer.

Von Felix Reek

Der Kollege ist genervt. Er fährt einen Diesel von Skoda, Euro 5. Also genau eines jener Fahrzeuge, die von dem Abgasskandal betroffen sind, der seit mittlerweile drei Jahren die Bundesrepublik beschäftigt. Passiert ist seitdem nichts. Zumindest nicht konkret für ihn als Autofahrer. Weder erhielt sein Octavia eine neue Software, die den Ausstoß von CO₂ verbessert, noch eine Hardware-Lösung. Stattdessen drohen Fahrverbote. In Hamburg und Berlin gibt es sie bereits, zwölf weitere Städte wie München, Stuttgart und Düsseldorf könnten bald folgen, wenn die Luft sich nicht schnellstens verbessert. Der Kollege will sein Auto loswerden. Und die Gelegenheit scheint so günstig wie nie: Die Hersteller überbieten sich gerade, wenn es um Rabatte für alte Diesel geht. 5 000 Euro, 6 000 Euro, 10 000 Euro Prämie, das klingt nach einem guten Geschäft. Das Problem ist: So einfach ist es nicht. Beziehungsweise: Die wahren Konditionen verbergen sich hinter vielen Sternchen am Ende vollmundiger Werbeversprechen.

Beispiel Renault: "Bis zu 10 000 Euro für viele Renault-Modelle", lockt der Hersteller auf seiner Webseite. Ganz unten erfährt der Kunde im Kleingedruckten: Das gilt nur für den Kauf eines Neuwagens. Und auch nur für den Espace, Talisman und Koleos. Der Rest der Prämien ist entsprechend des Kaufpreises und der Größe des Autos gestaffelt. Für einen Twingo gibt es 2 000 Euro, für einen Megane 5 000 Euro. Ein Schema, das sich bei allen Herstellern durchzieht.

Die Angebote lohnen sich nur für die, die sowieso ein neues Auto kaufen wollen

"Bei Renault sieht man, dass gerade die Fahrzeuge mit hohem Absatzvolumen mit weniger Abwrackprämie versehen werden, absatzschwächere mit höheren Prämien", erklärt Stefan Reindl vom Institut für Automobilwirtschaft (ifa). Gute Angebote sind es trotzdem. "Auch 5000 Euro sind deutlich über dem, was man sonst bekommt. Solche Rabatte lassen sich tatsächlich nicht erzielen, wenn ich normal kaufe", so der Leiter des ifa. Hinzu kommt noch der Betrag für die Inzahlungnahme des alten Diesel (Euro 1 bis 5). Ähnlich hohe Rabatte bieten auch andere Hersteller. Bis zu 5 000 Euro zahlt Toyota für den Tausch eines Diesels gegen ein Hybridmodell, Ford maximal 8 000 Euro, jeweils gestaffelt nach Größe der Modelle. Neu sind diese Angebote allerdings nicht und erst recht kein Geschenk an die Autofahrer: Es ist der Versuch, den Image-Verlust der deutschen Hersteller auszunutzen und neue Kunden für sich zu gewinnen. "Renault hat sofort reagiert und war dann mit 10 000 Euro Prämie in den Schlagzeilen. Auch wenn es für einzelne Modelle gar nicht stimmt", so Stefan Reindl.

Die deutschen Hersteller sind bei ihren Rabatten deutlich zurückhaltender - trotz den Absprachen mit der Bundesregierung. "Was Verkehrsminister Scheuer da aufgesetzt hat, ist ein Positionspapier", so Reindl, "es gibt keine rechtliche Handhabe. Die Politik gibt in diesem Zusammenhang ein schlechtes Bild ab." Die Angebote der einheimischen Industrie sind demnach freiwillige Zugeständnisse - und deswegen äußerst unterschiedlich. Noch nicht geklärt ist die Situation bei Volkswagen, deren Betrugssoftware die Diesel-Diskussion auslöste. Bisher kündigte VW nur an, im Schnitt 4 000 Euro Prämie für einen Euro 1 bis 4 und 5 000 Euro für einen Euro 5 Diesel zu zahlen. Wann das sein wird, steht noch nicht fest. Im Moment gilt nur weiterhin die "Deutschland-Garantie", bei der Käufer Autos des Konzerns eintauschen können - wenn sie nach dem 1. April 2018 zugelassen wurden.

Konkreter, aber wesentlich komplizierter sind die Angebote von BMW. Innerhalb der "Umweltprämie+" erhalten Kunden 6 000 Euro Rabatt beim Kauf eines Neuwagens, wenn sie ihren Euro 4 oder Euro 5 Mini oder BMW in Zahlung geben. Bedingung ist, dass sie in einem Umkreis von 70 Kilometern einer der 14 Städte leben, in denen die Luftverschmutzung besonders groß ist oder dorthin pendeln. Und dass das Fahrzeug seit mindestens zwölf Monaten auf den Halter zugelassen ist. Wer sich für einen Jahreswagen oder einen jungen Gebrauchten aus dem Fahrzeug-Pool von BMW entscheidet, bekommt 4 500 Euro. Autofahrer mit Dieselfahrzeugen anderer Hersteller erhalten wesentlich weniger Vergünstigungen. 2 000 Euro Rabatt für einen Neuwagen und 1 500 für alle anderen Fahrzeuge - allerdings nur beim Kauf eines BMW oder Mini, der unter 130 Gramm CO₂ pro Kilometer ausstößt. Eine Vorgabe, die bei BMW nur Modelle mit Dieselmotor und das Elektroauto i3 erfüllen.

Ähnlich unübersichtlich tauscht Mercedes alte Diesel ein. Die Rabatte staffeln sich nach Modell und Zustand. Heißt: Für den Kauf eines Gebrauchtwagens aus dem Mercedes-Bestand zahlt Daimler mindestens 1 500 Euro, für einen Neuwagen maximal 10 000 Euro. Das muss dann aber ein Oberklassemodell wie S-Klasse oder GLS sein. Und die kosten mindestens 100 000 Euro.

Deswegen geht Stefan Reindl auch nicht davon aus, dass die Dieselfahrer jetzt die Autohäuser der Hersteller stürmen. "Bei den älteren Fahrzeugen, Euro 4 und darunter, wird der Effekt niedrig sein, weil diese Autofahrer sich das trotz Prämien nicht leisten können." Erfolgreich war mit seinen Rabatten in den vergangenen Monaten nur Volkswagen. "Weil es offensichtlich war, dass VW Betrugssoftware einsetzte und die Kunden Angst hatten", so Reindl. Dieser Boom sei allerdings vorbei. Die aktuellen Rabatte lohnen sich vor allem für all jene, die sowieso ein neues Auto kaufen wollen oder deren Diesel schon viele Kilometer auf dem Tacho haben und nur noch einen geringen Verkaufswert besitzen. Sie bringen den Kunden zwar größere Preisvorteile als üblich - einen schnellen Austausch der Diesel-Flotte können sie aber nicht bewirken. Und schon gar keine Fahrverbote verhindern.

© SZ vom 13.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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