Vergleich:Für die Langstrecke

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Sie sind Klassiker, die ihre Stärken vor allem auf der Autobahn ausspielen: Ob Audi A6 oder der 5er von BMW - wirkliche Unterschiede lassen sich zwischen den beiden Autos nur noch in wenigen Details ausmachen.

Von Felix Reek

"Nääääääää!" Dieses Geräusch ist das erste, womit sich der Audi A6 bemerkbar macht. Es ist das penetrante Aufjaulen des Motors. Dicht gefolgt vom Zählen des Fahrers: "Einundzwanzig, zweiundzwanzig ..." Zwei Sekunden, genau so lange dauert es, bis endlich der richtige Gang anliegt. Die achtstufige Automatik der Limousine schaltet konsequent zu spät - und das bei einem Auto, das sich sonst kaum Fehler erlaubt. Das ist umso fataler, da gerade die deutschen Hersteller in der Mittelklasse immer näher zusammenrücken. Makel gibt es hier kaum noch. Fehler noch weniger. Die Autos werden immer perfekter, aber auch austauschbarer. Unterschiede zwischen den einzelnen Marken sind kaum noch auszumachen.

Das zeigt sich auch bei der direkten Konkurrenz, dem 5er von BMW. Der A6 und die Münchner Limousine treten im SZ-Vergleich in ähnlichen Konfigurationen an. Zweimal Diesel mit Automatikgetriebe, beide mit Motoren, die auch in Zukunft von Fahrverboten unberührt bleiben sollten: der Audi erfüllt Euro 6d-Temp, der BMW Euro 6c. Sie sind etwa fünf Meter lang und wiegen 1,7 (5er) beziehungsweise 1,9 Tonnen (A6). Der Basispreis für beide liegt bei ziemlich genau 55 000 Euro. Der größte Unterschied: Der 5er wird von einem Vierzylinder mit Heckantrieb und zwei Litern Hubraum angetrieben, der A6 besitzt Allrad und einen 3,0-Liter-V6.

Abgesehen davon, ist die Frage BMW oder Audi eine reine Image-Entscheidung. Die Verarbeitung des Innenraums ist ebenbürtig, es dominieren sogar die gleichen Materialen: Leder, Holz, poliertes Metall. Auf den vorderen Sitzen gibt es ausladend Platz für Fahrer und Beifahrer, die Rückbank dürfte auch große Menschen zufriedenstellen. Die Kofferräume sind mit knapp 530 Liter Volumen identisch groß.

Auch bei der Ausstattung mit Assistenzsystemen sind BMW und Audi gleich auf. Sie warnen vor Fußgängern, Radfahrern oder beim Verlassen der Spur. Sie übernehmen sogar auf Wunsch komplett das Steuer. Das funktioniert auf der Autobahn recht ordentlich, solange die Fahrbahnmarkierung deutlich zu erkennen ist. Anders sieht es aus, wenn es dunkel wird. Oder regnet. Oder eine Baustelle aufgebaut ist. In diesem Fall sollte der Fahrer das Steuer lieber fest in die Hand nehmen. Der A6 beispielsweise, der den Tempomat mit den Geschwindigkeitsbegrenzungen abgleicht, beschleunigt dann jäh auf Tempo 120 - weil das System des Audis die Baustelle nicht erkennt. Der BMW fährt in der Kurve einfach geradeaus weiter. Die Sensoren sind nicht in der Lage die neue Fahrbahnführung zuzuordnen.

Aus dem Fenster schauen beim Einparken ist passé. Sensoren und Kameras übernehmen das Ganze

Umso genauer arbeiten die Systeme beim Einparken. Aus dem Fenster schauen und Augenmaß sind passé. Stattdessen helfen Kameras und Abstandssensoren. Vorne, hinten, an der Seite, im Fall des BMWs virtuell sogar von oben. Wer versucht, sich einem Bordstein zu nähern, glaubt sich mitten in einem Großeinsatz der Feuerwehr gefangen. Es piepst von allen Seiten. Ein Alleinstellungsmerkmal sucht man bei beiden Limousinen weiterhin vergeblich.

Das sollen offenbar die Lösungen auf die fortschreitende Digitalisierung bieten. Nicht ein, nicht zwei, nein, drei Displays gibt es im Audi. Einen Bildschirm im Tacho, einen in der Mittelkonsole und einen weiteren darunter für die Einstellung der Klimaanlage. Das erscheint auf den ersten Eindruck etwas übertrieben, erweist sich aber schnell als nützlich, wenn das Navi die Eingabe der Adresse aufruft. Dann verwandelt sich das gesamte Display in eine Schreibunterlage auf der mit dem Finger Buchstaben gezeichnet werden können. Wenn diese Funktion überhaupt benötigt wird. Denn die Spracherkennung des A6 funktioniert erstaunlich gut. Knopf am Lenkrad drücken, Adresse ansagen und schon erscheint die Karte auf dem mittleren Bildschirm und zeigt ein echtes Satellitenbild. Zusätzlich zu den gewohnten Richtungsanzeigen auf dem Tacho und dem Head-up-Display. Wer sich jetzt noch verfährt, ist selbst schuld.

Im BMW zeigt sich die Digitalisierung etwas dezenter. Hier steuert der bekannte Drück- und Drehregler die meisten Funktionen. Das mag im Vergleich antiquiert wirken, funktioniert aber immer noch tadellos. Ohne Spielerei geht es aber auch bei den Münchnern nicht. Läuft das Radio, ist auf dem Display in der Mittelkonsole ein kreisrundes Zeichen mit einer Hand zu sehen. Also den Zeigefinger heben und in der Luft einen Kreis beschreiben. Das Ergebnis: Das Radio wird lauter. Der 5er reagiert in der aktuellen Generation neben Sprache auch auf Gesten. Wer also demnächst an der Ampel neben sich einen BMW-Fahrer wild herumfuchteln sieht: Er dirigiert nicht Beethovens 9. Sinfonie - er versucht nur, das Radio leiser zu stellen.

Selbst beim Fahren sind die Unterschiede zwischen den Limousinen gering. Der BMW steuert sich trotz kleinerem Motor agiler. Er liegt besser in den Kurven, die Spreizung der Fahrmodi ist größer. Heißt: Im Sportmodus geht es auch wirklich flotter voran, sogar die Seitenwangen der Sitze passen sich dann an und greifen fester zu. In der Spareinstellung reagiert das Getriebe träger. Der A6 fährt sich nicht ganz so sportlich, dafür konsequent unaufgeregt. Bodenwellen kennt die Limousine nur vom Hörensagen, die Fahrmodi sind vorhanden, die Unterschiede dazwischen dezent. Ein typischer Gleiter für die Autobahn, der selbst bei Tempo 180 noch perfekt auf der Straße liegt.

Ob Audi A6 oder BMW 5er ist heutzutage also vor allem eine Frage des persönlichen Geschmacks. Unterschiede gibt es nur noch in Details. Beide Limousinen sind tadellos verarbeitet, bieten den gewohnten Fahrkomfort, liegen preislich auf einem Niveau. Sie sind klassische Langstreckenautos, die ihre Stärken vor allem auf der Autobahn ausspielen. Hier einen Gewinner oder Verlierer auszumachen, ist fast unmöglich. Zumindest solange der Fuß nicht auf dem Gaspedal des Audi A6 landet. Und wieder dieses wimmernde Geräusch ertönt: "Nääääääää!"

Die Testfahrzeuge wurden von den Herstellern zur Verfügung gestellt.

© SZ vom 24.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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