Studien auf der IAA:Zukunft in großen Dosen

Lesezeit: 3 min

Auf der IAA zeigen die deutschen Premiummarken Audi, Porsche und Mercedes spektakuläre Designstudien.

Von Jörg Reichle

Wenn das die Zukunft ist, können wir uns schon mal freuen. Zumindest aus ästhetischer Sicht. Was das Design angeht, hat auf der diesjährigen IAA in Frankfurt/Main Porsche den Vogel abgeschossen. Mission E nennt sich die viersitzige Konzeptstudie, die das Team um Designchef Michael Mauer derart spektakulär eingekleidet hat. Die nur 1,30 Meter hohe Studie kombiniert Elemente einer viersitzigen, durch jeweils gegenläufig öffnende Türen zu besteigenden Limousine mit der Emotionalität eines Sportwagens. Die Front: neuartige Matrix-LED-Scheinwerfer, die schwebend in den durchströmten Lufteinlass integriert sind. Das Heck: Die schlanke Kabine mit der nach hinten gezogenen Heckscheibe schafft Raum für die deutlich ausgeformten hinteren Kotflügel. Markante Luftein- und -auslässe ringsum prägen die komplett durchströmte Karosserie. Carbon ist der vorherrschende Werkstoff. Innen überrascht eine völlig neue Welt. Der fehlende Getriebetunnel lässt alles leicht und offen wirken, und zwischen den Vordersitzen steigt wie eine Brücke ein nicht sehr breiter Mitteltunnel an. Innovativ auch das Anzeige- und Bedienkonzept, das sich in seiner Komplexität nur stichwortartig wiedergeben lässt: freistehendes und gebogenes Fahrerdisplay, virtuell dargestellt in OLED-Technologie, also mittels organischer Leuchtdioden. Auch die Ansteuerung ist völlig neuartig. Ein Eye-Tracking-System erkennt mittels Kamera, auf welches Instrument der Fahrer schaut. Per Tastendruck am Lenkrad aktiviert dieser das entsprechende System und kann darin navigieren. Außerdem folgt die 3-D-Darstellung der Rundinstrumente der Sitzposition und Körperhaltung des Fahrers. Alle wichtigen Informationen folgen damit immer seinem Blickwinkel.

Porsche verspricht: In 15 Minuten sollen 80 Prozent der Kapazität nachgeladen werden können

Während sich der Porsche bereits zum Highlight der Messe entwickelt hat, ist die Konzeptstudie von Audi ein starkes Zeichen des dortigen neuen Designchefs. Marc Lichte hat den E-tron Quattro Concept als konkreten Ausblick auf ein rein elektrisch betriebenes SUV in der Oberklasse gestaltet. Es soll Anfang 2018 auf den Markt kommen und dann nicht zuletzt dem amerikanischen Elektro-Pionier Tesla das Leben schwer machen. Vor allem die Frontgestaltung des 4,88 Meter langen und nur 1,54 Meter hohen SUV mit dem achteckigen Grill soll künftig das Design aller SUV von Audi prägen, ebenso wie die Matrix-Laser-Leuchten. Wie beim Porsche ist auch beim Audi viel die Rede von der beispielhaften Aerodynamik der Karosse - Voraussetzung für eine möglichst hohe Reichweite. Die soll beim E-tron Quattro 500 Kilometer betragen. Dabei nutzt man die Kraft von drei Elektromotoren, von denen einer die Vorderachse, die anderen beiden die Hinterachse antreiben. Gemeinsam leisten sie 320 kW (435 PS), kurzzeitig soll der Fahrer sogar um die 500 PS aktivieren können. Die Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h ist elektronisch begrenzt. Im Sinne einer ausgewogenen Achslastverteilung und eines tiefen Schwerpunkts ist die Lithium-Ionen-Batterie im Boden der Fahrgastzelle untergebracht. Eine Vollladung mit Gleichstrom soll an einer 150 kW-Ladesäule etwa 50 Minuten dauern. Alternativ kann aber auch induktives Laden auf einer entsprechenden Platte möglich sein.

Noch besser will es der Porsche können - zumindest in der Theorie. Seine beiden permanent erregten Synchronmotoren (PSM), wie sie ähnlich im diesjährigen Siegerwagen in Le Mans eingesetzt wurden, leisten zusammen 600 PS und beschleunigen den Mission E in 3,5 Sekunden auf 100 km/h. Der bedarfsgesteuerte Allradantrieb mit automatischer Verteilung des Drehmoments auf die einzelnen Räder bringt dabei die Kraft auf den Boden, eine Allradlenkung gibt, ähnlich wie beim Audi, die Richtung vor. Bis zu 500 Kilometer soll der Mission E mit einer Batterieladung fahren können, danach lässt sich in etwa 15 Minuten Energie für 400 Kilometer "nachtanken" - ein Rekordwert für E-Autos. Porsche setzt dafür erstmals die 800-Volt-Technik ein, die kürzere Ladezeiten bei geringerem Gewicht ermöglichen soll. Alternativ kann aber auch an einer 400-Volt-Station geladen werden.

"Zwei Autos in einem" nennt dagegen Mercedes seine Studie. Das "Concept IAA" (Intelligent Aerodynamic Automobile), ein gut fünf Meter langes viertüriges Coupé, stellt mit einem Cw-Wert von 0,19 einen neuen Aerodynamik-Weltrekord auf - und dient erstmals als Demonstrationsobjekt für die Digitalisierung der Zukunft im Automobilbau, Stichwort Industrie 4.0. Eine digitale Prozesskette von der Forschung und Entwicklung über die Produktion bis zu Vertrieb, Logistik und Dienstleistung. Außerdem nimmt das Interieur-Design bereits im Wesentlichen das Innere der nächsten E-Klasse vorweg. Farblich herrschen Anthrazit und Weiß als technisch-elegante Grundfarben vor, sowie Aluminium und Kristallglas als entsprechende Materialien. Der Boden der Designstudie ist komplett mit Leder überzogen.

Herausragend sind aber die Erkenntnisse auf dem Gebiet der Aerodynamik. Per Knopfdruck oder automatisch ab 80 km/h

wird aus dem Coupé extrem eine windschlüpfige Hülle: Am Heck fahren acht Segmente aus und verlängern es um bis zu knapp 40 Zentimeter, kleine Flächen im vorderen Stoßfänger fahren nach außen und nach hinten und verbessern so die Umströmung des Bugs und der vorderen Radhäuser. So genannte aktive Felgen verändern ihre Schüsselung so lange, bis sie zum völlig flächigen Scheibenrad werden. Außerdem fährt eine Lamelle im vorderen Stoßfänger nach hinten und verbessert so die Strömung am Unterboden.

Weniger sichtbar, aber nicht weniger zukunftsweisend: Der IAA ist bereits für die Car-to-Car-Kommunikation vorbereitet.

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: