Schiffskollisionen:Kleiner Aufpasser

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Ein neuer Mini-Satellit namens AISat soll vom Herbst an helfen, drohende Schiffskollisionen auf hoher See zu vermeiden.

Klaus C. Koch

Zu den größten Schiffen der Welt zählen Containerschiffe wie die 397 Meter lange Emma Maersk und schwimmende Städte wie die Queen Mary 2, die Tausende Passagiere über die Weltmeere schippert. Die schiere Größe dieser Gebirge aus Stahl und ihre PS-Leistung sind kolossal. Und glücklicherweise sind Öltanker wie die Knock Nevis, die mit irrwitzigen 458 Meter Länge 652 Millionen Liter Rohöl transportieren konnte und mangels schützender Doppelhülle weder durch den Panama- noch den Suezkanal fahren durfte, mittlerweile beim Schrotthändler gelandet.

Risiko: Trotz modernster Radarsysteme und des Automatischen Identifikationssystems (AIS) passiert es immer wieder, dass sich Schiffe zu nahe kommen. Ein kleiner Satelilt soll das nun ändern. Hier im Bild: eine Schiffskollision vor der japanischen Küste. Der phillipinische Frachter Eastern Challenger sinkt nach einer Kollision mit dem japanischen Frachter Tsugaru Maru, neun Kilometer vor der Küster von Tateyama, Chiba Prefecture, Japan (13. April 2006). (Foto: dpa)

Aber aufgrund ihrer enormen Masse haben sie doch mit einer gemeinsamen Problematik zu kämpfen: So durfte die Knock Nevis nicht einmal den immerhin 34 Kilometer breiten Ärmelkanal durchfahren, weil der Tanker mit sechs Kilometer Bremsweg einfach zu schwerfällig war. Aber auch die modernen Ozeanriesen lassen Kollisionen für alles übel enden, was ihnen unvermittelt vor den Bug kommt.

Selbstverständlich gehören Radarsysteme in verschiedenen Variationen seit langen Jahren zur Grundausstattung auf jeder Schiffsbrücke. Wegen des berüchtigten Funkschattens kann es allerdings passieren, dass hinter größeren Hindernissen plötzlich hervorkommende Schiffe nicht mehr rechtzeitig erkannt werden können.

Das seit Mitte 2008 für größere Schiffe vorgeschriebene Automatische Identifikationssystem (AIS), das auf Ultrakurzwelle Navigations- und Positionsdaten aussendet, hat zwar den Vorteil, dass aufgrund der größeren Wellenlänge der Funkschatten nicht so ausgeprägt ist. Allerdings beschränkt sich die Reichweite hier auch auf den näheren Küstenbereich. Nicht mehr als 50 bis 100 Kilometer beträgt die Entfernung zum Land, wenn auf dem Bildschirm ein AIS-Signal auftaucht - das wissen auch die Piraten vor Somalia zu schätzen.

Ein Aufpasser in der Erdumlaufbahn, der aus der Vogelperspektive bis zu 750 Kilometer abdeckt, soll demnächst Abhilfe schaffen. Der vergleichsweise winzige Satellit namens AISat soll die Vorwarnzeiten für die Schiffe nicht nur in Küstennähe, sondern auch auf hoher See deutlich verlängern.

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Moderne Technik soll Schiffspiraten abwehren, bisweilen erreicht sie aber genau das Gegenteil.

Nur zehn Kilogramm wiegt der koffergroße Erdtrabant, der in erster Linie durch seine spiralförmige Antenne auffällt. Letztere arbeitet durch ihre schraubenförmig gewundene Form einer Helix als Richtantenne. Dadurch kann der Trabant bestimmte Regionen ins Visier nehmen, ohne das Einzugsgebiet zu weit auszudehnen.

Bislang eingesetzte Satelliten haben zwar einen großen Einzugsbereich, der sich auf bis zu 6000 Kilometer erstrecken kann. Dadurch kann jedoch das Problem entstehen, dass zu viele Signale gleichzeitig empfangen werden, die sich gegenseitig stören. Wie der bekannte Jack-in- the-Box soll sich die Antenne des AISat erst dann auf die vollen vier Meter Länge entfalten, wenn der Satellit an Bord einer indischen Trägerrakete seine Position im Orbit erreicht. Bis dahin muss das Gerät als Zuladung zu einer anderen Mission auf kleinstem Raum verstaut werden.

Die schwierigste Aufgabe der Ingenieure bestand darin, den Rückstoß in den Griff zu bekommen, der entsteht, wenn die Antenne wie eine Feder aufspringt. Bei einem der Parabelflüge, die das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit einem speziellen Airbus A300 duchführte, um kurzzeitig Experimente in der Schwerelosigkeit durchführen zu können, wurden vier verschiedene Bauarten getestet.

Die Wissenschaftler maßen den Rückstoß der Antenne an drei Punkten und filmten gleichzeitig die Bewegung mit vier Kameras. Dabei schwang die Konstruktion zunächst auf voller Länge so, als würde "der Schwanz mit dem Hund wedeln", beschreibt Joachim Block, Koordinator der Weltraumprojekte am DLR-Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik, die Versuche. Ein Kern aus Kohle- und Glasfaserstoffen soll nun die Struktur der spiralförmigen Helix in Form halten, bis der Satellit zur Ruhe kommt.

Im Herbst dieses Jahres, so die Planung, wird AISat die Reise in den Orbit antreten - begleitet von der Hoffnung, dass sich der Satellit als nicht allzu sprunghaft erweist und möglichst schnell mehr Sicherheit für die Handelsschifffahrt bieten kann.

© SZ vom 30.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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