Piratenüberfälle:Freibeuter im Fadenkreuz

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Moderne Technik soll Schiffspiraten abwehren, bisweilen erreicht sie aber genau das Gegenteil.

Klaus C. Koch

Leichtes Spiel hatten Piraten im Golf von Aden bislang nicht nur deshalb, weil deutschen wie internationalen Marineverbänden ein wirksames Eingreifen untersagt war. Vor allem langsame Schiffe mit tiefliegendem Deck sind auch durch technische Vorkehrungen kaum zu schützen. Andererseits hat sich gezeigt, dass manche Maßnahme, die der Sicherheit der Seeschifffahrt dient, geradezu eine Einladung zum Missbrauch darstellt.

Auf die Ohren: Noch auf 1000 Meter Distanz erzeugen Schallkanonen bis zu 150 Dezibel - eine der Möglichkeiten, Piratenboote zu vertreiben und Geiselnahmen zu verhindern. (Foto: N/A)

Sind die Piraten einmal an Bord, ist es zu spät

Große Reedereien wie die Hapag-Lloyd und ihre 133 Containerriesen, die ständig mehr als eine Million Standardbehälter zwischen den Kontinenten verschieben, blieben bisher aufgrund ihrer Schnelligkeit und hohen Bordwände von Attacken verschont. Doch seit es Piraten gelang, von winzigen, mit Außenbordern bestückten Booten aus den mehr als 330 Meter langen Tanker Sirius Star aus Saudi-Arabien zu kapern, schien kaum mehr ein Schiff sicher zu sein. Von 16.000 Pötten, die pro Jahr auf dem Weg zum Suez-Kanal den Golf von Aden durchqueren, wurde zwar "nur ein verschwindend kleiner Prozentsatz" überfallen, wie der Verband deutscher Reeder bestätigt. Svante Domizlaff, Sprecher der Deutschen Afrika-Linien, hält es trotzdem nach wie vor für die beste Empfehlung, "einen großen Bogen" um die betreffenden Küsten zu fahren.

"Wenn die Piraten einmal an Bord sind, ist es zu spät", sagt Niels Stolberg, Geschäftsführer der Beluga-Gruppe. Das kann eine Frage von Minuten sein. Einer der Frachter mit den charakteristischen Riesenkränen, die BBC Trinidad, geriet Mitte August in die Gewalt von Piraten. Trotz rechtzeitiger Entdeckung der Angreifer aus der Ferne und sofort eingeleitetem Zick-Zack-Kurs gingen die mit Kalaschnikows und Panzerfäusten bewaffneten Piraten schnell längsseits. "Da bleibt nichts übrig als zu stoppen, um ein Blutvergießen zu vermeiden", sagt Stolberg.

In regelmäßigen Seminaren werden die Mannschaften auf Deeskalation getrimmt. An der Ladung selbst sind die Piraten meist nicht interessiert, "obwohl in einem einzigen Container schnell Millionenwerte zusammenkommen", erklärt Reto Frei, Leiter der Schifffahrtsabteilung einer großen Versicherungsgruppe. Die Prämien der Versicherer steigen; wenn sie überhaupt noch bereit sind, zu zahlen. Zum Teil wurde bereits dazu übergegangen, Piratenüberfälle als "Terror" einzustufen, der durch keinerlei Prämie gedeckt sei.

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Davon profitiert die Security-Branche mit einer ganzen Palette von Ausrüstungsgegenständen, die ursprünglich entwickelt wurden, um Demonstranten oder renitenten Bevölkerungsgruppen zu Leibe zu rücken. Sogenannte Long Range Acoustic Devices (LRAD) erzeugen mit Hilfe einer satellitenschüsselgroßen Anlage noch auf 1000 Meter Distanz einen Schallpegel bis zu 150 Dezibel (entsprechend einem Jettriebwerk aus 30 Metern Entfernung) auf einer Frequenz von zwei bis drei Kilohertz. Wahlweise sind die Geräte auch aus einem simplen MP3-Player zu speisen. Ohrstöpsel reichen laut Hersteller nicht aus, um der "akustischen Autorität" standzuhalten.

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Tatsächlich gelang es in Einzelfällen, Piraten so lange aufzuhalten, bis die vermeintliche Beute genügend Fahrt aufgenommen hatte, um den Angreifern zu entkommen. Auch die Beluga-Gruppe will jetzt solche Brüllapparate auf einem Teil ihrer Schiffe einbauen. Frachter könnten dadurch Zeit gewinnen, bis Hilfe von der Task Force kommt - wenn sie kommt. Denn auch das gab es schon, moniert Stolberg: Dass Schiffe der Task Force, wie im Fall der BBC Trinidad, gerade anderweitig beschäftigt waren und deshalb den Alarm des Ship Security Alert Systems (SSAS) in wenigen Seemeilen Entfernung überhörten.

Im Mikrowellenbereich arbeitet eine auf ADS (Active Denial System) getaufte Anlage. Sie funktioniert auf 95 Gigahertz, dem 80- bis 100-fachen gängiger Mobilfunkfrequenzen, und sollte Gegner - wenn schon nicht grillen - so doch durch einen unter die Haut gehenden Hitzeschock auf Abstand halten. Trotzdem glaubt Domizlaff, dass der ganze technische Schnickschnack nichts bringt. "Die schießen ihnen ein Loch in die Brücke - dann ist der Fall gelaufen."

Gänzlich konträre Wirkung erzielt ein Instrumentarium, das ursprünglich der Verkehrssicherheit auf internationalen Schifffahrtsrouten dienen sollte. Das Universal Automatic Identification System (UAIS) wurde entwickelt, um Tankerunfälle und Kollisionen von Frachtern zu vermeiden. Ähnlich den Funktranspondern, die auf dem Radar der Flugüberwachung Richtung und Kennung von Passagierjets anzeigen, sind die Schiffs-Sender seit 2005 Pflicht.

Wie Polizei- oder Flugfunk auf Ultrakurzwelle (UKW) gut zu empfangen, schicken sie in regelmäßigen Intervallen Daten über das Schiff, seine Ladung, Gefahrgutklasse, Geschwindigkeit, Reiseziel, Route und Manövrierfähigkeit in den Äther. Weil die Daten ausdrücklich auch dazu gedacht sind, kleineren Schiffen bei schlechter Sicht Ausweichmanöver zu gestatten, gibt es preiswerte Empfänger, die in Verbindung mit einer entsprechenden Software sämtliche Bewegungen größerer Schiffe in einem Umkreis von bis zu 100 Kilometern Entfernung vor der Küste bequem auf einem Laptop abbilden - samt Auskunft darüber, ob sie als Beute geeignet sind.

© SZ vom 13.12.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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