Radtest:Teurer - aber auch besser?

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Schlanke Linie: Pedelecs, also Fahrräder mit E-Antrieb, werden immer stylischer. Die beiden Modelle Geos Urban und Cowboy im direkten Vergleich.

Von Felix Reek

Pedelecs und E-Bikes boomen. Seit einigen Jahren sind immer mehr Fahrräder mit elektrischer Unterstützung auf den Straßen unterwegs. Jedes dritte verkaufte Fahrrad ist mittlerweile ein Pedelec. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Trends waren hier vor allem ältere Menschen diejenigen, die das Thema vorantrieben: Ihnen erleichterte der Motor das Fahren über längere Strecken. Entsprechend sahen die ersten Pedelecs aus: nüchterne Alltagsfahrräder, praktisch, aber nicht sonderlich aufregend. Seitdem die elektrischen Fahrräder jedoch auch von immer mehr Menschen zum Pendeln genutzt werden, geraten die Käufer unter 30 Jahren ins Visier der Hersteller. Die wünschen sich laut einer Studie von einem Pedelec nicht nur, dass es sich mühelos fahren lässt - es soll auch noch Spaß machen und gut aussehen.

Zwei Pedelecs, die in diese Kategorie fallen, sind das Geos aus Deutschland und das Cowboy aus Belgien. Beide stammen von Start-ups und sind ähnlich aufgebaut: Riemenantrieb mit einem Gang (das Geos ist optional mit Kettenschaltung erhältlich), breite und profillose Reifen, in der Grundausstattung kein Gepäckträger und keine Schutzbleche. Durch das vergleichsweise geringe Gewicht - das Geos wiegt 14,7, das Cowboy 16 Kilogramm - sind beide Räder auch mühelos ohne elektrische Unterstützung fortzubewegen. Die breiten, profillosen Reifen bieten erstaunlich guten Grip und federn grobe Unebenheiten ab. Längere Trips abseits befestigter Straßen sind aber nicht ihre Stärke.

Schick und schlank – und zumindest auf den ersten Blick kaum als Pedelec zu erkennen: Das Geos Urban. (Foto: Geos)

Informationen über den Ladestand und die Reichweite liefern die jeweiligen Apps zum Fahrrad, ein Display am Lenker fehlt. Nur das Cowboy zeigt per Lichtpunkte im Oberrohr seinen Ladestand an. Dafür benötigt es aber ein Handy zum Einschalten des Motors. Das dürfte zwar jeder meistens dabei haben, aber wenn der Akku leer ist, wird das Pedelec zum schnöden Fahrrad.

Geos ist da traditioneller und bietet einen Knopf am Lenker, der das Rad aktiviert. So groß die Ähnlichkeiten, so unterschiedlich ist der Preis der Räder: Das Geos ist mit 4800 Euro mehr als doppelt so teuer wie das Cowboy, das auf 1990 Euro kommt. Aber ist der Preisunterschied gerechtfertigt?

Obwohl der Betrag erst einmal hoch erscheinen mag, liegt Geos nur im preislichen Mittelfeld. Fahrräder mit elektrischer Unterstützung von Van Moof oder Coboc rangieren auf einem ähnlichen Preisniveau. Die Verarbeitung des Geos ist gut, das Design schnörkellos. Auf der Fachmesse Eurobike gab es dafür im vergangenen Jahr sogar einen Preis. Dass es sich bei dem Geos um ein Fahrrad mit elektrischer Unterstützung handelt, ist nicht zu sehen. Die Batterien sind im Ober- und Unterrohr verbaut, der Motor mit 250 Watt sitzt an der Hinterradnabe. Der Ladeanschluss versteckt sich unter dem abnehmbaren Rücklicht, das Vorderlicht ist in den Rahmen integriert. Das sieht alles sehr gut aus, hat aber einen entscheidenden Nachteil: Wer keine Garage mit Steckdose hat, muss das Pedelec in die Wohnung tragen. Was bei einem Rad dieser Preiskategorie sowieso ratsam sein dürfte. Die maximale Ladezeit für 100 Kilometer Reichweite beträgt drei Stunden. Dies gilt aber nur für die niedrigere der zwei Fahrstufen.

Aus Berlin für 4800 Euro tritt im Vergleichstest an gegen das Cowboy aus Belgien für 1990 Euro. (Foto: Cowboy)

Das Cowboy aus Belgien geht hingegen einen anderen Weg. Der Antrieb mit 250 Watt sitzt ebenfalls am Hinterrad, der Akku ist an der Sitzstrebe angebracht. Mit einem Schlüssel lässt sich die zylinderförmige Batterieeinheit aus der Verankerung lösen. An der Steckdose dauert es 3,5 Stunden, bis der 360 Wattstunden starke Akku geladen ist. Das soll für 70 Kilometer reichen. So makellos wie beim Geos sieht diese Lösung natürlich nicht aus, die Batterie ist deutlich zu erkennen, steht wie ein Fremdkörper vom Rahmen ab. Die Vorteile sind aber nicht von der Hand zu weisen.

Außerdem fährt sich das Cowboy hervorragend. Eine Gangschaltung gibt es auch hier nicht, der Drehmoment-Sensor wählt die elektrische Unterstützung automatisch aus. Je fester der Fahrer in die Pedale tritt, umso mehr beschleunigt der Motor. Das passiert so unmerklich, dass kaum auffällt, dass es sich um ein Pedelec handelt. Selbst das hohe Sirren von Elektromotoren, das beispielsweise auch das Geos produziert, fehlt. So makellos arbeitet zur Zeit kaum ein Pedelec auf dem Markt. Die Antrittsschübe durch den Elektromotor, die auf anderen E-Bikes die Radler immer wieder überraschen, gibt es beim Cowboy nicht. Alles geht nahtlos ineinander über. Es gelingt sogar mühelos, mehr als 25 Kilometer pro Stunde zu fahren. Bei anderen Pedelecs hat der Fahrer immer den Eindruck, er müsse gegen den E-Motor antreten. Beim Cowboy ist das nicht der Fall.

Das Geos zeigt eine ähnlich gute Performance, doch dem belgischen Konkurrenten ist das noch deutlich besser gelungen. So gut, dass das Cowboy nicht einmal eine zweite elektrische Fahrstufe benötigt. Es legt immer die richtige Beschleunigung an, ganz automatisch.

Für welches Rad sich der Kunde entscheidet, ist also vor allem eine Geschmacksfrage. Ein höherer Preis steht hier nicht zwangsweise für ein besseres Rad. Die Vorteile des Geos sind überschaubar: Es besitzt eine etwas höhere Reichweite und es gibt drei verschiedene Rahmengrößen. Das Cowboy bietet nur einen Einheitsrahmen an, der für Menschen zwischen 1,70 und 1,95 Meter Körpergröße reichen soll, doch für sehr große Fahrer ist das Pedelec definitiv nichts. Dafür fährt das belgische Rad müheloser und der Akku lässt sich mitnehmen. Die Frage, welches Pedelec das bessere ist, entscheidet sich also darüber, wie wichtig einem das Design ist und ob man bereit ist, dafür zu zahlen. Denn für den Preis des Geos gibt es gleich zwei Cowboys.

© SZ vom 03.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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