Qualitätsmanagement:Auf dem Prüfstand

Lesezeit: 2 min

Wer garantiert, dass die Sitze halten und das Auto tatsächlich fährt? Jeder Hersteller und jeder Zulieferer benötigt Qualitätsmanager.

Von Christine Demmer

Wenn die Empörungswellen haushoch über einer Branche zusammenschlagen, gehen die dort Beschäftigten gern auf Tauchstation. Ebenso verschlossen wie Analysten und Investmentberater nach der Lehman-Pleite vor sieben Jahren - "Wer, Banker, ich?" - geben sich heute die Qualitätsingenieure in der Automobilindustrie. Die Frage, ob man im Unternehmen auf sie hört, versetzt sie in helles Entsetzen. "Sie nennen doch nicht meinen Namen, nein?"

Nein. Nur so viel: Die 27-jährige Wirtschaftsingenieurin, die sich für Qualitätsmanagement (QM) als Schwerpunktfach im Studium entschieden hat, arbeitet bei einem süddeutschen Autobauer, hält große Stücke auf ihren Beruf und weiß sich und ihre erlernten Qualitätsmaßstäbe im Prinzip durchzusetzen. "Es heißt, ich mache das mit charmantem Druck", erzählt die junge Frau spitzbübisch. Sie und ihre rund 250 Kollegen im Qualitätsmanagement verstehen sich als Vertreter der Kundeninteressen. Wenn ein Auto schon so teuer sei, dann müsse die Qualität hundertprozentig stimmen.

Damit gemeint ist zweierlei: die Ergebnisqualität, also ein funktionierendes Auto, und die Prozessqualität, der fehlerfreie Ablauf der Fertigung. "70 Prozent der jemals von uns gebauten Autos rollen heute noch auf der Straße", führt die Qualitätscontrollerin als Beweis dafür an, dass sich ihr Konzern an diese Forderung gebunden fühlt. "In Zukunft wird Qualität noch viel wichtiger", versichert die Ingenieurin. "Wir sind mitten im Umbruch, Elektroantrieb, mehr Elektronik im Auto, Stichwort: connected car - das alles muss im Zusammenspiel ja funktionieren. Schon deshalb spielt die Qualität solch eine große Rolle."

Eine Zertifizierung ist zwar teuer, doch Autobauer verlangen sie

So sehen das die Autohersteller. Und weil sie mittlerweile das Gros der im Auto verbauten Teile von anderen Herstellern beziehen, pochen sie darauf, dass die Lieferanten ihr Qualitätsbewusstsein teilen und ihre Fertigung nach der internationalen Qualitätsnorm ISO 9001 ausrichten. "Etwa 90 Prozent der Zulieferer haben sich zertifizieren lassen", schätzt Michael Thode, selbstständiger QM-Auditor aus Heidelberg. Nicht immer aus freien Stücken, denn die Prüfung und nötigenfalls die Umstellung der Fertigungsprozesse auf die von der International Organization for Standardization (ISO) für ordentlich erachtete Arbeitsweise kostet ein paar Monate Zeit, einige Zehntausend Euro und alle paar Jahre noch mal dasselbe, wenn die Rezertifizierung ansteht.

Aber darum käme man als Getriebe- oder auch nur Schonbezügehersteller nicht herum. "Die Autobauer verlangen das", sagt Thode, der die Prüfungen durchführt und das begehrte Zeugnis ausstellt. "Und die Zulieferer verlangen das wiederum von ihren Unterlieferanten." Kürzlich hat Thode dem Motorenanbauteilhersteller Alanko das Testat überreicht. Ghalib Alahrachi, Juniorchef des Betriebs mit 50 Mitarbeitern sagt, er habe das tun müssen, um seine Exportquote halten zu können. "Absatzmärkte wie Saudi-Arabien oder Kenia fordern das", begründet der Betriebswirt. Darüber hinaus habe er aber auch sehen wollen, welches Verbesserungspotenzial in seinem Betrieb stecke. Viel habe man nicht ändern müssen, sagt Alahrachi, und die Kosten bekäme man über Exporte und interne Verbesserungen wieder herein. Er ist der Qualitätsbeauftragte im Familienbetrieb. Einen Qualitätsingenieur braucht er nicht. "Aber ich habe immer Bedarf an Leuten, die sich mit dem Thema auskennen", sagt der Unternehmer. "Weil viele Länder das weiter forcieren werden."

Ralf Woll, Professor an der Technischen Universität in Cottbus, hört die Gleichsetzung von ISO mit Qualitätsmanagement oft, aber nicht gern. "Wer sein Auto beim TÜV vorstellt, hört im guten Fall, dass es verkehrsbereit ist." Nicht mehr bezeuge das ISO-Zertifikat. "Das bedeutet aber nicht", weitet Woll den Blick, "dass man mit dem Auto Rennen gewinnen kann. Das aber müssen Unternehmen heute und zwar jeden Tag."

Der Hochschullehrer will angehende Ingenieure und Kaufleute für das Wahlfach Qualitätsmanagement begeistern. Seine Argumente: "Das Berufsfeld ist vielfältig und hat nicht nur in der Autobranche Zukunft." Viele seiner Absolventen beginnen in der Zulieferbetreuung - entweder bei einem Autobauer oder bei einem großen Teilehersteller, der selbst Erzeugnisse anderer Produzenten verwendet. Der Qualitätsgedanke durchdringe die gesamte Wertschöpfungskette im Automobilbau, versichert Woll. Und verspricht, dass auf seine Absolventen gehört werde.

© SZ vom 17.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: