Pflichtbeimischung von Biosprit:Pleiten und Pannen

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Nach der Blamage mit fehlerhaften Rußfiltern kann offenbar auch die von Gabriel geplante Beimischung von Biosprit im Benzin nicht umgesetzt werden. Jetzt drohen neue Verhandlungen mit der EU-Kommission - die CO2-Grenzwerte deutscher Autos betreffend.

Roland Preuß, Marc Widmann und Claus Hulverscheidt

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) droht nach Pannen bei der Einführung von Rußfiltern eine neue Blamage. Die von Gabriel geplante zehnprozentige Beimischung von Biosprit im Benzin vom kommenden Jahr an kann offenbar nicht umgesetzt werden, weil deutlich mehr Autos als erwartet nicht für den Kraftstoffmix ausgelegt sind.

Biosprit-Blamage droht: Umweltminister Gabriel (Foto: Foto: AP)

Wie die Süddeutsche Zeitung aus Regierungskreisen erfuhr, dürften mehr als zweieinhalb Millionen ältere Modelle nicht für die Biosprit-Benzin-Mischung ausgelegt sein. Gabriel war ursprünglich nur von etwa 375.000 Fahrzeugen ausgegangen und hatte am Mittwoch gesagt, er werde die entsprechende Verordnung nicht in Kraft setzen, wenn mehr als eine Million Fahrzeuge betroffen seien. Im vergangenen Herbst war Gabriel bereits in die Kritik geraten, weil sein Ministerium zu spät auf Hinweise reagierte, dass zehntausende Autofahrer fehlerhafte Rußfilter in ihre Wagen eingebaut hatten.

Die Bundesregierung erklärte, sie halte an ihrer Strategie fest, dem herkömmlichen Kraftstoff einen immer größeren Teil an Biosprit beizumischen. Es sei allerdings denkbar, dass die Quote etwas langsamer steigen müsse als bisher geplant, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums. Er machte zudem die Autohersteller und den ADAC mitverantwortlich für das gegenwärtige Wirrwarr um die Biosprit-Verordnung. "Viele derer, die jetzt aufschreien, haben sich seinerzeit bei der entsprechenden Expertenanhörung nicht geäußert, auch der Verband der Autoimporteure und der ADAC nicht", sagte der Sprecher.

Die Beimischung von Biosprit gilt als wichtiger Bestandteil der Klimapolitik der Bundesregierung. Gabriel hatte bei der EU-Kommission mit Verweis auf die geplante Biosprit-Quote höhere CO2-Grenzwerte für deutsche Autos erreicht als von Brüssel geplant. Das Mitglied im Sachverständigenrat des Umweltministeriums, Martin Faulstich, sagte der SZ, er rechne nun mit neuen Verhandlungen mit Brüssel.

Die Staatssekretärin im Bundesentwicklungsministerium, Karin Kortmann (SPD), sagte, nun müssten die Beimischungsquoten und auch die ökologischen und sozialen Folgen des Anbaus von Biosprit-Pflanzen neu geprüft werden. Sie plädierte für eine langsamere Steigerung des Biosprit-Anteils im Kraftstoff.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace forderte Gabriel auf, sämtliche Biosprit-Quoten für Benzin und Diesel zu stoppen. Sie seien "lediglich eine Beruhigung für unser grünes Gewissen zu Lasten der letzten Urwälder in Südamerika", sagte Agrarexperte Alexander Hissting. Nach einer Greenpeace-Untersuchung sorgt die vorgeschriebene Beimischung von Biodiesel zum deutschen Kraftstoff bereits heute für die Zerstörung von Urwäldern in Südamerika. Im Schnitt stammten knapp 20 Prozent der Beimischungen aus Sojaöl. Für dessen Gewinnung würden etwa in Argentinien "riesige Urwaldgebiete" gerohdet, sagte Hissting.

Bis 2020 will die Bundesregierung den Anteil des Biosprits im Diesel von derzeit 4,4 auf 17 Prozent steigern. Um diese Quote zu erfüllen, seien Sojaplantagen in der Größe von Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen nötig. "Mit dieser Quote wird kein Umweltschutz betrieben, sondern das Gegenteil", sagte Hissting.

© SZ vom 03.04.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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