Oldtimer unterwegs:Versuch's mal mit Gemütlichkeit

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Oldtimer-Rallyes werden in Deutschland immer beliebter - warum das so ist, kann man bei der Boxberg-Klassik quer durch Baden-Württemberg erfahren.

Jochen Arntz

Da rollt ein Trend. Knapp zweihundert alte Autos schlängeln sich durch die Gassen von Rothenburg ob der Tauber. Sie haben Startnummern auf den Hauben und Türen, sie glänzen ein wenig und fahren langsam auf den Marktplatz der Stadt zu. Dort hält jeder Wagen kurz an, ein Moderator stellt den Zuschauern die Autos vor: die cremefarbene Mercedes-Limousine aus den Sechzigern, in der eine Familie aus der Pfalz unterwegs ist. Den alten roten VW-Bus, den schnellen Maserati und den blauen Bugatti, den zwei Frauen fahren.

Der älteste Wagen des Starterfeldes: ein Bugatti Typ 37 aus dem Jahr 1928. (Foto: N/A)

Die Leute auf dem Marktplatz, einige Rothenburger und noch mehr amerikanische und japanische Touristen, blicken den Wagen lange nach - den teuren und den billigeren, den polierten und den lässigen Autos. Und es könnten noch weit mehr Oldtimer bei dieser Rallye dabei sein, bei der "Boxberg Klassik", denn schon seit Jahren gibt es mehr Bewerber als Startplätze.

Das ist nicht nur bei dieser Veranstaltung so. Am gleichen Wochenende gibt es noch einige andere Rallyes in Deutschland - wobei das Wort Rallye leicht missverstanden werden kann, denn hier geht es nicht um schnelles und abenteuerliches Fahren. Es ist eher ein Ausflug mit alten Autos auf kleinen Straßen; und es ist ganz sicher auch der Versuch, sich in eine Zeit vor den Plastiklenkrädern, den piepsenden Gurtwarnern und Navigationssystemen zurückzuversetzen. Mittlerweile ist das eine weit verbreitete Sehnsucht, selbst der Grüne Joschka Fischer lässt sich bei Gelegenheit im Oldtimer durch die Gegend fahren. Mit Helm und Lederbrille.

An der Boxberg-Rallye kann man die Entwicklung der Oldtimer-Szene gut ablesen. Vor wenigen Jahren waren es ein paar Liebhaber alter Autos, die bei der Firma Bosch arbeiteten, sich "Oldtimer-Schrauber" nannten und eine kleine Rallye organisierten. Eine Art Betriebsfest auf Rädern.

Aber bald wollten immer mehr Leute mitfahren, und so wurde die Veranstaltung Jahr für Jahr größer. Doch die Boxberg-Klassik hat ihren entspannten Charakter behalten, das Nenngeld von 250 Euro pro Team ist vergleichsweise moderat. Und wer noch nie eine Rallye gefahren hat, kann es hier lernen. Ein Angebot auch für Einsteiger, und von denen gibt es immer mehr.

Denn die Altauto-Szene in Deutschland wächst beständig; die Zahl der mit dem H-Kennzeichen für Oldtimer zugelassenen Wagen steigt jährlich um zehn Prozent, längst ist die Branche zum Wirtschaftsfaktor geworden. Die ADAC-Motorwelt widmete dem Thema kürzlich die Titelgeschichte "Die neue Lust auf alte Autos". Und Spezialtitel machen hohe Auflagen - auch deshalb, weil es immer noch weit mehr Leute gibt, die ein altes Auto haben wollen, als solche, die schon eins besitzen.

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Nun gibt es auch den DOX, den "Deutschen Oldtimer Index", der angelehnt ist an das Prinzip des DAX und die Preisentwicklung alter Wagen nachvollzieht. Bei etwa sechs Prozent Wertzuwachs im Jahr sind deren Perspektiven oft interessanter als die mancher Aktie.

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Das Schönste aber ist: Man kann sie auch noch fahren. Und zwar am besten auf Landstraßen in Süddeutschland. Das ist der Reiz der Boxberg-Klassik, die auch in diesem Jahr wieder vor der Residenz in Würzburg gestartet wurde. Dort bekommen Beifahrer oder Beifahrerin ein Roadbook in die Hand gedrückt, in dem der Weg von Würzburg über Rothenburg nach Abstatt bei Heilbronn, und am nächsten Tag zu einem Testareal bei Boxberg verzeichnet ist.

330 Kilometer durch Bayern und Baden-Württemberg, ein paar Sonderprüfungen auf abgesperrten Strecken. Wer es zum Beispiel nicht schafft, auf eine Länge von anderthalb Kilometern eine konstante Geschwindigkeit zu fahren, bekommt Strafpunkte. Wer sich bei einer der Bremsprüfungen verschätzt ebenfalls.

Doch wichtiger als die Punktezählerei ist der Weg, und der führt durch Weinberge und hinein in kleine Täler, wo die Straße hinter jeder Kurve immer noch ein wenig schöner wird. Und man eigentlich gleich anhalten möchte, um diese Blicke nicht aufgeben zu müssen.

Es ist erstaunlich, wie die Leute in den kleinen Dörfern auf den Strom der Autos reagieren, die durch ihre Straßen fahren. Sie sitzen in Klappstühlen am Wegesrand, winken und fotografieren. In dieser Form, alt und schön, werden Autos auch dann akzeptiert, wenn sie stinken. Nur manchmal meckern ein paar Mountainbiker, über die aber wiederum die Fußgänger meckern.

Am Ende sind die Rallye-Fahrer ohnehin nicht mehr im öffentlichen Verkehr unterwegs, das Ziel ist das Testgelände. Man könnte auch sagen: Das Ziel ist die Steilkurve. Denn die gibt es hier; und wer sich traut, kann seinen Oldtimer im sogenannten Highspeed-Oval in die schnelle Schräglage bringen. Und sicher fahren einige bei der Rallye nur für diesen Moment mit, für die Runden im Oval. So wie andere lieber Rast am Wegesrand machen, im Hof eines Klosters oder am Fuß der Weinberge. Ganz stilecht mit einem Picknickkorb. Fast alle sind übrigens am Ziel angekommen. Und wer hat gewonnen? Wer hat die wenigsten Strafpunkte gesammelt, weit vor den Maserati, Porsche und Ferrari? Der rote VW-Bus.

© SZ vom 12.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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