Neues Museum in Augsburg:Platz da für Mazda

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Familie Frey sammelt Oldtimer. Mittlerweile haben die Augsburger mehr historische Mazdas als der japanische Konzern selbst. Und die Sammelleidenschaft ist noch nicht zu Ende.

Von Felix Reek

Für Walter Frey sind seine Autos vor allem eine Sammlung von Anekdoten. Sehr vielen Anekdoten. Bei einem Auto entging er nur knapp einer Strafe von mehreren Tausend Euro. Ein anderes musste er in Einzelteilen über die Grenze schaffen, weil er keine Papiere dafür hatte. Und ein drittes kam als Schrotthaufen aus Australien.

Abgekühlt ist die Leidenschaft des 73-Jährigen dadurch nicht. Walter Frey hat mehrere Autohäuser rund um Augsburg aufgebaut. Und nebenbei Autos gesammelt. 200 Stück füllen mehrere Hallen. 45 davon sind seit einigen Monaten in Freys Museum zu sehen. Sündhaft teure Oldtimer stehen eher nicht in dem ehemaligen Straßenbahndepot. Freys Herz schlägt für eine Marke, die in Deutschland ein Nischendasein fristet: Mazda. 120 von ihnen erwarb er in den letzten 30 Jahren, mehr als irgendjemand sonst auf der Welt. Der erste ist heute einer der wertvollsten: ein Mazda Cosmo, gebaut zwischen 1967 und 1972. Ein zeitlos schönes japanisches Sportcoupé. 120 000 Euro ist es mittlerweile wert. Zusammen mit einer Auswahl von 44 weiteren Autos stellt Frey es in seinem Museum in Augsburg aus. Selbst in Japan gibt es nichts Vergleichbares. Als er vor einigen Jahren den Mazda-Chef traf, präsentierte der ihm voller Begeisterung die offizielle Sammlung des Konzerns. Frey entgegnete trocken: "Die paar Autos sollen ein Museum sein? Wir haben viermal so viele!"

"Guter Zustand" ist bei einem Oldtimer relativ. Diese Lektion mussten auch die Freys lernen

Bis dahin war es ein langer Weg. Wer das Gelände heute betritt, findet einen gepflegten Komplex auf 1500 Quadratmetern vor. Hier ein Studio für Tanz und Meditation, dort ein Geigenbauatelier und eine Kunstwerkstatt. In der Mitte: das alte Straßenbahndepot, in dem Walter Freys Mazdas ein neues Zuhause gefunden haben. Vor einigen Jahren sah die Halle noch so aus, als warte sie auf die Abrissbirne. Fünf Jahre verhandelte er, bis er alle Genehmigungen hatte, zweieinhalb Jahre dauerte die Restauration. Unterstützung fand er zunächst wenig. Der Hersteller selbst klinkte sich erst ein, als sie schon mitten in der Planung waren. Frey sagt dazu: "Wir hätten es sowieso gemacht."

Mit 17 kaufte er sein erstes Auto, einen britischen Singer. Viele weitere folgten. Auf Mazda kam er erst, nachdem er ein Autohaus für die Marke eröffnet hatte. Er merkte: "Die sind ja gut. Und die alten auch!" Bei den meisten hätte diese Erkenntnis dazu geführt, sich einen Mazda zu kaufen. Frey schlussfolgerte: "Dann sammeln wir die doch einfach!"

Wir, das sind Walter Frey und seine beiden Söhne Joachim und Markus. Ihnen blieb wohl nichts anderes übrig, als die Obsession des Vaters zu teilen. "Dass wir ein bisschen verrückt sind, wissen wir", gesteht Joachim Frey. Das Trio durchforstet seit Jahrzehnten den Automarkt nach seltenen Mazdas. "Mein Bruder Markus ist der ,Aufreißer'", erklärt der ältere der beiden Söhne. Das heißt, er findet interessante Angebote. Joachim Frey sorgt dafür, dass die Wagen nach Deutschland kommen. Ein heikles Unterfangen. Denn Autosammeln ist Vertrauenssache. In natura sehen sie das vermeintliche Schnäppchen erst, wenn es aus dem Schiffscontainer fährt. Wenn es das noch kann.

Immer wieder gern erzählen die Freys die Geschichte, wie sie ein seltenes R360 Coupé, das erste Serienmodell von Mazda, in Australien in einem mehrere Jahre alten Automagazin entdeckten. Aus Spaß riefen sie beim Verkäufer an. Der R360 stand immer noch zum Verkauf. Die Frage nach dem Zustand des Autos beantwortete der Australier mit: "im weltbesten Zustand". Das Problem ist nur: "Jeder hat eine andere Vorstellung, was ein guter Zustand ist", so Joachim Frey.

Sie überwiesen trotzdem das Geld, 5500 australische Pfund, heute wären das 2500 Euro. Was einige Zeit später aus dem Container rollte, unterbot ihre schlimmsten Befürchtungen. Der kaputte Motor lag in Einzelteilen auf der Rückbank - die nicht einmal Sitzbezüge hatte. Auf das nachfolgende Telefonat, wie das denn der "weltbeste Zustand" sein könne, antwortete der Australier t: "Schon mal einen besseren gesehen?" Die Freys gaben sich geschlagen und restaurierten den R360. Es ist heute eines der wenigen bekannten Exemplare in Europa.

Sehr mitgenommen hat sie die Episode offenbar nicht. "Der war ja nicht so teuer", kommentiert Walter Frey trocken. "Das ist Teil des Hobbys, die Spannung", ergänzt Sohn Joachim. So viel Zeit investieren sie mittlerweile aber nicht mehr in die Suche nach Autos. "Was in Europa bekannt ist, das haben wir", so Joachim Frey. "Mein Anspruch ist nicht, alle zu haben", sagt er. "Doch schon", grätscht sein Vater Walter dazwischen. Dieser Anspruch hat dazu geführt, dass sich in der Sammlung der Freys selbst Modelle finden, an die sich nicht einmal Mazda erinnern kann. Wie etwa der giftgrüne Geländewagen Pathfinder, den die Japaner in den Siebzigern in Burma, dem heutigen Myanmar, produzierten.

Entkommen können sie ihrer Sammelwut sowieso nicht. Die Freys sind so sehr mit der Marke verbunden, dass die Autos den Weg ganz von alleine zu ihnen finden. Wer einen alten Mazda loswerden will, meldet sich bei ihnen. Im besten Fall ruft ein Freund aus Neuseeland an und sagt: "Da gibt es ein Auto, das passt genau in eure Sammlung. Den müsst ihr haben!" Die Freys werfen einen Blick darauf und müssen zugeben: "Er hat recht!" Es wird klar: Sonderlich schwer zu überzeugen ist die Familie nicht.

Um Geld geht es ihnen dabei nicht. Allein die Zeit, die sie mit dem Suchen und Restaurieren der Autos verbracht haben, ließe sich kaum bezahlen. "Wir haben das noch nie gemessen. Wir wollen das gar nicht wissen", wiegelt Walter Frey ab. Und überschlägt dann doch: "8,50 Euro Mindestlohn mal, wie viel Stunden? Hunderte? Tausende? Das rechnet sich ja niemals!" Für die Freys ist das Autosammeln eine Herzensangelegenheit. Die Mazdas sind fast wie ihre Kinder. Auf die Frage, von welchem Auto sie sich denn trennen könnten, gehen sie die Modelle einzeln durch. "Nein, den nicht. Nein, den auch nicht. Und den da? Auf keinen Fall! Selbst wenn sie mir eine Million geben", seufzt Walter Frey. "Wir haben aber schon mal einen verkauft", versucht sein Sohn zu schlichten. "Der war aber doppelt."

Und so bleibt den Freys wohl nichts weiter übrig, als immer weiter zu sammeln. Bis ihre Lagerhallen aus allen Nähten platzen. Und sie noch mehr Anekdoten erzählen können.

© SZ vom 25.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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