Wenn der Kapitalismus nicht nur ein halbwegs effizientes Wirtschaftssystem, sondern mit einer Formulierung Walter Benjamins eine "Religion" ist, konnte man am vergangenen Mittwoch in Berlin einen besonders schönen Gottesdienst zur Feier der Ware erleben. Der Volkswagenkonzern hatte die Neue Nationalgalerie gemietet, um vor 700 auf Unternehmenskosten eingeflogenen Journalisten die Markteinführung des neuen Golf-Modells zu begehen.
Geradezu anrührend waren die Reden, mit denen die Konzernverantwortlichen ihr neues Produkt anthropomorphisierten. Nicht weniger als einen "Geburtstag" gelte es zu feiern. Der Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn bekannte, sich "ganz persönlich" zu freuen. "Der Golf ist er selbst", so Walter de Silva, der VW-Designchef. Das Auto ist mit sich selbst identisch und hat damit ein Problem gelöst, an dem sich viele Menschen noch mühsam abarbeiten.
Am Ende des Abends rollte der Golf VII ein und wurde wie ein Pop-Star fotografiert. Zuvor schuf ein Defilee der Vorgängermodelle den historischen Resonanzboden. Dass in den begleitenden Filmen die historischen Ereignisse parallel zur jeweiligen Golf-Generation aufblitzten, war mehr als eine kleine Zeitreise. Das Fahrzeug sollte Michael Jackson und Barack Obama, Nelson Mandela und Angela Merkel als mindestens ebenbürtig erscheinen, als Star unter Stars und vertrauter Bekannter des bundesrepublikanischen Endverbraucher-Bewusstseins.
Nur folgerichtig, dass das Show-Personal von Ralf Möller bis zur B-Prominenz der Vorabendserien dabei war. Die geschmacksichere musikalische und visuelle Rahmung besorgten Boris Blank und Dieter Meier, die lässigen Schweizer Dandys des Elektropop-Duos Yello. Zur unvermeidlichen Folklore solcher Festakte zählt die Schar von Greenpeace-Aktivisten, die vor dem Gebäude demonstrierten. Um ihre Wirkung zu neutralisieren, hatte der Konzern einige Dutzend Statisten engagiert, die in einer Menschenkette mit "Think Blue"-T-Shirts vor der Neuen Nationalgalerie ökologisches Bewusstsein des Unternehmens signalisieren sollten.
Die konzerninterne Event-Abteilung meisterte sehr professionell den Balanceakt, einem so zuverlässigen, vernünftigen, in jeder Hinsicht deutschen und glamourfreien Produkt wie dem Golf etwas Glamour zu schenken. Die Präsentation in einem der schönsten Museumsgebäude des Landes war auch insofern konsequent, als die Kunst ihrerseits auch an der Konvergenz zur Produktpräsentation arbeitet. Wenn VW den 1,4 Liter-Motor des Golf VII wie ein Kunst-Exponat präsentiert oder Thomas Bayrle bei der Documenta Scheibenwischer und Flugzeugturbinen ausstellt, macht nur der jeweilige Rahmen den Unterschied.