Nahverkehr:Ein Mythos steht still

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Seit im November eine Stromschiene in die Tiefe stürzte, rücken die Waggons nicht mehr aus. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Bis weit ins nächste Jahr hinein ist die Wuppertaler Schwebebahn außer Betrieb. Enttäuscht darüber sind nicht nur viele Einwohner der Stadt.

Es heißt: Wer ihren Fußballverein, den Wuppertaler SV, nicht kennt, dem verzeihen die Wuppertaler. Wer aber noch nie etwas von der Schwebebahn gehört hat, der erntet böse Blicke. Die Wuppertaler Schwebebahn ist älter als die Stadt selbst, sie ist ein Wahrzeichen im Bergischen Land, sie ist kurzgesagt: deutlich mehr als ein Verkehrsmittel. Und steht voraussichtlich noch bis zur Jahresmitte 2019 still.

Grund dafür ist ein Zwischenfall Ende November, bei dem eine 350 Meter lange Stromschiene in die Tiefe stürzte und einen Cabrio-Fahrer nur knapp verfehlte. Zwei Züge wurden dabei beschädigt. Seitdem dauert die Ursachensuche durch Sachverständige an, weiterhin wird durch die Staatsanwaltschaft nur vermeldet: Der Zwischenbericht des Gutachters habe keine erkennbare Unfallursache ergeben, es gehe nun an die Feinuntersuchungen.

In den vergangenen fünf Jahren handelt es sich bereits um den zweiten größeren Zwischenfall: Im Oktober 2013 war ebenfalls eine Stromschiene abgefallen und auf die Fahrbahn, auf Autos und in die Wupper gestürzt. Damals ruhte der Betrieb bis Ende November. Und auch mit Blick auf die gesamte Betriebszeit der Schwebebahn häufen sich die größeren Unfälle in der bislang zweiten Lebenshälfte der Schwebebahn: Im April 1999 ereignete sich bei dem Absturz eines Triebwagens der einzige Unfall mit Todesopfern, im Juni fuhr die Schwebebahn wieder.

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Und nun muss Stadtwerke-Sprecher Holger Stephan vermelden: "Die Arbeiten des Gutachters dauern an. Weil wir im Anschluss umfangreiche Sicherungsmaßnahmen wie etwa eine erneuerte Aufhängung planen, werden sich die Bauarbeiten bis in die Jahresmitte 2019 ziehen." Damit sei die Schwebebahn in ihrer mehr als 100-jährigen Geschichte noch nie so lange ausgefallen, selbst geplante Maßnahmen zur Erneuerung der Gerüste legten den Betrieb höchstens sechs Wochen lang lahm. "Zum dritten Mal in ihrer Geschichte ist für mehrere Monate Stillstand", sagt Stephan.

Normalerweise sind es bis zu 80 000 Fahrgäste pro Tag

Dabei wurden über die vergangenen 20 Jahre hinweg bereits 500 Millionen Euro in die Erneuerung gesteckt. "Die ersten Bauteile sind mittlerweile auch eben 20 Jahre alt und damit nicht mehr neu", erklärt Stephan. In den Köpfen der Wuppertaler "fährt die Schwebebahn immer", sie interessieren sich wenig für die genauen Daten der bisherigen Stillstände. Der Faszination Schwebebahn kommt man nämlich ebenso mit schieren Zahlen nur ein stückweit näher: im Jahr 1901 eröffnet, 13,3 Kilometer lang, insgesamt 20 Stationen, täglich etwa 80 000 Passagiere.

Vielmehr sind es die nostalgischen Erinnerungen, die den Mythos erhalten. Der Grundschulausflug vor 25 Jahren, die Fahrt zum Zoo oder Fußballspiel und natürlich Elefant Tuffi, der 1950 bei einer Werbe-Aktion aus der Schwebebahn in die Wupper stürzte. Martin Bang, Geschäftsführer der Wuppertal Marketing GmbH, spricht vom "Rückgrat der 350 000-Einwohner-Stadt", nicht nur im Nahverkehr, sondern auch im Tourismus. Der Stillstand treffe die Reisebranche in Wuppertal schwer, seit dem Zwischenfall in November bis Ende des Jahres habe man etwa 2000 Touristen für die Fahrt im historischen Kaiserwagen absagen müssen. Allein damit absolvieren jährlich 15 000 Gäste eine Tour, die Gesamtzahl der Schwebebahn-Touristen ist zwischen normalen Nahverkehrsnutzern schwer zu ermitteln.

Enttäuschte Touristen trotz Ersatzverkehr

"Die Gäste kommen aus ganz Deutschland und Holland", sagt Tourismus-Werber Bang. Er hat nun mit enttäuschten Gesichtern zu tun, wenn den Touristen im Info-Shop beigebracht werden muss, dass ihr Stadtbesuch ohne die eigentlich obligatorische Schwebebahnfahrt auskommen muss. Dass der Ersatzverkehr mit Bussen einigermaßen funktioniert, interessiert die Besucher ebenfalls weniger. Insgesamt sei die Kommunikation des Stillstandes schwierig: "Wenn ich nach Berlin fahre, erkundige ich mich vorher auch nicht, ob die Doppeldecker fahren", sagt Bang.

Trotz abgefallener Stromschiene muss der Wuppertal-Besuch mit Schwebebahn nicht gänzlich ins Wasser fallen: Wer will, kann sich im Touristenshop eindecken und sich seinen eigenen Schwebebahn-Kosmos bauen. Dort gibt es im Schwebebahn-Design Frühstücksbrettchen, Autoaufkleber, Stifte und Magneten. Schwebebahn-Weihnachtsservietten und ein Holzbausatz sind ebenfalls zu haben. Nur eben die Fahrt mit der Bahn - die muss bis auf Weiteres ausfallen.

© SZ vom 29.12.2018/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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