Mercedes ML 350 Bluetec 4Matic:Ein Elefant, der Ballett kann

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Vielleicht braucht man doch für jede Straßen-, Transport- und Gemütslage ein anderes Auto. An einem Wintertag wäre dann die dritte Generation eines Geländewagens zu empfehlen, der einst wie ein Sofa auf einem Traktor-Fahrgestell wirkte. Über eine Ausfahrt mit dem Mercedes ML 350 Bluetec 4Matic auf den verschneiten Straßen des Apennin.

Thomas Steinfeld

Es mag ja sein, dass die Vorstellung, man habe ein Auto, das zu einem gehöre in allen Lagen, eine den tatsächlichen Bedürfnissen kaum angemessene Idee ist. Schon weil sie zur Folge hat, dass man sich häufiger nach seinem Auto richten muss, als dieses sich auf seinen Besitzer einstellt.

Kübelform, modernisiert: Die M-Klasse von Mercedes ist ein Elefant, mit der man zur Not als Nussknacker im Ballett auftreten könnte. (Foto: Daimler AG)

Vielleicht wäre es sinnvoller, je nach Straßen-, Transport- und Gemütslage ein anderes Auto zu fahren. Wäre es so weit, wäre für einen Wintertag im Apennin sowie für ähnliche Gelegenheiten dringend zu empfehlen: ein Mercedes ML. Auf dem Markt ist jetzt die dritte Generation dieses Fahrzeugs, das zum ersten Mal vor fünfzehn Jahren vorgestellt wurde, als zwar großer, aber seltsam amerikanischer SUV, der wirkte, als habe man ein nicht ganz sauber verarbeitetes Sofa auf das Fahrgestell eines Traktors gesetzt.

Stark, ohne je roh zu wirken

Groß ist dieses Auto geblieben. Auch die Kübelform hat es, in modernisierter Fassung, behalten. Und immer noch ist da die Anmutung eines - längst sehr viel anspruchsvoller gestalteten - Wohnraums mit schweren Sesseln, polierten Oberflächen, breiter Mittelkonsole und einem Fahrgefühl, das seltsam getrennt zu sein scheint vom Untergrund, über den sich der Wagen bewegt. Letzteres kann noch immer irritieren, vor allem, weil man in gewöhnlichen und vermutlich auch in vielen ungewöhnlichen Situationen keine Sekunde lang die Kontrolle über das Fahrzeug verliert.

Der Mercedes ML ist ein Elefant, mit dem man zur Not als Nussknacker im Ballett auftreten könnte: erstaunlich wendig und mit relativ kleinem Wendekreis. Er reagiert mit großer Präzision, er ist stark, ohne je roh zu wirken, und er kommt auch dann noch voran, wenn der Verkehr anderswo längst zum Erliegen gekommen ist.

Schon im Arnotal lag Schnee, und dass ein heftiger Wind wehte, war selbst in diesem Koloss zu bemerken. Die Autobahn von Florenz und Bologna gehört, jedenfalls in den noch nicht ausgebauten Teilen, zu den eher mühsam zu fahrenden Fernstraßen in den zivilisierten Teilen Europas. Je weiter hinauf es dann ging, desto heftiger schneite es, bis der Schnee, ausgenommen einer schmalen Spur in der Mitte der Fahrbahn, auch auf der Straße liegen blieb.

Eine lange Schlange von Fahrzeugen schob sich auf der schmalen Fahrspur voran, langsam und immer langsamer werdend. Und in dieser Lage ausweichen zu können, auf den noch nicht geräumten Teil der Straße, ohne jemanden zu behindern oder zu übervorteilen, einfach so davonzufahren, in einem offenbar eigens zu diesem Zweck eingerichteten Schneegang - das hatte etwas von Befreiung. Dieses Gefühl hielt an, als sich die Dämmerung eines Wintertages über die Po-Ebene senkte: Da rauschte man durch die Nacht, über den gewöhnlichen Verkehr erhoben, abgeschirmt von den Belästigungen des Alltags.

Das Auto kann noch mehr. Es kommt, am besten bei ganz nach oben gesetzter Luftfederung und entsprechender Bodenfreiheit, steile, ausgewaschene Feldwege in italienischen Weinbergen hinauf. Wenn es dann sehr uneben wird, hilft eine Elektronik, die das Durchdrehen der Räder verhindert - sie ersetzt, für die meisten Zwecke mehr als ausreichend, die mechanische Differentialsperre. Es hat, für den Alltag wichtiger, eine leicht zu erreichende und ebene Ladefläche, auf der sich zum Beispiel größere Architekturmodelle wunderbar transportieren lassen. Oder Koffer. Oder Weinkisten und Rasenmäher. Auch auf der Rückbank ist der Wagen groß, in alle Richtungen.

Der Koloss hat einen angemessenen Kraftstoffverbrauch

Schnell ist der Mercedes ML auch, der Motor - es war ein dreieinhalb Liter Diesel - zieht aus den unteren Drehzahlen kraftvoll und geschmeidig an, und jenseits der hundertdreißig, hundertvierzig Kilometer in der Stunde hat man in diesem Auto, seiner Größe wegen, ohnehin das Gefühl, man sei zu schnell unterwegs. Am Ende kommt dann, trotz Harnstoffsäure, ein Verbrauch von neun bis zehn Litern auf hundert Kilometer heraus. Das ist weit mehr als die 6,8 Liter, von denen der Hersteller redet, aber wohl durchaus noch angemessen für einen solchen Koloss. Ohnehin dürfte sich wohl keiner ein solches Auto kaufen, allein um Kraftstoff zu sparen.

Wer braucht einen Mercedes ML? Gentlemanfahrer und wohlhabende Menschen, die auf Großbaustellen zu tun haben, womöglich, Besitzer von Pferden, eigenen Wäldern oder beeindruckenden Booten. Vielleicht auch noch ganz andere Leute, man will ja nicht über Bedürfnisse richten. Sagen wir es so: Wenn es im Apennin heftig schneit und bläst, kommt dieses Auto gerade recht.

© SZ vom 20.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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