Lärm-Forscher:Wer mehr zahlt, fliegt ruhiger

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Dr. Kay Kochan vom Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung in Hamburg versucht mit vielerlei Tricks, die Kabinen in Flugzeugen leiser und somit auch komfortabler zu machen.

Interview Von Steve Przybilla

Die Innenräume von Flugzeugen sind so laut wie eine stark befahrene Straße. An diesem Zustand möchte Kay Kochan etwas ändern. Der Akustik-Experte forscht am Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) an Methoden, wie sich die Kabinen von Flugzeugen besser dämmen lassen. Für die Zukunft prognostiziert er eine stärkere Differenzierung: Leise fliegt, wer es sich leisten kann.

SZ: Herr Dr. Kochan, wo sitzen Sie im Flugzeug am liebsten?

Kay Kochan: Da, wo das Entertainment-System am besten ist. Wenn ich privat fliege, bin ich in der Economy-Klasse unterwegs. Mit einem geschulten Blick auf das Kabinenlayout versucht man sich natürlich die besseren Plätze auszusuchen, zum Beispiel möglichst weit weg von Bordküchen und Bordtoiletten. Dort entsteht immer sehr viel Lärm durch Passagiere und Flugbegleiter.

Sie forschen an der Akustik von Flugzeug-Innenräumen. Welcher Platz wäre denn vom Geräuschpegel her besser?

Das kommt auf den Flugzeug-Typ an. Nehmen wir eine gängige A320 -Bauart. Dort ist es interessanterweise im Bereich des Flügels am leisesten. Außerdem sind die Gang-Plätze leiser als die Fensterplätze, weil Sie dann weiter von der Lärmquelle entfernt sitzen. Bei Propellermaschinen ist es eher im Bereich der Flügel am lautesten, da die Propeller nicht durch die Flügel abgeschirmt werden.

Wie laut ist es in einem Flugzeug?

Der Airbus A380 ist zurzeit das leiseste Passagierflugzeug der Welt. Dort kommt man auf etwa 75 bis 80 Dezibel - das ist so laut wie eine stark befahrene Straße. Die anderen Typen sind etwas lauter. Gesundheitsschädlich ist das nicht, aber ab 60 Dezibel kann man nicht mehr richtig schlafen. Dann wird das Reisen unangenehm.

War es früher nicht noch unangenehmer?

Mit Sicherheit. Fliegen ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich leiser geworden. Die großen Flugzeughersteller haben viel Geld in eine bessere Kabinenakustik investiert. Ältere Triebwerke haben deutlich mehr Lärm verursacht als moderne Modelle. Zum anderen sind die Kabinen viel besser isoliert als früher. Was den Außenlärm angeht, haben die Airlines heute sogar einen großen Anreiz, leiser zu werden, denn je lauter das Flugzeug, desto höher sind die Start- und Landegebühren.

Womit genau befasst sich Ihre Forschung?

Wir versuchen, eine möglichst gute Innenraum-Akustik zu realisieren: nicht zu laut, aber auch nicht zu leise. Wenn sich Passagiere unterhalten, sollen die Leute in den anderen Reihen schließlich nicht jedes Wort verstehen. Deshalb ist ein gewisser Hintergrund-Lärmpegel durchaus gewollt. Aktuell stellt sich zudem die Frage, wie man Akustikmaßnahmen mit einer hochautomatisierten Fertigung umsetzen kann - also technische Lösungen, die auch von Robotern installiert werden können.

Solche Wundermittel finden Sie sicher nicht von heute auf morgen.

Man kann aber die Forschung beschleunigen. Früher haben die Hersteller aufwendige Testflüge gemacht. Beim A380 hat es allein drei Tage gedauert, die Mikrofone einzubauen, zu verwenden und hinterher wieder auszubauen. Inzwischen ist das nicht mehr nötig. Im ZAL TechCenter verfügen wir über Europas größtes Akustiklabor im Bereich Luftfahrt. An unserem Standort in Hamburg steht der Rumpf eines Airbus A320 - ein Gemeinschaftsprojekt von ZAL, Airbus und der Hochschule für Angewandte Wissenschaft, gefördert mit Bundesmitteln.

Welche Lösungen können Sie den Herstellern anbieten?

Akustische Meta-Materialien sind derzeit eine vielversprechende Technologie. Diese neuartigen Materialien reduzieren den Schallpegel deutlich besser im Vergleich zu konventionellen Lösungen. Im Grunde verhindern sie, dass sich bei bestimmten Frequenzen Körperschallwellen ausbilden können. Sie schaffen also eine Art schwarzes Loch, nur im akustischen Bereich. In einem anderen Projekt beschäftigen wir uns mit neuartigen Lautsprechern, die den Schall während der Durchsagen besser verteilen.

Das klingt kompliziert und damit auch teuer. Haben die Airlines an solcher Technik Interesse?

Die Fluggesellschaften interessieren sich vor allem für einen effizienten Flugbetrieb. Neue leichte Materialien können dazu einen Beitrag leisten. Aber natürlich erinnert sich ein Passagier eher an eine faszinierende Beleuchtung als an einen Flug, der drei Dezibel leiser war als eine Reise bei der Konkurrenz. Trotzdem wird die Akustik in Zukunft eine stärkere Rolle spielen. Die Airlines suchen nach Möglichkeiten, sich von ihren Wettbewerbern abzugrenzen.

Ist das in Zukunft also eine Preisfrage: Wer mehr zahlt, fliegt auch ruhiger?

So ist es ja heute schon. VIP-Jets sind ganz anders gedämmt als Linienflieger. Auch die Business Class und die First Class sind besser isoliert, damit die Kunden einen Tick leiser fliegen. Die Kunst wird darin bestehen, diese Unterschiede in Zukunft auch wirklich transparent zu machen. Wenn Passagiere wissen, welche Zusatzleistungen sie für ihr Geld bekommen, sind sie eher bereit, dafür zu bezahlen.

Was raten Sie Passagieren, die in der Economy Class fliegen?

Die einfachste Variante sind Ohrstöpsel. Richtig gut funktionieren Kopfhörer mit "Active Noise Control"-Funktion. Sie messen Umgebungsgeräusche und neutralisieren sie, indem sie einen passenden Gegenschall aussenden. Manche Hersteller wollen solche Systeme in Zukunft auch direkt in die Sitze integrieren - eine interessante Möglichkeit, die man heute schon auf Messen sehen kann.

© SZ vom 21.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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