Kommentar:Entzauberte Saubermänner

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Peter Fahrenholz wünscht sich, dass Talkshows nicht immer dieselben Gäste einladen. Denn politische Diskussionen brauchen spannende Argumente statt altbekannter Standpunkte. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))

Nach dem Abgas-Skandal ist der Diesel angezählt. Jetzt sollte die Politik konsequent das Elektroauto fördern.

Von  Peter Fahrenholz

Was vor Kurzem noch wie ein besonders cleverer Einfall von PR-Strategen ausgesehen hat, würde heute nur noch für eine Satiresendung taugen: Der US-Werbespot von VW, wo eine nette Oma ihren weißen Schal vor den Auspuff ihres Autos hält, um ihren Mitfahrerinnen sozusagen weiß auf weiß zu demonstrieren, wie sauber ihr VW-Diesel ist. Heute weiß man, was vom Mythos der Saubermann-Diesel zu halten ist: Gnädig formuliert ist er ein Märchen, weniger freundlich eine bewusste Täuschung der Verbraucher, mithin gelogen. Mittlerweile steht, was erwartbar war, nicht nur VW am Pranger. Auch bei Modellen von Renault und Opel wurden extrem erhöhte Stickoxid-Werte gemessen.

Zwar weisen beide Hersteller jeden Vorwurf entrüstet zurück, wie bei VW mit bewussten Manipulationen nachgeholfen zu haben, aber das ist nur unter juristischen Gesichtspunkten relevant. Wenn man frei nach Helmut Kohl zum Maßstab macht, was hinten rauskommt, dann sind solche Autos, ganz anders als versprochen, in Wirklichkeit eben Dreckschleudern. Das Lamento aus der Politik darüber ist scheinheilig. Sie hätte längst dafür sorgen können, dass die echten Zahlen mit Tests unter Realbedingungen ans Licht kommen, aber die mächtige Autolobby hat hier ganze Arbeit geleistet, um das zu verzögern und zu verhindern. Bei den Autokunden sieht das anders aus, sie haben praktisch keine Möglichkeit, den Beschiss zu durchschauen. Klar, dass Autos in der Praxis meist mehr Treibstoff verbrauchen als laut Datenblatt der Hersteller, daran haben sich die meisten gewöhnt und das irgendwie hingenommen. Aber dass es Dieselmotoren gibt, deren Ausstoß krebserregender Stickoxide derart krass über dem Normwert liegt, welcher Käufer hätte das ahnen können? Für die Autoindustrie könnte es fatale Folgen haben, wenn die Verbraucher daraus ihre Schlüsse ziehen und sich nach und nach von den Dieselmodellen abwenden, deren Kostenvorteil sich ohnehin nur für Vielfahrer auswirkt, weil ihr Anschaffungspreis in der Regel höher ist als bei den Benzinvarianten. Denn wenn der sparsame Diesel im Motorenmix zurückfällt, dann stimmt plötzlich der sogenannte Flottenverbrauch nicht mehr und die EU-Normen zum Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids können nicht eingehalten werden.

Das könnte jetzt die Stunde der Politik sein. Sie müsste den Übergang in ein neues technologisches Zeitalter deutlich beschleunigen. Indem sie zum einen die Steuervorteile für den Diesel kassiert und zum anderen den Durchbruch der Elektromobilität mit konkreten Maßnahmen vorantreibt. Doch danach sieht es nicht aus. Der Vorschlag von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), eine Kaufprämie für Elektroautos zu zahlen, ist im Gestrüpp der großen Koalition schon wieder hängen geblieben. Die Gefahr ist groß, dass nach dem Verblassen des Diesel-Skandals einfach alles beim Alten bleibt.

© SZ vom 23.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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