Klimaziele:Der Zwang zum Umsteuern

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Elektroautos brauchen eine bessere Ladeinfrastruktur, meint Joachim Becker. (Foto: N/A)

Neuwagen sollen wesentlich weniger Kohlendioxid ausstoßen. Dafür müssen die Autohersteller umsteuern und die Autofahrer umdenken.

Von Joachim Becker

Das fossile Zeitalter geht zu Ende. Nach dem Willen der europäischen Umweltminister soll der Kohlendioxid-Ausstoß von Neuwagen in der nächsten Dekade um 35 Prozent sinken. Das Europaparlament hatte eine Minderung um 40 Prozent zwischen 2020 und 2030 gefordert. "Extrem aggressiv" nennt der europäische Automobilverband ACEA diese Ziele: "Die Konsumenten können nicht gezwungen werden, Elektroautos zu kaufen," sagt ACEA-Generalsekretär Erik Jonnaert. Die Industrie stehe vor einer "dramatischen Transformation in Rekordzeit". Genau das ist es, was Klimaforscher fordern.

CO₂ gehört zu den langlebigen Treibhausgasen. Wenn es einmal in der Atmosphäre ist, dann bleibt es dort meist auch. Und die Erde wärmt sich immer weiter auf. Der Weltklimarat IPCC hat ein schnelles und entschlossenes Handeln angemahnt, um das 1,5-Grad Klimaziel zu halten. Doch im Straßenverkehr ist fast nichts passiert. Der CO₂-Ausstoß liegt auf dem hohen Niveau von vor 25 Jahren. Der Gewichts- und Leistungszuwachs in der Pkw-Flotte hat die Effizienzgewinne weitgehend aufgezehrt.

Die erfolgreichste Spritspartechnologie der vergangenen Jahre bleibt der moderne Dieselmotor. Das geht in der aktuellen Debatte unter. Auch im neuen WLTP-Zyklus schlägt sich der Selbstzünder gut, während Plug-in-Hybride im realitätsnäheren Messverfahren deutlich mehr verbrauchen. Weil sie nun über der CO₂-Grenze von 50 Gramm pro Kilometer liegen, sind nur noch 13 statt 42 Plug-in-Hybride ohne Einschränkung förderfähig. Kritiker sagen: Mit ihrem hohen Preis, hohen Gewicht und dem relativ hohen Verbrauch auf der Autobahn verbinden die Steckdosen-Hybride das Schlechteste aus der Elektro- und Verbrennerwelt.

Das mehr oder weniger ungelöste Problem der Verkehrswende bleibt der individuelle Langstreckenverkehr. Plug-in-Hybride finden wenig Resonanz bei den Kunden und die Wasserstoffinfrastruktur steckt noch in den Kinderschuhen. Die meisten Batterie- oder Erdgasautos machen in der Praxis nach weniger als 400 Kilometer schlapp. Langstreckenfahrer, die es eilig haben, sind vom vermeintlichen Schnellladen schnell genervt. Und deutlich teurer als ein Diesel sind all diese Antriebe ohnehin. Wer von Verboten für Verbrennungsmotoren spricht, sollte also vorher über die verfügbaren Alternativen nachdenken.

Im ersten Halbjahr 2018 wurden 33 917 Elektrofahrzeuge in Deutschland neu zugelassen. Das bedeutet zwar einen Zuwachs von 51 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Massenmarkt angekommen, sind die Stromer mit einem Marktanteil von 1,8 Prozent aber noch nicht. Das wird sich mit neuen, kompakten und erschwinglichen Elektroautos demnächst ändern. Nicht nur für Städter mit wenigen Pkw-Kilometern, sondern auch für Pendler sind sie eine klimafreundliche und komfortable Alternative.

Alle Autohersteller müssen also umsteuern, nicht nur wegen der europäischen Limits. In China gilt ab 2019 ein Mindestanteil von zehn Prozent Elektroautos in der Flotte, ab 2020 müssen die Autohersteller zwölf Prozent ihrer Neuwagen mit elektrischem Antrieb verkaufen, 2025 sollen es doppelt so viel sein. Verfehlen sie dieses Ziel, drohen hohe Strafzahlungen. In Europa haben sich die Hersteller bisher gegen die Elektroautoquote gewehrt, die sie in China als wichtigstem Exportmarkt erfüllen müssen. Doch die geforderte Technologieoffenheit ist seit der Dieselkrise Makulatur. An der Großserien-Elektromobilität führt nun kein Weg mehr vorbei.

Saubere Selbstzünder können Teil der Lösung sein, weil sie im Schnitt 15 Prozent weniger CO₂ ausstoßen als Benziner.

Natürlich nicht als Billigantrieb mit Abgasnachbehandlungssystemen, die nur in Teilzeit arbeiten. Mit der Abgasstufe Euro 6d (Temp) ist der dreckige Ölbrenner Geschichte. Und der steuerbegünstigte Dieselkraftstoff sollte es ebenfalls sein. Das bedeutet: keine Subventionen an der Tankstelle mehr und Schluss mit der alten hubraumbasierten Kfz-Steuer. Stattdessen muss der CO₂-Ausstoß besteuert werden - mit einem deutlichen Malus für Spritschlucker. Das schafft Transparenz für den Verbraucher und sorgt für Anreize zum Umstieg auf die jeweils klimafreundlichste Alternative.

© SZ vom 13.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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