Klimaschutz:Brüssel beugt sich deutscher Auto-Lobby

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Die EU-Kommission rückt von ihren Plänen ab, für niedrigere Abgaswerte nur neue Technik vorzuschreiben.

Michael Bauchmüller und Alexander Hagelüken

Unter dem Druck der Bundesregierung und der deutschen Autoindustrie entschärft die EU-Kommission ihre Vorgaben zum Klimaschutz.

Kommissionschef Jose Manuel Barroso rückt vom Plan seines Umweltkommissars Stavros Dimas ab, die klimaschädlichen Abgase europäischer Autos vor allem durch Technik wie sparsame Motoren zu reduzieren.

Wie in Brüssel zu erfahren war, soll die Pflicht, die Emissionen der Neuwagen bis zum Jahr 2012 um ein Viertel zu senken, nicht mehr vorrangig die Hersteller treffen.

Ein stärkerer Einsatz von Biosprit, Ökofahrkurse und andere nationalen Maßnahmen soll ebenfalls auf das Ziel angerechnet werden. Dies lehnte Dimas bisher ab.

"Knallharte industriepolitische Interessen"

Zuvor hatten die deutschen Autohersteller vor dem Verlust Zehntausender Arbeitsplätze gewarnt, falls sie Neuwagen stark modernisieren müssten. Auch die Bundesregierung übte Druck auf Brüssel aus.

Die geplanten Grenzwerte seien "für uns unannehmbar", sagte Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) am Mittwoch in Berlin. Es gehe es nicht nur um Umweltpolitik, sondern "um knallharte industriepolitische Interessen".

Die Bundesregierung will unter anderem unterschiedliche gesetzliche Grenzwerte je nach Fahrzeugklassen festgelegt haben. Dies solle verhindern, dass große Autos strengere Vorgaben aus Brüssel bekommen als kleine, sagte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD). Letzteres befürchtet vor allem die deutsche Autoindustrie, die das meiste Geld mit großen Modellen verdient.

"Alle sollen einen größeren Beitrag leisten", sagte Tiefensee. "Aber der muss realistisch sein." Darüber bestehe in der Koalition Einigkeit. Bisher hatten vor allem Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und Glos darüber gestritten, wie streng die EU-Grenzwerte sein dürften.

Während SPD-Chef Kurt Beck in einem Gespräch mit EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot für längere Übergangsfristen plädierte, ließ Tiefensee offen, ob sich mit den gestaffelten Grenzwerten auch das EU-Ziel erreichen lässt. Brüssel will bis 2012 den Kohlendioxid-Ausstoß der europäischen Fahrzeugflotte auf durchschnittlich 120 Gramm je Kilometer senken. Derzeit liegt der Schnitt bei mehr als 160 Gramm.

Wenn die Diskussion mit anderen Vorgaben beendet werden könne, "sollte das auch möglich sein", sagte Tiefensee. Wie Industriekommissar Günter Verheugen (SPD) plädierte auch er dafür, klimafreundliche Biokraftstoffe auf das Kohlendioxid-Ziel anzurechnen. Dies fordert auch die Autoindustrie. Eine spritsparende Fahrweise könne zusätzlich helfen, das Klima zu schonen, sagte Tiefensee. Umweltverbände warfen der Bundesregierung vor, vor der Autolobby einzuknicken.

Dimas will scharfe Vorgaben für die Autoindustrie, um die negativen Folgen des Klimawandels zu verhindern. Nach einem Spitzengespräch mit Dimas und Verheugen am Montag tendiert Barroso stärker zu einer Lösung, die nationale Maßnahmen berücksichtigt. Aus dem Umfeld Verheugens hieß es, die Kommissare hätten sich schon vergangenen Herbst auf einen solchen Kompromiss geeinigt. Danach habe Dimas aber seine Meinung geändert.

© SZ vom 1.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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