Jubiläum:Der Wirtschaftswunderzug

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Der Trans-Europ-Express feiert 50-jähriges Jubiläum - ein Rückblick auf die goldene Epoche, in der die Eisenbahn noch Geschichte schreiben konnte.

Anatol Munz

Mitte der Fünfziger Jahre. Den Menschen in weiten Teilen Europas ging es wieder besser, in Rom standen die Verträge zur Gründung einer europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vor der Unterzeichnung, zwischen den Metropolen entwickelte sich reger Geschäftsverkehr und Deutschland stand am Anfang des viel zitierten Wirtschaftswunders. Tempo und der Wunsch nach mehr Komfort bestimmten die Zeit, nur die Bundes- und Staatsbahnen Europas fuhren hinterher - teils noch mit Dampflokomotiven, langen Anschlusszeiten und dürftigem Angebot. Wer es sich schon leisten konnte, kaufte sich ein Auto oder nahm das Flugzeug.

Die elegante runde Nase des Triebwagens VT 11.5 sorgte für Aufsehen. (Foto: N/A)

Das galt es zu ändern. Auf Anregung des Generaldirektors der Niederländischen Eisenbahnen, Franciscus den Hollaender, trafen sich im November 1954 sieben Eisenbahnverwaltungen in Utrecht (Niederlande). Der Plan: Der Aufbau eines Netzes für den Trans-Europ-Express, kurz TEE, das die wichtigsten europäischen Metropolen verbinden sollte. Damit die Elite aus Wirtschaft, Kultur und Politik zurückgewonnen werden konnte, sollten die Züge ausschließlich Erste-Klasse-Abteile bieten und durch zeitsparende Grenzkontrollen im fahrenden Zug, hohe Reisegeschwindigkeiten und Sekretariaten zur Erledigung der Korrespondenz überzeugen.

Nur dreieinhalb Jahre später, am 31.Mai 1957, fuhren die neuen Züge aus Frankreich, Belgien, der Schweiz, Italien, den Niederlanden und Deutschland in einer Sternfahrt nach Luxemburg und stellten sich der Öffentlichkeit vor. Die Deutsche Bundesbahn wartete dabei mit der stärksten und markantesten TEE-Variante auf: Die elegante runde Nase des Triebwagens VT 11.5 erinnerte an ein Flugzeug und mit den beiden jeweils 1100 Diesel-PS - an jedem Ende des Zuges befand sich ein Triebkopf, sodass im Bahnhof nicht umgespannt werden musste - sorgte der deutsche TEE für Aufsehen.

Unerreichter Schienen-Luxus

Und er war schnell: Laut einem Fahrplan von 1957 schaffte der Zug die Strecke Hamburg-Basel bei einer Reisegeschwindigkeit von 140 km/h in neun Stunden und 22 Minuten, was gegenüber dem Dampflokzug fast dreieinhalb Stunden sparte. Die Passagiere schwelgten in bis heute nicht wieder erreichtem Luxus.

In siebenteiliger Konfiguration - zwei Motorwagen und fünf Mittelwagen- bot der TEE mit 122 Sesseln viel Bequemlichkeit, die Wände der klimatisierten und schallschutzverglasten Waggons waren mit Kirschbaum-, Teak- oder Nussbaumholz verkleidet, in zwei Speiseabteilen wurden fünfgängige Menüs auf Porzellan mit goldenem TEE-Emblem serviert. Wem danach war, konnte nach dem Essen an der Bar einen Digestif zu sich nehmen oder die immer mitreisende Zugsekretärin buchen - jeweils fünf Minuten kosteten 50 Pfennig. Ihr konnten Briefe diktiert oder Übersetzungsarbeiten überlassen werden; selbst einen Knopf nähte die Dame zur Not wieder an. Von 1969 an wurden sogar Gespräche über ein Funktelefon vermittelt.

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"Außerdem gab es fortan keine Zugbegleiterinnen mehr", sagt Gisela Kraft-Schneider, "sondern nur noch Stewardessen - wie im Flugzeug." Von 1957 bis 1959 fuhr die heute 72-Jährige als Chefstewardess auf der Route Frankfurt-Amsterdam und überwachte, ob ihre vier Kolleginnen in der Praxis die hohen Erwartungen erfüllten: TEE-Stewardessen mussten Abitur oder Mittlere Reife und zwei im Ausland erworbene Fremdsprachen nachweisen.

Vor der ersten Fahrt wurden sie drei Monate lang geschult, auf den Stundenplänen standen Fächer wie Tee- und Weinkunde oder Serviertechnik. "Wir hatten sogar Kosmetikkurse, damit wir immer perfekt aussahen", erinnert sich Gisela Kraft-Schneider. Doch so erfolgreich das europäische Streckennetz, das von anfangs 5100 Kilometer auf 15.200 Kilometer im Jahr 1974 wuchs, auch war - auf Strecken von mehr als 400 Kilometer konnten die noblen Züge mit dem ebenfalls zunehmenden Luftverkehr letztendlich nicht mehr konkurrieren.

Die IC- und EC-Züge leiteten schließlich das Ende des exklusiven TEE ein. Im Jahr 1987 wurden die letzten Verbindungen eingestellt, die Züge verkauft. Heute existiert kein fahrbereiter TEE mehr; im Jahr 2003 begann die Deutsche Bundesbahn zwar mit der Restaurierung eines TEE, doch zwei Jahre später wurde das Projekt aus Kostengründen eingestellt.

Der ICE: Schneller, aber nicht so elegant wie der TEE

Dieser Zug kann dennoch besichtigt werden: Er steht noch bis zum 25. Oktober im Museum der Deutschen Bahn in Nürnberg. Dort erzählt zum 50-jährigen Jubiläum eine Sonderausstellung mit Schautafeln, Bild- und Tondokumenten die Geschichte von den Anfängen des TEE bis zum ICE. "Der ist zwar der legitime Nachfolger des TEE", sagt Jürgen Franzke, Leiter des Deutschen Bahnmuseums, "aber die Eleganz und den Luxus hat der ICE nie erreicht. So einen Zug wird es wohl nie wieder geben."

50 Jahre Trans-Europ-Express; DB Museum Nürnberg, Lessingstraße6, 90443 Nürnberg; bis 25. Oktober geöffnet; Dienstag bis Freitag: 9 bis 17 Uhr, Samstag, Sonntag, Feiertag: 10 bis 18 Uhr; Infos unter: www.db.de/dbmuseum

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