Internationale Automobil-Ausstellung:Merkels Motorvisionen

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"Ehrgeizig, aber notwendig": Während die Autobranche mit der 63. IAA mühsam versucht aus der Krise zu fahren, fordert Bundeskanzlerin Merkel nichts geringeres als die Neuerfindung des Automobils.

Vor der die Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) hat Bundeskanzlerin Angela Merkel von den deutschen Herstellern einen Entwicklungsschub hin zu umweltfreundlicheren Motoren gefordert. Es gelte, "das Auto fast wieder neu zu erfinden, nämlich völlig neue Antriebstechnologien zu entwickeln", erklärte Merkel, die die IAA am Donnerstag eröffnen wird.

Deutschland solle eine führende Rolle bei den Automobilen der Zukunft spielen und sich weiter als wichtiger Exporteur profilieren, sagte Merkel in ihrer aktuellen Video-Botschaft. Gleichzeitig müsse die Fahrzeugflotte in Deutschland moderner und umweltverträglicher werden. Die Bundesregierung könne die Rahmenbedingungen setzen. Aber: "Insgesamt wird es darauf ankommen, dass die Hersteller unserer Automobile hier neue Wege einschlagen und gegebenenfalls auch miteinander gute Kooperationen finden", meinte die CDU-Chefin.

Den Plan zur Elektromobilität, bis 2020 mindestens eine Million Elektromobile auf deutsche Straßen zu bringen, nannte Merkel ehrgeizig, aber notwendig. "Denn überall auf der Welt wird an alternativen Antriebstechnologien gearbeitet", fügte sie an.

Auch Umweltminister Siegmar Gabriel (SPD) setzt auf Elektroautos. Die deutsche Automobilindustrie könne sich so ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern. In einem Beitrag für die taz verwies Gabriel dabei vor allem auf die Märkte in Asien. "Schon heute werden in China jährlich Millionen Elektroleichtfahrzeuge verkauft."

Die Autobranche will mit der IAA ihren Blick wieder nach vorn richten: Die weltgrößte Automesse in Frankfurt am Main, werde "die Antworten auf die Herausforderungen von morgen" geben, sagte der Chef des Branchenverbands VDA, Matthias Wissmann.

Tatsächlich aber ist die am Donnerstag beginnende Schau gezeichnet von der Krise - ein Viertel weniger Aussteller sind dabei, auf deutlich weniger Fläche. Die Elektroautos, von denen sich Merkel und die Autobranche einen Schub erhoffen, sind auf den Straßen noch Zukunftsmusik. Dennoch setzt die Industrie große Erwartungen in die IAA und sieht Anzeichen für ein Ende der Talfahrt - trotz Auslaufens der Abwrackprämie.

Etwa 750 Aussteller aus aller Welt wollen in diesem Jahr kommen. Bei der IAA 2007 waren es allerdings noch knapp 1050. Die Automesse öffnet ihre Pforten am 17. September und endet am 27. - dem Tag der Bundestagswahl.

Auf der Abwesenheitsliste der Aussteller stehen derweil große Namen wie der japanische Autobauer Nissan oder die US-Automarke Cadillac. Letztere sagte im Zeichen der Insolvenz der Konzernmutter General Motors (GM) ab.

"Erleben, was bewegt", lautet das Motto der IAA. Die Branche will mit dem Leitgedanken an die Vorläufer-Show von 2007 anknüpfen. Damals stand die Schau ganz im Zeichen des Klimaschutzes - oder dem, was die Autobranche darunter versteht. Es ging um Spritspar-Technologien und Wege zur Senkung des Treibhausgas-Ausstoßes.

VDA-Chef Wissmann zufolge hat die Branche seitdem viel erreicht. "Was die Besucher vor zwei Jahren als Zukunftsstudie gesehen haben, sehen sie jetzt als fertiges Produkt". Das Publikum könne auf der IAA erleben, "was heute nachhaltige Mobilität sichert und was die automobile Zukunft bewegt". Wissmann spricht von der "weiteren Optimierung der klassischen Antriebsarten", also Verbrennungsmotoren. Alternative Antriebe wie Hybrid- oder Elektromotoren rangieren in den Ausführungen des Lobbyisten bislang noch an zweiter Stelle.

Bis IAA-Besucher Elektroautos zu sehen bekommen, die dann auch beim Händler zu haben sind, müssten sie sich gedulden, sagt Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft Bergisch Gladbach.

Ausstellungen wie die IAA seien in erster Linie "Schaufenster für technologische Innovationen" und keine Verkaufs-Shows. Elektromobilität werde zwar ein Schwerpunkt der IAA sein. Von der Serienreife seien die Hersteller aber noch ein Stück entfernt. Entscheidend sei jedoch, dass die IAA-Themen bei den Verbrauchern Interesse weckten - und der Branche damit eine Stoßrichtung vorgäben.

Mit ersten serienreifen Elektroautos könnten Autofahrer frühestens in ein bis zwei Jahren rechnen, sagt Bratzel. Dann würden zunächst Stromfahrzeuge für den Stadtverkehr verkauft, voraussichtlich meist Kleinwagen. In fünf bis zehn Jahren dann werde es auch Modelle für Langstrecken geben. Problem sei bislang noch die Leistungsfähigkeit der Akkus. Dennoch seien Elektroautos für die Branche ein wichtiger Hoffnungsträger: "Elektroautos haben das Potenzial, in unsere gesättigten Märkte Bewegung zu bringen." Hier könne die Autobranche noch wachsen.

Die Industrie selbst dagegen schöpft Hoffnung aus handfesteren Perspektiven. Der dramatische Einbruch der Exporte schwächte sich zuletzt deutlich ab. Der VDA rechnet deshalb mit steigenden Autoverkäufen ins Ausland. Die Autobranche richtet ihren Blick also nach vorn. Anstatt auf den nächsten Jahren ruht er aber eher auf den nächsten Monaten - und auf Altbewährtem.

© sueddeutsche.de/dpa/AP/Reuters/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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