Ford: Sparkurs:Abschied von Mercury

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Ford trennt sich von der traditionsreichen Automarke und denkt auch über das einstige Luxusmodell Lincoln nach.

Moritz Koch

Keine andere Allegorie versinnbildlicht den amerikanischen Traum so treffend wie die "Ladder of Fortune", die Sprossenleiter, auf der die Tugendhaften nach den Früchten des Wohlstands greifen. Es ist eine Metapher, die jeder Amerikaner kennt. Sie hat den Fortschrittsglauben von Generationen geprägt - und die Managementkonzepte der Autokonzerne aus Detroit.

Weltspiegel (25): Mercury Grand Marquis
:Franko-Amerikaner

Der Grand Marquis stammt aus der Ära, als die großen Drei der US-Autoindustrie den Markt noch unter sich aufteilten. Heute hat er eine ebenso betagte wie treue Kundschaft.

Stefan Grundhoff

General Motors und Ford wollten ihre Kunden bei ihrem sozialen Aufstieg begleiten. Von den bescheidenen Anfängen als einfacher Angestellter bis zur Beförderung zum Abteilungsleiter: In jeder Lebenslage sollte der passende Wagen vor der Tür stehen.

Doch geradlinige Karrieren sind längst zur Ausnahme geworden. Rückschläge und Neuanfänge bestimmen die heutige Arbeitswelt. Und inzwischen haben das auch die US-Autokonzerne erkannt. Die Konzentration aufs Wesentliche ist ihre neue Markenstrategie.

GM hat sein Angebot schon im vergangenen Jahr vor dem Konkursgericht entrümpelt. Nun will Ford folgen. Das Unternehmen steht nach Informationen des Wall Street Journal kurz davor, die traditionsreiche Marke Mercury auszugliedern. Ein weiteres Kapitel der amerikanischen Automobilgeschichte ginge damit dem Ende entgegen.

Mercury wurde 1939 gegründet und sollte als Bindeglied zwischen günstigen Modellen der Eigenmarke Ford und den Limousinen der Luxusmarke Lincoln dienen. Anfangs ging der Plan auf. Modelle wie der Cougar und der Marquis liefen gut.

Doch mit der Zeit verlor Mercury seine Identität. Die Unterschiede zwischen Fords, Lincolns und Mercurys verwischten mehr und mehr. Fords Modelle wurden immer beliebiger, genau wie die von GM. Je austauschbarer die Autos aus Detroit wurden, desto weniger Käufer fanden sie. Mercury verkaufte in den besten Zeiten mehr als 500.000 Autos im Jahr. 2009 waren es nur noch wenig mehr als 90.000. Auch der zuletzt gestartete Versuch, mit Mercurys speziell Frauen anzusprechen, scheiterte.

GM, Saturn und Opel
:General Mutlos

Aufbauen, verwässern, sterben lassen: Die einst innovative Marke Saturn, heute ein Zweitverwerter für Opel-Modelle, ist ein Paradebeispiel für die ziellose Strategie des Autoriesen General Motors. Opel sei gewarnt.

Sebastian Viehmann

Daher hatte Ford-Chef Alan Mulally Mercury schon länger auf seiner Streichliste. Seit seinem Amtsantritt 2006 verfolgt er einen strikten Sanierungskurs. Ford soll seine Ressourcen bündeln und sich mit seinen Marken nicht mehr selbst Konkurrenz machen. Rechtzeitig vor der globalen Rezession stieß Mulally Spartenanbieter wie Jaguar und Landrover ab. Auch für Volvo fand er einen Käufer.

Jetzt geht es mit Mercury erstmals um das Schicksal einer Kernmarke. Nach langen Verhandlungen soll nun die zögerliche Familie Ford, die noch immer in Strategieentscheidungen involviert ist, den Abspaltungsplänen von Mulally zugestimmt haben. Damit sei wahrscheinlich, dass auch der Aufsichtsrat einverstanden ist, schreibt das Wall Street Journal.

Möglich ist ebenso, dass Mercury für Mulally nur ein Zwischenschritt ist. Es ist kein Geheimnis, dass auch Lincoln ihm Sorgen macht. Die einstige Luxusmarke verströmt schon lange keinen Glanz mehr. Sämtliche Lincoln-Modelle werden aus Ford-Komponenten zusammengesetzt. Mit Oberklasse-Autos von Mercedes, BMW und Audi können sie nicht konkurrieren, und auch gegen Toyotas Limousinen-Marke Lexus und GMs Cadillacs ist Lincoln in seiner jetzigen Verfassung chancenlos. "Die Frage nach der langfristigen Zukunft von Lincoln ist eine sehr berechtigte", sagte Mulally kürzlich, ohne eine Antwort zu geben. Klar ist nur: Ein "Weiter so" gibt es nicht.

Wird Ford zur Einheitsmarke?

Denkbar wäre, Lincoln mit massiven Investitionen aufzupolieren. Dass eine solche Kehrtwende gelingen kann, zeigen die jüngsten Erfolge, die GM mit seinen Cadillacs hat. Doch der finanzielle Spielraum bei Ford ist begrenzt. Zwar schreibt das Unternehmen Gewinne, und es ist der einzige US-Autokonzern, der die tiefe Rezession ohne Staatshilfen überstand. Während jedoch die Konkurrenten GM und Chrysler den Großteil ihrer Verbindlichkeiten vor dem Konkursgericht abstreifen konnten, drücken Ford noch immer hohe Schulden. Experten sagen daher: Das Unternehmen wäre besser beraten, sich auf seine Stärken zu konzentrieren - und die liegen in der Marke Ford.

Die Marke Ford ist bei den Amerikanern so beliebt, dass der Konzern Ford trotz der Schwächen von Mercury und Lincoln erstmals seit Jahrzehnten wieder mehr Autos als GM verkauft. Gefragt sind Kompaktwagen wie der Focus, den Ford für Europa entwickelt hat, aber auch schwerfällige Pick-up-Trucks.

Sollte Mulally die Rationalisierungsratschläge befolgen, würde Ford zur Einheitsmarke werden und damit der erste amerikanische Hersteller sein, der das alte, abgestufte Markenkonzept einebnet. GM scheute selbst in der Insolvenz vor einem so radikalen Schritt zurück. Mit Pontiac, Saturn, Saab und Hummer brach der Konzern nur die morschen Sprossen aus der Leiter, die ihn zurück zum Erfolg führen soll.

© SZ vom 31.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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