Flughafen der Zukunft:Auf dem schnellsten Weg ins All

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Das Mojave Airfield will Drehscheibe für den US-Luftverkehr sein und kämpft zugleich um seinen Status als Weltraum-Bahnhof.

Klaus C. Koch

Was tun, wenn der Kalte Krieg vorüber ist und alte Militärflugplätze nicht mehr gebraucht werden? Unweit von Edwards in der kalifornischen Wüste entwickelt ein ehemaliger Stützpunkt unvermutete Qualitäten als Weltraumbahnhof.

Auf Zeichungen exisitiert er schon: der Weltraumbahnhof, der von Stararchitekt Norman Foster gebaut werden soll. (Foto: N/A)

Ein Verkehrsknotenpunkt entsteht - für Menschen, die ins All wollen

Über dem Rollfeld des Mojave Airfield flimmert die Hitze. Vor dem Flugplatzrestaurant, das auf den Namen Voyager getauft wurde, gestikuliert eine Handvoll japanischer Flugschüler über der Motorhaube einer Cessna. In ihren bläulich schimmernden Overalls wirkt jeder wie David Bowie: ein wenig außerirdisch, unwirklich. Drinnen, an der Bar, wo es zu einem Hamburger Drinks wie Joudy's Crash Landing gibt, fachsimpeln sie über Spritpreise, Luftlöcher und die Entwicklung im Nahen Osten.

An einem normalen Arbeitstag deutet auf dem Mojave Airfield wenig darauf hin, dass hier Pionierarbeit geleistet wird. Testflüge von Jets aus den Hightech-Schmieden von Lockheed, Boeing und Bombardier, aber auch Burt Rutans Voyager gehören dazu, die 1987 ihren neuntägigen Flug nonstop um die Erde absolvierte. In den zurückliegenden Jahren hat sich das Spektrum um einen prominenten Bereich erweitert: die Raumfahrt. Von hier aus startete 2004 SpaceShipOne, dessen Nachfolgemodell künftig Touristen für ein paar Minuten Schwerelosigkeit ins All befördern soll.

Mojave Airfield, sagt Geschäftsführer Tom Weil, 54, "ist der erste Flugplatz der Vereinigten Staaten, der die zivile Luftfahrt und einen Weltraumbahnhof miteinander vereint". Sozusagen ein Verkehrsknotenpunkt für Erdenbürger, die zwar ins All, aber auf dem Weg dorthin nicht fünfmal umsteigen, sondern allenfalls von einem Terminal zum nächsten, am liebsten jedoch nur noch von einer Gangway auf die andere wechseln wollen.

Mojave Airfield
:Flughafen der Zukunft

Der Mojave Airport ist nur 100 Kilometer von Los Angeles entfernt - hätte also gute Chancen als Drehkreuz für den Luftfrachtverkehr. Aber die Betreiber wollen mehr - einen Weltraum-Bahnhof.

Vor dem Hintergrund einiger hundert Verkehrs-Jets, die von ihren Fluggesellschaften hier abgestellt wurden, weil sie zurzeit nicht gebraucht werden, basteln Burt Rutan und seine Firma Scaled Composits an SpaceShipTwo. Für die Privatversion des Space Shuttle sollen im Sommer die ersten Testflüge stattfinden. Der tatsächliche Space Port, von dem aus die privaten Weltraumflüge fahrplanmäßig starten sollen, ist nach Plänen von Stararchitekt Norman Foster zwar in New Mexico geplant. Doch das wird noch dauern. Bis dahin wird Mojave als Basis für mindestens hundert Testflüge dienen.

Im Sommer soll das SpaceShipTwo erstmals abheben. Bis dahin wird es aber noch mindestens 100 Testflüge geben. (Foto: N/A)

Daran soll auch der Unfall nichts ändern, bei dem vor ein paar Monaten unweit des Flugzeugfriedhofs ein Tank explodierte. Drei Arbeiter kamen dabei ums Leben. Mittlerweile seien zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen worden, so Weil. "Wir sind zuversichtlich, dass so etwas nicht mehr passiert." Immerhin waren die Behörden drauf und dran, dem Airfield die Zulassung als Space Port zu entziehen, von dessen Werbewirksamkeit Mojave seit 2004 zehrt. "Die in Washington verstehen nicht, dass wir hier so viele Dinge gleichzeitig tun", sagt Christina Scott, die Führungen zum Boneyard, und gegebenenfalls auch mal einen Ersatzteilverkauf organisiert.

Mojave wurde von einer Eisenbahngesellschaft gegründet

Der Flugplatz in der Mojave-Wüste ist nicht nur deshalb legendär, weil er in der Nähe des US-Luftwaffenstützpunktes Edwards liegt. Am Rande der Salzwüste setzen die Space Shuttles der Nasa auf, wenn sie ihre Missionen an der Internationalen Raumstation ISS durchgeführt haben. In der Piloten-Lounge hängen Flugpläne, die den Luftraum in strikt einzuhaltende Sektoren aufteilen, das Anflugverfahren ist komplex.

Der Ort Mojave (gesprochen: Mochawi) selbst ist eine Gründung der Eisenbahngesellschaft Southern Pacific, die 1876 nach einem Zwischenstopp und Umladepunkt für Güterzüge suchte. Nicht nur das kalifornische Gold lockte seinerzeit die Reisenden, darunter Kit Carson und Wyatt Earp, in den Westen. Auch Borsalz, das aus ausgetrockneten Salzseen stammt und für Glasuren und in der Emailleproduktion verwendet wird, führte zu einem Run auf den gleichnamigen Rohstoff. Heute erzittern Tankstellen, Schnellrestaurants und Motels, die am Highway liegen, unter dem Dröhnen mächtiger Dieselloks, die an der Spitze von bis zu zwei Kilometer langen Güterzügen auf dem Weg vom Pazifik in den mittleren Westen und zur Ostküste rollen.

Nicht weniger als 40 verschiedene Nutzungen zählt Weil für den Flugplatz auf, darunter elf, die sich mit Raumflugsystemen befassen. Mit der allgemeinen Luftfahrt haben sich Helikopter- und Service-Betriebe angesiedelt. British Airways rüstet hier Jets um, General Electric lagert lastwagengroße Ersatzturbinen für mehrere tausend auf den nahe gelegenen Hügeln installierte Windkraftanlagen. Im Osten des Flugplatzgeländes will demnächst die California Polytechnic State University bauen, Paketdienste und Logistik-Anbieter nutzen die günstige Anbindung an Luftfracht, Bahn und Straße zugleich.

Nur 100 Kilometer von Los Angeles entfernt, hätte Mojave durchaus auch gute Chancen als Drehkreuz für den Luftfrachtverkehr. Lkw finden von hier aus mühelos den Weg zum nächstgrößeren Umschlagplatz, ohne im Moloch des Straßenverkehrs steckenzubleiben, der um Los Angeles jegliche Aktivitäten erstickt. Eine kürzlich auf 12.500 Fuß (3800 Meter) erweiterte Rollbahn verkraftet sogar die Boeing 747-400 mit voller Beladung - selbst dann noch, wenn der Asphalt in der Wüstensonne bereits aufzuweichen droht.

Beliebter Hot Spot für Filmdrehs

Bereits an Bedeutung eingebüßt hat der Flugzeugfriedhof, von dessen Sorte es mehrere auch in Arizona, Oklahoma und Roswell (New Mexico) gibt. Nach dem 11. September 2001 legten Fluggesellschaften wie PanAm, British Airways, Northwest, KLM und Canadian Air hier 450 Jets mangels Nachfrage vorübergehend still, weil das trockene Wüstenklima die Korrosion reduziert. Zurzeit sind es nur noch 250.

Nicht alle wissen, dass in Mojave - wenn auch nur im Film "Waterworld" - die Exxon Valdez, die 1989 auf einem Riff im Prince William Sound vor Alaska eine der größten Umweltkatastrophen der Neuzeit verursachte, ein zweites Mal versenkt wurde. Hollywood-Regisseur Kevin Reynolds nutzte die riesigen Löschwasser-Bassins der Flughafen-Feuerwehr für eine Szene in dem Film, in der Stunt-Pilot Craig Hoskins allerdings ein wenig zu tief flog. Mit einem der Pontons seines Wasserflugzeugs nahm er nicht nur eine Reihe von Deckaufbauten der nachgestellten Exxon Valdez mit, sondern auch gleich noch eine Kamera, hinter der zu diesem Zeitpunkt glücklicherweise niemand stand.

Thriller wie "Die Hard II" und die Satire "Hot Shots" wurden ebenfalls hier gedreht. Clint Eastwood produzierte mehrere Szenen für seinen Anti-Kriegs-Film über die Schlacht um Iwojima, die 1945 im Pazifik stattfand und 21.000 Japaner und 7000 Amerikaner das Leben kostete, in Mojave.

Jumbos wurden einfach zersägt

In die Hangars von Scaled Composits, die von einem privaten Sicherheitsdienst bewacht werden und von Stacheldraht umzäunt sind, darf selbstverständlich niemand rein. "Wir werden hier von Neugierigen geradezu überrannt", sagt Trish Mills, Vizechefin von Scaled, und verweist auf die nächste Pressekonferenz in New York: "Wir müssen uns an die Spielregeln halten."

Bleibt zu hoffen, dass es SpaceShipTwo anders ergeht, als Prototypen von Raketenflugzeugen, die heute nur noch als Denkmal auf dem Parkplatz herumstehen. Oder jenen Jumbo-Jets der British Airways, die nach dem 11. September 2001 gar nicht mehr in Betrieb gingen, weil sie den verschärften Lärmschutzauflagen vieler Flughäfen nicht mehr gerecht wurden. Wenig später wurden sie im hintersten Winkel des Airfield einfach zersägt.

© SZ vom 19.04.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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