Fahrräder für Senioren:Radeln ohne Altersgrenze

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Immer mehr Senioren sind mit dem Fahrrad unterwegs - die Hersteller reagieren darauf mit speziellen Modellreihen.

Helmut Dachale

Gunda Krauss ist 70 und hat große Probleme mit ihrer Hüfte. Aber deshalb aufs Radfahren verzichten? "Ich darf nur nicht hinfallen", stellt sie klar, "und an der Ampel runterhüpfen, das mache ich auch nicht mehr." Muss sie auch nicht, denn Gunda Krauss ist mit Easy Rider unterwegs, einem gefederten Fahrrad mit drei Rädern - vorne eins, hinten zwei. Außerdem ist ein Elektromotor an Bord. "Auch im Alter möchte ich meine Bewegungsfreiheit ausleben, ohne dabei die Umwelt zu belasten", so das Credo der agilen Seniorin.

Herbert Weinheim dagegen winkt ab. Nein, so ein Fahrrad will er nicht. Auch er ist Rentner und leidet unter Arthrose in Knie- und Hüftgelenk. Früher ist er bei Amateur-Straßenrennen mitgefahren, jetzt "komme ich nicht mehr über die Stange" - das Oberrohr ist ihm zu hoch geworden. Doch sich auf ein Rad setzen, das so ganz anders als ein "echtes Fahrrad" aussieht und zudem noch einen Motor hat, kommt für ihn nicht in Frage: "Warum denn auch, Kraft und Kondition habe ich noch genug."

Immer mehr junggebliebene Senioren steigen aufs Fahrrad, auch wenn Statistiker und Polizei die Radler der Generation 65 plus als stark gefährdete Verkehrsteilnehmer ausgemacht haben. Und am liebsten soll es ein Modell sein wie einst im Mai. Und sich zum Handicap zu bekennen, wie es Gunda Krauss fast demonstrativ tut, schaffen die Wenigsten. "Allein schon das Wort Senioren-Rad ist verpönt", weiß man in der Radbranche. "Ums Dreirad machen die Älteren erst mal einen großen Bogen, an sich wollen sie ein richtiges Rad."

Viele Hersteller haben sich längst darauf eingestellt - entstanden sind seniorengerechte Produkte, von denen viele noch einigermaßen vertraut anmuten und vorsichtshalber als Komfortrad oder bequemes Citybike angeboten werden. Nabenschaltungen mit sieben, acht oder neun Gängen, Nabendynamo und Standlicht sind die Norm. Doch bei der Rahmengeometrie wird aufs Oberrohr generell verzichtet, Unisex ist Trumpf. Die Laufräder sind klein, bis hin zur Kindergröße von 20 Zoll, die Reifen haben das voluminöse Ballonformat.

Beim Modell Merano von Patria beispielsweise ist der Durchstieg nicht nur extrem tief; man hat es sogar gewagt, die beiden Rahmenrohre im unteren Winkel zu entzerren. Das erinnert an einen Tretroller, hat aber den Vorteil, dass zwischen dem Gestänge große Beinfreiheit herrscht und beim Anhalten der Boden sicher mit beiden Fußsohlen zu erreichen ist. Und der Radler kann bleiben, wo er ist - auf dem Sattel.

Ähnlich unkompliziert fährt es sich auf einem Sesselrad oder Scooterbike. Es muss ja nicht ein dreirädriges sein wie das von Gunda Krauss. Auch das Modell Phoenix von Utopia rollt auf 20-Zoll-Rädern, aber eben nur auf zweien. Aber auch hier muss man sich an Auffälliges gewöhnen. Vor allem an den lang gezogenen Zentralrohrrahmen, auf dem ein breiter Sitz mit verstellbarer Rückenlehne montiert ist. Der Fahrer hockt nicht nach vorn gebeugt, sondern thront aufrecht auf einem bequemen Sitz und pedaliert mehr nach vorne als nach unten. In jedem Falle ist er dem Boden ziemlich nahe, erlebt jedoch die Unebenheiten dank Federung abgedämpft. Dem klassischen Erscheinungsbild eines H-Diamant-Rahmen mit Stange ähnelt das kaum noch.

Vielleicht muss man das ja in Kauf nehmen, meint Herbert Weinheim, der auch solche Fahrräder bereits ausprobiert hat und immerhin zugibt: "Das Auf- und Absteigen ist wirklich kein Problem mehr." Selbst der Elektromotor stößt nicht mehr auf seinen Widerstand, hat er doch erfahren, was das Eigentümliche der Pedelecs ist: Der Motor schnurrt wirklich nur dann, wenn man in die Pedale tritt. Und Antrieb und Batterien können so diskret angebracht werden, dass sie kein anderer auf Anhieb sieht.

© SZ vom 5.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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