Fahrrad-Neuheiten:Treten, klappen, funken

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Cargo-Fahrräder und E-Bikes liegen weiter im Trend. Viel interessanter ist 2019 aber, wie vielseitig die Hersteller ihre Fahrräder digitalisieren: Von automatischen Notfallnachrichten bis zur Sprachsteuerung ist alles dabei.

Von Felix Reek

Die Fahrradtrends der vergangenen Jahre ließen sich relativ klar umreißen: E-Bikes und Lastenräder. Im besten Falle beides gleichzeitig. Gerade in den Städten wurden Velos immer beliebter als Verkehrsmittel für all jene, die der ewigen Autostaus und der großzügigen Virenweitergabe in Bussen und Bahnen überdrüssig sind. Das ist auch in diesem Jahr so. Mit einem Unterschied: Wurde der Elektroantrieb bisher vor allem in der Mitte am Tretlager verbaut, wandert er jetzt auch an die Vorder- oder Hinterradnabe. Für Brompton, den Faltradspezialisten aus Großbritannien, hat das vor allem praktische Gründe: So lässt sich das Electric (ab 3150 Euro) leichter und kleiner zusammenklappen. Aus dem gleichen Grund wandert der Akku in eine separate Tasche, die bei Bedarf angeschlossen wird.

Der Trend zu Cargobikes ist ebenso ungebrochen. Wichtig ist dabei den Kunden vor allem, dass diese Mobilitätslösung möglichst variabel einsetzbar ist. Das Load 75 von Riese & Müller (ab 5999 Euro) zum Beispiel besitzt eine 75 Zentimeter große Ladefläche, die Platz für bis zu drei Kindersitze, Seitenwände oder einen Regenschutz bietet. Angetrieben wird das Load 75 von einem Bosch-Mittelmotor, der sich aus einem Akku mit 500 Wattstunden speist. Bei Bedarf lässt sich dieser um eine zweite Batterie (etwa 900 Euro) ergänzen, welche die Reichweite verdoppelt.

Haben sich Lastenräder und E-Bikes im Stadtbild mittlerweile etabliert, scheint 2019 das Jahr der Digitalisierung für Fahrradfahrer zu werden. Die meisten Neuerungen für Biker zielen darauf ab, Funktionen, die sie von Smartphones und aus Automobilen kennen, in ihr Zweirad zu integrieren. Die Fahrradbrille Raptor Every-sight (Preis: 570 Euro) ist eine Art Head-up-Display für Biker. In ihr verbaut ist ein GPS-Sensor, der Daten wie Geschwindigkeit, Entfernung und die Herzfrequenz auf die Innenseite der Brille projiziert. Die Raptor kann aber noch viel mehr. Per Sprachbefehl nimmt sie Videos mit 1080 Pixel auf, spielt Musik vom 32 Gigabyte großen Speicher ab und zeigt über eine Bluetooth-Verbindung mit dem Smartphone Mails, Textnachrichten und Anrufe an. Was nach viel Ablenkung im Straßenverkehr klingt, soll das genaue Gegenteil bewirken: Die Radler können während der Fahrt die Finger vom Smartphone lassen.

Geklaute Fahrräder, gerissene Schaltzüge: Digitale Lösungen sollen Abhilfe schaffen

Ein weiteres Problem vieler Fahrradbesitzer will Abus lösen: Jedes Jahr werden etwa 300 000 Räder in Deutschland gestohlen, die Aufklärungsrate ist miserabel. Aus diesem Grund integriert der Schlösser -Spezialist in das Smart X (Preis: 199 Euro) eine Alarmanlage, die losgeht, wenn jemand sich daran zu schaffen macht. Ohne Digitaltechnik geht es beim Smart X aber auch nicht. Per Bluetooth verbindet es sich mit der dazugehörigen App auf dem Smartphone. Ist diese aktiviert, öffnet sich das Schloss automatisch, wenn sich der Besitzer nähert.

Die Fahrräder von Haibike (ab 3800 Euro) verfolgen einen ähnlichen Ansatz. Doch hier ist die Diebstahlsicherung direkt im Rahmen verbaut. Der GPS-Sender verbindet sich mit dem Smartphone und erkennt im aktivierten Zustand Erschütterungen, die er an das Handy sendet. Entfernt sich das Fahrrad von seinem ursprünglichen Standort, erhält der Besitzer eine Nachricht und kann so in der App den neuen Standort ermitteln. Diese Technik soll im Notfall helfen, zum Beispiel bei einem Unfall. Bricht die Geschwindigkeit abrupt ab und das E-Bike liegt auf der Seite, erscheint auf dem Smartphone des Fahrers eine Meldung. Reagiert er nicht innerhalb einer gewissen Zeit, sendet das Rad eine Notfall-Nachricht an bis zu zwei vorher angegebene Kontaktpersonen.

Ein Problem, das viele Radfahrer aus dem Alltag kennen, will der Hersteller Sram lösen: gerissene Schaltzüge. Bei der Eagle AXS (ab 2000 Euro) gibt es einfach keine Stahlseile mehr, per Funk wird der Befehl zum Ritzelwechsel vom Lenker an das Hinterrad übertragen. In der dazugehörigen App lassen sich die Schaltlogik und die Tastenbelegung anpassen. Mit im Paket ist übrigens eine Teleskopstütze für den Sattel, sodass dessen Höhe während der Fahrt per Funk verstellt werden kann.

Wem das alles schon zu viel Hightech ist, den dürften die Fahrräder des britischen Herstellers Cybic vollkommen überfordern. In ihnen ist der Sprachassistent Alexa von Amazon integriert. Das klingt erstmal abwegig. Wer will sich schon im Stadtverkehr Geschichten vorlesen lassen oder Online-Shoppen? Wer Alexa aus dem eigenen Wohnzimmer kennt, weiß aber, dass die künstliche Intelligenz des Versandriesen viel mehr kann. Per Sprachsteuerung lassen sich bei den Fahrrädern von Cybic das Licht ein- und ausschalten, die Navigation bedienen oder Verkehrsinfos abrufen.

Angezeigt werden sie auf einem Display am Lenker. In dieses sind ein GPS-Sender, ein Lautsprecher und ein Mikrofon integriert. Auch andere Anwendungen sind möglich: Die Heizung zu Hause schon einmal mollig warm einstellen, der Familie ankündigen, wann man eintrifft - das Fahrrad wird zu einer zentralen digitalen Schaltstelle. Um das zu ermöglichen, verkauft Cybic sein Pedelec E-Legend in England ab dem Sommer dieses Jahres mit einer integrierten SIM-Karte von Vodafone. Ob es die Räder des britischen Herstellers auch aufs Festland schaffen, ist bisher genau so offen wie deren Preis. Der dürfte bei der Anzahl der Möglichkeiten des E-Legends allerdings nicht gerade günstig sein.

© SZ vom 23.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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