Elektrisches Zweirad:Fatbike für Instagram-Fans

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Trend-Bike aus Mallorca: Das Unimoke wurde für die Altstadtgassen der Ferieninsel erfunden, macht sich aber auch vor der heimischen Eisdiele gut. (Foto: Urban Style)

Pure Fortbewegung war gestern, heute ist auch beim Zweirad alles eine Stilfrage.

Von Felix Reek

Der Mann steht in Jogginghose vor der Bushaltstelle, in seiner Hand ein Kaffeebecher. Er nippt kurz - und verschluckt sich fast daran, als das Unimoke vorbeisaust. Der nächste Passant lacht nur, ein anderer reckt den Daumen nach oben. Bereits nach ein paar Minuten auf diesem ungewöhnlichen Pedelec ist klar: Wer sich für ein Unimoke entscheidet, will gesehen werden. Mit seinen breiten Reifen, dem großen Scheinwerfer vorne und der durchgehenden Sitzbank sieht es aus wie ein Motorrad oder Mofa aus den Siebzigerjahren. Fehlt eigentlich nur noch der wehende Fuchsschwanz.

Die Konnotation zu diesen klassischen Zweirädern kommt natürlich nicht von ungefähr. "Meinem Mann Ossian hat das einfach gefallen", sagt Julia Emmert. Zusammen mit ihm betreibt sie die Firma "Urban Style" auf Mallorca, zu der auch ein Fahrradverleih auf der Insel gehört. Die Idee zum Unimoke kam ihnen, weil kein Bike ihre speziellen Anforderungen erfüllte. "Wir wollten ein Rad, mit dem wir unsere Tochter in die Schule bringen können und gleichzeitig zum Einkaufen", so beschreibt sie die ursprüngliche Motivation.

Mit herkömmlichen Lastenrädern war in den engen Gassen der Hauptstadt Palma kein Durchkommen. Vom Kopfsteinpflaster ganz zu schweigen. Also erfand Ossian Vogel, der schon als Jugendlicher Liegeräder und später beruflich Drohnen baute, das Unimoke, zunächst nur für ihren Fahrradverleih auf der Insel. Als er und seine Frau bemerkten, wie gut das Pedelec bei ihren Kunden ankam, sammelten sie per Crowdfunding mehr als 300 000 Euro und entwickelten das Unimoke mit Hilfe eines Ingenieurs weiter bis zur Serienreife. Dass sie damit einen Nerv getroffen haben, zeigen die Verkaufszahlen: Etwa 1500 Unimokes sind mittlerweile im Umlauf, schätzt Julia Emmert.

Radeln und Gesehenwerden sind beim Unimoke eins - oder ist der Show-Effekt doch wichtiger?

Das liegt vor allem am ungewöhnlichen Design. Zwar boomen E-Bikes und Pedelecs, rein äußerlich unterscheiden sie sich aber kaum von der gewohnten Fahrradästhetik. Das Unimoke geht mit seiner Mofa-Optik einen anderen Weg. Das sieht toll aus, bringt aber Nachteile mit sich. Der massive Rahmen und die breiten Reifen sorgen für ordentlich Gewicht. Mit 29 Kilogramm ist das Unimoke selbst für ein Pedelec nicht gerade ein Leichtgewicht. Im Praxisbetrieb heißt das: In der U-Bahn wird es wohl niemand mitnehmen, im Kofferraum des Autos dürfte es auch eng werden. Wer an einer Steigung anhält, sollte lieber die Bremsen anziehen, sonst rollt er schnell in die entgegengesetzte Richtung. Und ohne die Unterstützung des Elektromotors, dessen Akkueinheit sich durch Hochklappen des Sitzes entnehmen lässt (Ladezeit drei bis vier Stunden für maximal 50 Kilometer Reichweite), dürfte das Unimoke wohl niemand betreiben.

Auch die Sitzhaltung ist ganz anders, als es Radler gewohnt sind. Gerade einmal 83 Zentimeter hoch ist die lange Bank des Pedelecs. Die ersten Sekunden verbringt der Fahrer damit, eine angenehme Position zu suchen, indem er vor und zurück rutscht. Zudem ist es schlicht ungewohnt, dass die Oberschenkel fast waagerecht sind und die Knie knapp an den Händen am Lenker vorbeischrammen. Auch das Treten in Kombination mit dem 250 Watt starken Elektromotor bedarf einer gewissen Eingewöhnungszeit.

Umso fester der Pilot in die Pedale tritt, umso stärker unterstützt ihn der Antrieb. In den unteren fünf Gängen der neunstufigen Schaltung ist jedoch kaum etwas zu spüren. Deutlicher ist der Schub in den Gängen sechs bis neun, die eine Geschwindigkeit von bis zu 25 km/h erlauben. Ganz synchron ist das aber nicht und der Elektromotor springt des öfteren ruppig an, verleiht Vortrieb, um sich dann wieder zu verabschieden. Dem Ruffian von Ruff Cycles, das sich auch an klassischen Motorrädern orientiert, gelingt das besser. Dafür kostet es aber auch nicht etwa 2700 Euro wie das Unimoke, sondern mehr als das doppelte.

Als reine Pendler-Pedelecs wird sich aber sowieso niemand diese Fahrräder zulegen. Die anvisierte Kundschaft ist eine andere. Das Unimoke ist ein Spaßrad. Für Menschen, die Freude an der außergewöhnlichen Ästhetik haben, die ein Fahrrad nicht nur als schnödes Fortbewegungsmittel sehen. Niemand wird schließlich behaupten, ein BMX-Bike sei das bequemste aller Velos. Oder ein Bonanzarad. Trotzdem liebten wir sie in unserer Kindheit mehr als alles andere.

Genau das gleiche Gefühl stellt sich irgendwann beim Unimoke ein: Der eigene Körper synchronisiert sich mit dem ungewöhnlichen Pedelec. Er begreift, wie wenig er treten muss, damit der E-Motor seine maximale Unterstützung bereitstellen kann. Dass er die Position auf der Bank wechseln muss, wenn der Hintern zu schmerzen beginnt. Er lehnt sich zurück, aufrecht in den Wind, beobachtet, wie der Schlamm auf den Feldwegen zur Seite fliegt und genießt ein Fahrgefühl, wie es sonst wohl nur ein Motorrad bietet. Nur eben ohne das laute Knattern des Motors. Und umweltfreundlicher. Das einzige Manko in diesen Momenten: Es könnte immer ein wenig schneller sein. 25 km/h sind für einen geübten Fahrradfahrer auf Dauer eben doch ein wenig zu gemächlich. Dafür gibt es aber bald Abhilfe: Julia Emmert und ihr Mann haben bereits ein Unimoke mit Mofa-Zulassung in Vorbereitung. Es wird genauso aussehen wie das Pedelec, aber bis zu 45 km/h schnell sein - und für noch mehr ungläubige Blicke auf den Straßen sorgen.

© SZ vom 30.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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