Die Mobilität der Zukunft:Roboter am Steuer

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Sieht so das Haltestellenschild der Zukunft aus? In Berlin werden auf dem Areal der Charité mehrere autonom fahrende Busse erprobt. (Foto: Christian Ditsch/epd)

Das autonome Fahren ist längst keine Zukunftsvision mehr - es ist mittlerweile auf deutschen Straßen angekommen. Die Zahl der Pilotprojekte wächst stetig.

Von Felix Reek

Irgendwie sieht der Bus auf dem Campus der Charité in Berlin aus, als hätte ihn jemand geschrumpft. Klein, gelb, mit Platz für gerade mal sechs Fahrgäste. Doch noch etwas ist anders. Der Fahrer sitzt nicht hinter dem Steuer. Der Bus bewegt sich autonom. Er ist eins von vier Fahrzeugen, die seit Ende März in einem Pilotprojekt des Klinikums, der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) und dem Land Berlin unterwegs sind. Auf zwei Ringlinien fahren die Busse auf einem Gebiet, das von öffentlichen Straßen abgegrenzt ist, aber durch den Verkehr mit Fußgängern, Radfahrern und Krankenwagen ein gutes Testfeld bietet, um Erfahrungen für den Einsatz von autonomen Fahrzeugen zu sammeln. Die Busse beschleunigen, bremsen und lenken selbständig. An Bord befindet sich aber immer ein "Sicherheitsfahrer", der im Notfall eingreifen kann. Das Tempo ist gemächlich: Maximal zwölf Stundenkilometer erreicht der Roboterbus.

Es ist nicht das einzige Projekt dieser Art in Deutschland. Ein Bundesland nach dem anderen stellt Gebiete für Testläufe zur Verfügung. Das autonome Fahren ist keine Zukunftsvision mehr - es ist längst auf deutschen Straßen angekommen. Auch wenn immer noch ein Mensch zur Sicherheit an Bord sein muss. Ein Schwerpunkt sind dabei öffentliche Verkehrsmittel, von denen in Zukunft ein Teil ohne Fahrer auskommen sollen. Die Deutsche Bahn (DB) zum Beispiel testet seit Oktober 2017 im Kurort Bad Birnbach zwei autonome Busse, die zwischen Bahnhof, Ortszentrum und Therme pendeln. Sie können jeweils acht Personen transportieren und sind bisher auf Tempo 15 gedrosselt. Möglich wären 40 Stundenkilometer.

Die "ioki" genannten Busse sind ein Pilotprojekt für die DB, die damit in den individuellen öffentlichen Personenverkehr einsteigen will. Per App sollen Reisende künftig Sammeltaxis und E-Fahrzeuge bestellen können. Bislang läuft der Test erfolgreich. Bis April 2018 legten die Busse 3000 Kilometer zurück und beförderten 7000 Menschen, ohne nennenswerten Zwischenfall. Einen weiteren Bus setzt die DB seit Kurzem auf dem EUREF-Campus in Berlin-Schöneberg ein, einem Modellprojekt für ein intelligentes Stadtquartier. Hier fährt ein selbstfahrender elektrischer Kleinbus, der per App bestellbar ist und keine feste Route hat. Weitere Busse sind auch in Hamburg geplant.

Dort wird die DB auf Konkurrenz treffen. Im Projekt HEAT (steht für: "Hamburg Electric Autonomous") will die Hamburger Hochbahn von 2020 an ihren autonomen Bus in der Hafencity testen. Der soll bis zu 50 Stundenkilometer schnell sein, zunächst aber keine Passagiere befördern. In Frankfurt ist man da schon weiter: Im Oktober und November 2017 testeten der Flughafenbetreiber Fraport und der Versicherer R+V Roboterbusse auf einer anderthalb Kilometer langen Strecke zwischen zwei Terminals. Was nach wenig klingt, relativiert sich beim Blick auf den regen Verkehr am Airport. Allein die Haltestelle des autonomen Busses passieren täglich 2600 Fahrzeuge, hauptsächlich Lkw und Frachtschlepper. Ziel war es herauszufinden, wie sich autonomes Fahren auf die Verkehrssicherheit auswirkt und wie sich die Logistik auf dem Flughafengelände besser planen lässt. Größere Zwischenfälle gab es nicht, doch der Begleiter des Roboterbusses musste ein paar Mal eingreifen, wenn das GPS-Signal ausfiel oder ein Falschparker den Bus aus dem Konzept brachte. Er blieb dann einfach stehen.

Noch ist die Technik unausgereift: Beim kleinsten Hindernis bleibt der Roboterbus einfach stehen

Das Gleiche ließ sich in der bayerischen Landeshauptstadt beobachten, wo im Oktober 2017 die Münchner Verkehrsgesellschaft drei Tage einen autonomen Bus testete. Beim kleinsten Hindernis blieb er stehen. Selbständig ausweichen konnte das Fahrzeug des französischen Herstellers Navya nicht. In München einsetzbar wäre er laut Experten erst in zehn Jahren. Deutlich früher könnte der Plan des Versicherers R+V aufgehen, der zwei seiner Filialen in Wiesbaden mit einem Roboterfahrzeug verbinden möchte; das Projekt soll bis Sommer genehmigt werden. Und auf Sylt könnte bis Herbst ein autonomer Bus Lücken im Verkehrsnetz schließen, etwa zwischen abgelegenen Dörfern zur nächsten Bus- oder Bahnstation. Die Sylter Verkehrsgesellschaft erhofft sich so Erkenntnisse für den automatisierten Verkehr in ländlichen Gebieten. Eine konkrete Teststrecke gibt es bislang noch nicht.

Letztlich soll das autonome Fahren nicht nur den öffentlichen Nahverkehr revolutionieren. Auch die Autoindustrie forscht daran, dass ihre Fahrzeuge in naher Zukunft ohne menschliche Kontrolle auskommen. Dazu müssen die neuen Techniken unter Realbedingungen erprobt werden. Eine der bekanntesten Strecken ist der Abschnitt zwischen Nürnberg und München auf der A 9. Seit 2015 testen hier Unternehmen wie die Telekom und Nokia. Audi engagiert sich gleich in sechs Projekten, zu denen unter anderem die Vermessung der Abschnitte der Autobahn, die Vernetzung mit Verkehrsanzeigen oder die Datenübertragung zwischen den Fahrzeugen mittels Mobilfunkstandard LTE gehören.

Die anspruchsvollste Teststrecke plant indes die Stadt Düsseldorf. Auf Teilstücken der A 44, der A 52 und der A 57 sowie im Stadtverkehr und auf Landstraßen sollen die selbstfahrenden Autos Daten und Erfahrungen sammeln. Sogar ein Parkhaus umfasst der Parcours, in dem die Autos automatisch ihren Stellplatz finden sollen. Zwölf Partner der Stadt beteiligen sich an dem Projekt, darunter Firmen wie Siemens und Vodafone, aber auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Im Juni soll der Betrieb mit fünf bis sechs Fahrzeugen starten, 750 Privatautos sollen zusätzlich mit Sensoren ausgerüstet werden, die Daten sammeln und den Straßenraum digital abbilden.

Ein weiteres Testfeld errichtet Niedersachsen: Von Ende 2018 an sollen dort Firmen autonome Fahrzeuge erproben - auf einer Strecke von bis zu 280 Kilometern Länge, darunter Abschnitte auf der A 2, A 7 und A 39 sowie auf Bundes- und Landstraßen rund um Hannover, Braunschweig, Wolfsburg und Salzgitter. Die erste Phase startete im Oktober 2017. Mobile Masten wurden aufgestellt, um Verkehrsdaten zu erfassen. Interesse bekundet haben VW, Continental, Siemens, der ADAC und das DLR. Ihre Erkenntnisse fließen in Produktion zukünftiger Autos ein, die heute bereits Sicherheits- und Assistenzsysteme anbieten, die erahnen lassen, wie sich das autonome Fahren in der Praxis anfühlen wird. Unfehlbar sind sie allerdings nicht. Der Mensch als Kontrollinstanz ist noch immer unersetzlich. Lange dürfte das aber nicht mehr so bleiben.

© SZ vom 14.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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