Containerschifffahrt:Kisten-Schlacht

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400 Meter lang, Platz für 18.000 Container: Die nächste Frachtschiff-Generation stellt so manchen Hafen vor Probleme.

Daniel Hautmann

Surrend saust der Greifer in den Schiffsbauch, schnappt sich tief unten einen Container - und schon geht es wieder rauf. Dann fährt die Containerbrücke zurück und stellt die 15 Tonnen schwere Kiste auf dem Hafengelände ab. Etwa zwei Minuten dauert so ein Move, wie es im Fachjargon heißt. 35 Moves pro Stunde sind das Soll, 40 sind besser. Denn Zeit ist Geld. Das ist auch in Hamburg, Deutschlands größtem Seehafen, die Devise. Dort wurden 2010 fast acht Millionen Standardcontainer umgeschlagen.

Das Containerschiff Edith Maersk der Reederei Maersk Line. Die Containerschiffe werden immer gewaltiger und stellen viele Häfen vor große Probleme. (Foto: dpa)

Container haben die Welt verändert. Um 15 Tonnen Kaffee zu entladen, schleppten früher unzählige Männer tagelang Säcke. Heute krallt sich eine Containerbrücke 15 Tonnen auf einmal. Und 15.000 Standardcontainer (TEU) - jeder sechs Meter lang, 2,50 Meter breit und ebenso hoch - schultern Frachter wie die Emma Maersk, die derzeit noch zu den größten Containerschiffen der Welt zählt. Auf ihr stehen die Kisten unter Deck elf Lagen hoch, mehr geht nicht - die unterste Box verkraftet maximal 192 Tonnen. An Deck, auf einem Zwischenboden stehend, türmen sich nochmals neun Lagen übereinander, nebeneinander passen 15 Reihen. Doch selbst das genügt manchem Reeder nicht mehr.

Im kommenden Jahr sollen deshalb die ersten Schiffe der sogenannten Triple-E-Klasse in See stechen: 400 Meter lang, 59 Meter breit, 73 Meter hoch und mit Platz für bis zu 18.000 TEU in 18 Reihen. Vieles an den Megaschiffen wird neu sein. Die Kommandobrücke wird weit nach vorn verlegt - so können die Container auf dem Schiff höher gestapelt werden, ohne der Schiffsführung die Sicht zu nehmen. Das Maschinenhaus hingegen bleibt achtern, um die Entfernung zwischen Motor und Schiffsschraube möglichst gering zu halten.

Und erstmals werden zwei Motoren arbeiten: Jeder wird 43.000 PS an eine eigene Antriebswelle geben und einen Propeller antreiben. Der Vorteil: langsam drehende Motoren verbrauchen weniger Treibstoff. Doch je geringer die Drehzahl, desto größer muss der Propeller sein, um den nötigen Schub ins Wasser zu bringen. Eine zu große Schraube aber würde enormen Tiefgang bedeuten. Deshalb hat die Triple-E-Klasse zwei kleinere Propeller.

"Der Zweischrauber mit Doppelheck ist effizienter, aber auch etwas teurer", sagt Jan Olaf Probst, Bereichsleiter Schiffsneubau beim Germanischen Lloyd. Preistreiber seien vor allem die vielen gebogenen Stahlplatten im Heckbereich, die zusätzliche Welle und der zweite Propeller. Rund 200 Millionen Euro, so schätzen Experten, kostet einer dieser Containerriesen. Gleich zehn Exemplare hat die dänische Reederei Maerks Line geordert. Die Dänen versprechen sich wirtschaftliche Vorteile: Die Kosten pro transportiertem Container sollen im Vergleich zur Emma-Maersk-Klasse um bis zu fünf Prozent sinken.

Doch so effizient die Giganten auch sein werden, an die Logistikkette stellen sie enorme Anforderungen. So passen die Schiffe gerade noch durch den Suezkanal, Panama- und Nord-Ostsee-Kanal werden tabu sein. Eng wird es auch in den Häfen. Fachleute rechnen damit, dass mit dem Anlaufen eines so großen Schiffes bis zu 6000 Containerbewegungen auf einmal ausgelöst werden - binnen weniger Stunden.

"Ziel der Reeder ist es, diese Schiffe ebenso schnell abzufertigen wie die heutige Generation. Das verlangt nach besserer Logistik", sagt Carlos Jahn, Leiter des Fraunhofer Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen in Hamburg-Harburg. Was vor allem gebraucht wird, sind leistungsstarke und weit auslegende Containerbrücken, die mit bis zu 60 Meter Schiffsbreite umgehen können; die meisten haben derzeit nur 56 Meter Auslage. Und: Es gibt bereits Terminals mit Multibrücken, die bis zu vier Container gleichzeitig heben können.

Doch Schnelligkeit ist nicht alles. Die vom Schiff kommenden Containermassen müssen an Land zwischengelagert werden, gleichzeitig benötigen auch die auf den Export wartenden Kisten Stellfläche. Hierzu gibt es zwei Systeme: Box und Portal. In der sogenannten Box stehen maximal drei Container übereinander - höher können die Spezialfahrzeuge die Kisten nicht stapeln. Damit die auf Stelzen fahrenden Transporter an die Container kommen, müssen die einzelnen Reihen zudem mit großem Abstand aufgestellt werden. Das raubt Platz.

Bei der Portalvariante dagegen werden die Container von großen Kransystemen bewegt. Sie können bis zu fünf Lagen übereinander stapeln, der Abstand von Reihe zu Reihe beträgt nur noch rund 40 Zentimeter. So können auf gleichem Raum viel mehr Boxen abgestellt werden, weshalb diese Lagerart zunehmend favorisiert wird.

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Ein weiteres Problem ist, dass ein Lager, in dem Tausende Container darauf warten, in alle Welt verteilt zu werden, nicht ganz einfach zu überblicken ist. Die bunten Boxen müssen schließlich so auf die Schiffe gebracht werden, dass sie während der Reise in den Folgehäfen nach und nach ausgeladen werden können, ohne vorher andere Container an Bord bewegen zu müssen.

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Gleichzeitig müssen die Disponenten darauf achten, dass die Frachter ausgewogen beladen sind, um Schlagseite zu vermeiden. Zudem müssen Gefahrstoff-Container gleichmäßig über das Schiff verteilt werden, die Kühlcontainer - auf einem so großen Pott bis zu 2000 - brauchen einen Stromanschluss. Und gehen in einem Hafen 2800 Kisten von Bord, aber nur 1320 kommen neu hinzu, muss der Trimm noch immer stimmen. Das ist keine leichte Aufgabe.

Und dann müssen die Kisten ja auch noch zum Hafen, respektive von ihm weggebracht werden. "Für Hamburger Reeder ist ganz Europa Hinterland", sagt Carlos Jahn. Das bedeutet: Von der Hansestadt aus werden Container bis nach Reykjavík, Oslo, Moskau oder Prag verfrachtet. Der Großteil reist per Lkw weiter, Staus im Hamburger Hafen sind deshalb schon heute Alltag. Auf der Schiene kommt oder geht nur etwa ein Drittel.

Am effizientesten ist das Verfrachten mit Hilfe von Feederschiffen - so heißen die kleinen Frachter, die die Kisten verteilen. Sie pendeln beispielsweise zwischen Hamburg und den Ostseehäfen; wöchentlich werden 150 Abfahrten registriert. Und auch diese Schiffe müssen, stehen die Megafrachter erst einmal im Dienst, immer mehr Fracht bewegen und werden deshalb immer größer.

Aber um die Schiffe mit bis zu 18.000 Containern künftig überhaupt be- und entladen zu können, müssen sie erst einmal im Hafen ankommen. Denn je größer die Schiffe, desto größer ist meist auch ihr Tiefgang - soweit die Regel. Aber es gibt die Ausnahme. Denn während die Emma-Maersk-Klasse bei voller Beladung 16,5 Meter tief im Wasser liegt, werden die größeren Triple-E-Schiffe nur 14,5 Meter tief eintauchen, weil der breitere Rumpf mehr Auftrieb erzeugt.

Das ist auch nötig, um zum Beispiel nach Hamburg zu kommen. Denn die Elbe erlaubt maximal 15,1 Meter Tiefgang - und das auch nur mit der Flut. Im Hafen schließlich angekommen, müssen die großen Frachter mit Hilfe von Schleppern gedreht werden. "In Hamburg ist das aber nur an wenigen Stellen möglich", sagt Burkhard Lemper vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik.

Schon wenn die Queen Mary 2 Hamburg besucht, wird es eng - dabei ist das Kreuzfahrtschiff nur 345 Meter lang und damit um 55 Meter kürzer als die neuen Großcontainerschiffe. Aus all diesen Gründen befürchten die Hamburger, dass in Zukunft Teile des Containerumschlags in andere Häfen abwandern. Nach Wilhelmshaven etwa, wo 2012 der Jade-Weser-Port öffnet - ein von den Gezeiten unabhängiger Tiefwasserhafen mit Platz für vier der riesigen Containerschiffe.

Werden selbst die Triple-E-Schiffe in den nächsten Jahren im Schatten noch größerer Pötte stehen? Jan Olaf Probst: "Vor ein paar Jahren hätte ich das noch verneint." Heute weiß er es besser. Denn sowohl beim Germanischen Lloyd als auch an der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt wurden bereits Tests mit 22.000-TEU-Schiffen durchgeführt. Fazit: machbar.

© SZ vom 16.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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