Der neue BMW X5 gehört längst zum Straßenbild. Trotzdem haben die Maskenbildner den schwarzen Versuchsträger hier und dort abgeklebt. Dabei genügt schon ein Blick auf den linken vorderen Kotflügel mit der Abdeckklappe für den Ladestecker, um zu erahnen, dass hier ein ganz besonderer SUV vor uns steht. Die provisorische Tarnung findet im Innenraum ihre Fortsetzung. Nicht nur die Hybrid-Schriftzüge sind übermalt, sogar den eDrive-Taster vor dem Fahrerlebnisschalter hat man unkenntlich gemacht.
Zur plakativen Geheimniskrämerei passt die Vorläufigkeit der technischen Daten. Die Systemleistung beträgt ungefähr 306 PS, emittiert werden circa 89 g/km CO₂, die elektrische Reichweite liegt bei 30 km. Schon zu viel verraten? Vielleicht deshalb bleiben die Fragen nach dem Gewicht (knapp 2300 Kilo), dem Verkaufsbeginn (zweite Hälfte 2015) und dem Preis (geschätzt 65 000 Euro) auch im dritten Anlauf unbeantwortet. BMW will sich eben von der Konkurrenz nur ungern in die Karten schauen lassen, denn auch Audi und Mercedes stehen kurz vor der Einpreisung der ersten Plug-in-Hybride (PHEV).
Die Kraft der zwei Herzen
Anders als beim Full Hybrid setzt BMW beim PHEV nicht auf den Sechszylinder (Ausnahme Siebener), sondern auf einen 2,0-Liter-Vierzylinder-Benzinmotor. Die Leistungsangabe von 245 PS passt ins gängige Raster, auch das maximale Drehmoment liegt mit 350 Nm auf dem Niveau des BMW 328i. Der kompakte E-Motor vor dem Getriebe mit rund 95 PS schnurrt im Sandwich zwischen Verbrenner und Achtstufenautomatik, die Lithium-Ionen-Batterien sitzen in der Mehrzahl auf dem Hinterachsträger - all das bei unverändertem Platzangebot, der Hochboden-Matrix sei Dank. Das systemische Drehmoment liegt voraussichtlich bei 500 Nm.
Der X5 eDrive soll in 6,5 Sekunden fast so engagiert von 0-100 km/h beschleunigen wie ein X5 35i, der im geschönten Durchschnitt allerdings 8,5 Liter Super konsumiert. Der ebenfalls praxisfremde Normverbrauch des PHEV-Pendants beträgt 3,8 Liter. Um diesen Wert auch nur annähernd zu erreichen, müsste man ständig im Eco-Pro-Modus unterwegs sein, jede Möglichkeit zum Segeln nutzen und das Gaspedal wie ein rohes Ei behandeln. Wer den strammen E-Boost-Effekt genießt und den Verbrenner bewusst in die meisten Fahrmanöver einbezieht, der kann dabei zusehen, wie die Reichweitenanzeige rückwärts zählt und die Ladezustandssäule in sich zusammenfällt. Keine Frage: Auch ein PHEV braucht Zuwendung, Einfühlungsvermögen, Verständnis.
Der X5 eDrive ist kein typisches Sturm-oder-Drang-Auto, sondern ein ziemlich souveräner Mittler zwischen den beiden Antriebswelten. Vor allem das Ablegen und wieder Einblenden des Verbrenners absolviert das System mit hoher Professionalität und mithilfe eines geräuscharmen Zahnriemenstarters. Oft klärt erst ein Blick auf den Drehzahlmesser, ob gerade Volt oder Oktan an der Arbeit sind.
Komplex und noch nicht in allen Details stimmig wirkt die Betriebsstrategie in den drei wählbaren Modi. Eco Pro steht eindeutig in Diensten der Effizienz - Kick-down ist möglich, Boosten dagegen nicht. Wer durchgängig stromern möchte, muss die Max-eDrive-Taste drücken. Über die gleiche Taste wird der Save Battery Modus gesteuert, der eine bestimmte elektrische Restreichweite garantiert, zum Beispiel für ein Ziel, das in einer zufahrtbeschränkten Zone liegt. Im Comfort-Programm ist der X5 in Abhängigkeit vom Fahrstil rein elektrisch oder hybridisch unterwegs. Erst im Sportprogramm sind beide Antriebe dauerhaft im Einsatz.
Fragen über Fragen
Das alles klingt logisch, lässt aber trotzdem Fragen offen. Warum darf in Comfort und Sport nicht gesegelt werden? Warum kann der Fahrer den Verbrenner nicht aktiv ablegen, zum Beispiel durch gleichzeitiges Ziehen beider Schaltpaddel? Warum lässt sich die Rekuperation nicht aktiv beeinflussen? Warum wird die Vor-Auswahl der Modi über den Fahrerlebnisschalter nicht stärker durch eine intuitive situationsbestimmte Einflussnahme über das Fahrpedal unterstützt?
Vier Runden auf dem Handlingkurs des BMW-Testgeländes in Miramas reichen einerseits nicht aus, um die weiß-blaue PHEV-Philosophie auch nur ansatzweise zu verinnerlichen, geschweige denn sie auf ihre Kompatibilität mit der Marke zu überprüfen. Das erste Kennenlernen genügt bestenfalls für ein paar Notizen im Stenogrammstil. Das Anfahrmoment wirkt demnach im X5 eDrive weit weniger fulminant als im deutlich schwächeren i3. Rein elektrisch kommt der schwere Wagen nämlich zuerst mit leichter Verzögerung und selbst in der Folge eher nonchalant in die Gänge, beim deutlich hurtigeren dualen Vollgas-Ampelstart führt sich das grüne Hybridkonzept dagegen selbst ad absurdum. Im E-Programm sind theoretisch 120 km/h möglich, doch wir haben schon bei 70 km/h mit schöner Regelmäßigkeit vor lauter Ungeduld den Kick-down-Druckpunkt übertreten, was zur Folge hat, dass die Effizienz ausnahmsweise der Dynamik den Vortritt lassen muss.
Vier Runden durch das französische Kurvengeschlängel sind andererseits lang genug, um den Verbrauch laut Bordcomputer auf einen hohen einstelligen Wert zu treiben und den Ladezustand der Batterie gleichzeitig von 100 auf 57 Prozent einzudampfen. Bleibt nur zu hoffen, dass im wirklichen Leben ohne extreme Beschleunigungs- und Bremsphasen die zwei Antriebsquellen ihre Momente eleganter koordinieren.