BMW F 800 GS / F 650 GS:Clever eingeparkt

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Mit der F 800 GS füllt BMW die von Honda verlassene Africa-Twin-Nische und schickt zudem die F 650 GS auf die Straße.

Ulf Böhringer

Ausgeprägtes Offroad-Talent, gute Reisequalitäten, dazu ein kräftiger und kompakter Zweizylinder - ein erfolgversprechendes Rezept, dass Honda 1988 mit der Africa Twin umgesetzt hatte. Zwölf Jahre boten die Japaner so eine echte Alternative für diejenigen, die keine Lust auf BMW hatten.

BMWs Reiseenduro fährt in die Nische, die Honda hinterlassen hat. (Foto: Foto: BMW)

Die Africa Twin von BMW

Im Jahr 2000 kam das Ende der Africa Twin - und als wäre es ein Treppenwitz der (Motorrad-)Geschichte, besetzen jetzt ausgerechnet die Münchner die beliebte Nische neu. F 800 GS nennt sich das jüngste BMW-Modell und die wenigstens 9640 Euro teure Reiseenduro kann für sich beanspruchen, in dieser Ecke des Marktes ganz allein zu sein: 798 Kubik, 76 kW (85 PS), 207 Kilo und vieles mehr, was offroad und auf dem Asphalt freut, sind die Merkmale dieses neuen Bikes.

Mit den vor knapp zwei Jahren vorgestellten Modellen F 800 S und F 800 ST, deren bisherige Verkaufszahlen ganz und gar nicht den Erwartungen entsprechen, hat die GS nur wenig gemein. Und trotz des identischen Hubraums und der gleichen Leistung unterscheidet sich sogar der von Rotax zugelieferte Motor: Die Zylinder stehen zugunsten verbesserter Offroad-Eignung steiler, die Nockenwellen optimieren die Kraft im unteren Drehzahlbereich.

Statt eines Alurahmens kommt ein stabiles und leichtes Gitterrohr zum Einsatz; das 21 Zoll große Vorderrad wird von einer mächtigen Upside-down-Gabel geführt. Die nur mäßig breit dimensionierten Pneus werden auf Speichenräder aufgezogen, die vergleichsweise üppige Zuladung von 236 Kilo ermöglicht großes Gepäck. Dass der Tank mit mageren 16 Liter Fassungsvermögen nicht eben expeditionsgerecht ist, stellt wirklich nur bei extremen Touren ein Problem dar - in der Praxis ermöglicht der Verbrauch von knapp fünf Liter Super 300 Kilometer Strecke.

Die F 650 GS ist die deutliche straßenorientiertere Version von BMWs Reiseenduro. (Foto: Foto: BMW)

Viele gute Detaillösungen

Den guten Eindruck verstärken auch zahlreiche kleine Details, die sich bei der F 800 GS finden; dazu gehört das wirkungsvolle Windschild, ebenso die funktionale Gepäcklösung. Beachtenswert ist auch die Platzierung des Zündschlosses - es wurde auf das vordere Ende des Tanks verlegt, um den Lenkeinschlag nicht zu beeinträchtigen.

Schade dagegen ist, dass ausgerechnet so etwas eigentlich Simples wie der Seitenständer Probleme macht. Für das sichere Ausklappen ist ungewöhnlich viel Konzentration und Kraft vonnöten - "zu wenig Platz für eine bessere Lösung", heißt es bei BMW. Und: Wie sich die im vorderen Bereich sehr schmale Sitzbank bei Langstreckentouren bewährt, wird sich erst auf langen Praxiskilometer wirklich zeigen.

So gibt die 800 GS sowohl auf und abseits der Straße eine vorzügliche Figur ab; Fahrwerk, Triebwerk und Bremsen lassen keine Wünsche offen. Auch wenn es den treuen Freunden der Africa Twin weh tun wird: Den BMW-Ingenieuren ist ein souveränes und leicht zu handhabendes Motorrad gelungen, das bis ins Detail sehr gut abgestimmt ist. Eines muss man klar sagen: Ein solches Bike hätte Honda auch zustande gebracht, wenn man denn dort nur gewollt hätte. Weil ein Markenwechsel, wie man immer wieder hört, für viele Honda-Fahrer ein Sakrileg bleibt, müssen jene, für die eine BMW niemals gut genug sein kann, nun weiter mit den alternden Africa Twins unterwegs sein, denen zudem die Ersatzteile ausgehen.

Parallel zur F 800 GS kommt die deutlich straßenorientiertere Version namens F 650 GS - und auch die zu einem fairen Preis. 7800 Euro, zuzüglich 710 Euro fürs ABS, sind aufgerufen; im Vergleich mit den japanischen Wettbewerbermodellen Honda Transalp, Kawasaki Versys oder Suzuki 650 V-Strom entspricht das einem etwa zehnprozentigen Aufschlag.

Mehr Drehmoment aus größerem Hubraum

Dafür bietet die BMW auch mehr: Mit 52 kW (71 PS) mehr Leistung als die anderen, die zwischen 60 und 64 PS liegen, dazu mehr Drehmoment aus größerem Hubraum. Hintergrund ist, dass die Modellbezeichnung in die Irre führt, da das Hubvolumen des Zweizylinder-Paralleltwinmotors tatsächlich 798 Kubikzentimeter misst. Der Trick: Mit der Beibehaltung des Namens will man nahtlos an die sehr erfolgreiche Geschichte der bisher einzylindrigen F 650 GS anknüpfen; die Hemmschwelle für potentielle Kunden soll möglichst niedrig gehalten werden. Und weil auch die Sitzhöhe der 199 Kilo leichten 650 bis hinunter auf 765 Millimeter reduzierbar ist, dürfen sich all jene auch weiterhin angesprochen fühlen, die schon bisher mit der kleinsten GS gut zurecht kamen.

Zwei neue Motorräder also, die die GS-Familie auf interessante Weise ausbauen - und doch ganz unterschiedliche Aufgaben vor sich haben. Denn während sich die F 650 GS in einem mit beliebten Bikes bereits gut bestückten Marktsegment erst behaupten muss, ist die F 800 GS in der einst von Honda leichtfertig verlassenen Nische ganz allein.

© SZ vom 23.02.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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