Blech der Woche (55): Austin 3 litre:Wenn maxi nicht reicht

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Austin wollte im automobilen Oberhaus ein Wörtchen mitreden und präsentierte 1968 den Austin 3 litre. Es blieb bei einem Wörtchen - den großen Engländer wollte kaum jemand.

In der Serie "Blech der Woche" stellt die Redaktion von sueddeutsche.de Old- und Youngtimer vor - frei nach den Motti: Alte Liebe rostet nicht, oder: Liebe geht durch den Wagen. Schließlich ist die Beziehung von Mensch und Maschine eine unendliche Geschichte voller Leidenschaften.

Nicht einmal 10.000 Exemplare wurden gebaut: Austin 3 litre (Foto: Foto: Carsablanca)

Bei Austin fällt einem spontan der Mini ein, als Kontrapunkt eventuell noch der Maxi. Alexander Boucke ( threelitre) aber besitzt einen Austin, gegen den sich auch ein Maxi ziemlich mini ausnimmt. Man nehme die Fahrgastzelle des Austin 1800 mit samt Türen, lasse bei Farina ein längeres Heck und eine andere Front entwerfen, implantiere einen Sechszylindermotor und versehe den Wagen mit Heckantrieb. Schließlich garniere man das Ganze mit Kunstledersitzen und einem hydrolastischen Fahrwerk.

So ähnlich dürfte das Lastenheft ausgesehen haben, nach dessen Verwirklichung es 1968 zur Präsentation des Austin 3 Litre kam. Doch der Markt goutierte diese Mischung nicht: Nach drei Jahren und nicht einmal 10.000 gebauten Exemplaren war Schluss, einen Nachfolger gab es nicht. Zwei der seltenen Fahrzeuge nennt Alexander Boucke sein eigen.

"Der Blaue kam als zweiter zu mir", berichtet der Mann mit dem Faible für britische Automobile. "Das war im Frühjahr 1999. Ein Jahr zuvor hatte ich bereits ein rotes Exemplar dieser Baureihe erworben - das im Übrigen bis heute der Restaurierung harrt. Aber als ich erfuhr, dass dieser hier einen neuwertigen Innenraum habe und darüber hinaus ein Linkslenker sein sollte, war mein Interesse erwacht. Bis dahin wusste ich nicht einmal, dass es links gelenkte Exemplare überhaupt gegeben hatte." Boucke überredete den Verkäufer, mit dem Wagen bei ihm vorbei zu kommen - und griff zu.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der blaue Brite bereits einiges hinter sich - von einem schweren Unfall bis hin zu fast 15 Jahren Garagenschlaf. Aber lassen wir Alexander Boucke, dessen Familie schon seit der Elterngeneration ein Herz für britische Autos hat, der Reihe nach erzählen: Dass es ihn überhaupt gibt ist schon interessant genug - von 9992 gebauten 3 litre insgesamt wurden gerade einmal 54 mit Linkslenkung gebaut, davon zwei für den deutschen Markt.

Blech der Woche (55): Austin 3 litre
:Wenn maxi nicht reicht

Austin wollte im automobilen Oberhaus ein Wörtchen mitreden und präsentierte 1968 den Austin 3 litre. Es blieb bei einem Wörtchen - den großen Engländer wollte kaum jemand.

Die beiden "deutschen" Autos waren exakt in der gleichen Ausführung gebaut - Blue Royale mit heizbarer Heckscheibe, Sicherheitsgurten und Radio ab Werk. Meiner, der erste, wurde an einen hohen Luftwaffenoffizier der Britischen Streitkräfte in Berlin verkauft. Vermutlich als Privatwagen, da Lieferungen ans Verteidigungsministerium bei der Herstellung dokumentiert wurden und das bei meinem nicht der Fall war.

Blech der Woche (54): Fiberfab Sherpa
:Mehari auf deutsch

Weil Citroëns Mehari in Deutschland nicht zugelassen werden durfte, produzierte Fiberfab in Heilbronn ein ganz ähnliches Tretboot auf Rädern. Oliver Zeller besitzt einen der seltenen Sherpas.

Jedenfalls ist das Auto auf der Überführungsreise nach Berlin in der Nähe von Helmstedt in einen schweren Unfall verwickelt worden, mit rund 2000 Kilometern auf der Uhr. Der Besitzer hat das über die Versicherung abwickeln lassen und sich einen neuen bestellt, in identischer Ausführung. Der Werkstattbesitzer, in dessen Garage das Auto abgestellt war, hat den Unfallwagen dann der Versicherung abgekauft.

1971, etwa zwei Jahre später, hatte er es dann repariert - bei weitem nicht perfekt - und zugelassen, bis er ihn 1985 abgemeldet und wegstellt hat. Die eher schlechte Lackierung und Spuren des Unfalls am Heck sind immer noch deutlich zu sehen. "Sie werden von mir aber auch nicht beseitigt, da ich beides für wesentliche Spuren der Geschichte dieses speziellen Autos halte. Letztendlich denke ich, dass es den Wagen ohne den Unfall jetzt wohl nicht mehr geben würde", so Boucke.

Bis er den Wagen erstmals mit seinem Sammlerkennzeichen bewegte, vergingen fast zwei Jahre, was nach Aussage von Alexander Boucke aber mehr an Zeitmangel als am Zustand des Wagens lag. "Zu tun war wenig: eine lecke Wasserpumpe, eine defekte Manschette am Hauptbremszylinder und ein Blick auf die Bremsen hinten. Angesichts der Stilllegung 1985 erschien mir das sicherer."

Seitdem hat der studierte Mathematiker, der die Beschäftigung mit altem britischem Blech als Ausgleich zu seiner sehr theoriebezogenen beruflichen Tätigkeit sieht, dem Tachostand von 40.000 Kilometern bei Kauf weitere gut 10.000 hinzu addiert, die meisten davon auf Fahrten zu einschlägigen Veranstaltungen, nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Niederlanden und in der britischen Heimat des großen Austin.

Dort war es auch, als dem Wagen eine besondere Ehre zu Teil wurde: Die Reise nach Birmingham/Longbridge zur 100-Jahr-Feier der Marke Austin im Jahr 2005 (der Nachfolger Rover war da schon pleite) war die bisherige Krone seiner Karriere. Der dicke Blaue durfte dort die 3-litre-Baureihe in der Parade aller gefertigten Austin-Modelle repräsentieren.

Austin 3 litre: Bauzeit 1968-1972; Zylinder: 6; Hubraum: 2912 ccm; Leistung: 129 PS; Höchstgeschwindigkeit 160 km/h; Verbrauch: ca. 14-18 Liter/100 km

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