Automobilunternehmen:Große Fragen in Genf

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Auf den ersten Blick wirkt in Genf alles so wie immer. Doch nicht nur der technologische Wandel, sondern auch die politische Weltlage beschäftigt die Branche zurzeit. (Foto: Uli Deck/dpa)

Trump, Brexit, Diesel, Opel - auf dem Genfer Autosalon geht es längst nicht nur um Autos. Vielmehr beschäftigt die Branche, wie sie mit den vielen politischen Unwägbarkeiten umgehen soll, die sich für die nächsten Jahre abzeichnen.

Von Peter Fahrenholz

Kaum eine andere Branche versteht sich so gut auf die Selbstinszenierung wie die Autoindustrie. Das gilt für die technisch immens aufwendigen Werbefilme. Und das gilt natürlich auch für die Automessen, wo die Objekte der Begierde nicht nur aus der Ferne bestaunt, sondern ganz hautnah erlebt werden können. Da sorgt dann ein Heer dienstbarer Geister mit ihren Staubwedeln und Sprühflaschen dafür, dass kein Fingerabdruck den Hochglanz trüben kann. Auch auf dem aktuellen Genfer Autosalon, der nach zwei Pressetagen seit Donnerstag bis zum 19. März für das Publikum geöffnet ist, wird das nicht anders sein, inklusive der offenbar unvermeidlichen knapp bekleideten Hostessen. An den Pressetagen hat auf den ersten Blick alles so gewirkt wie immer: Die Präsentationen der Neuheiten reihen sich im Viertelstundentakt aneinander, angekündigt durch überlaute Musik, Tücher werden von den Fahrzeugen gezogen (bei Volvo sind es diesmal sogar zeltartige Hauben, die plötzlich aufklappen), ein Blitzlichtgewitter setzt ein und nach der üblichen Selbstlobrede des jeweiligen Firmenvertreters wuseln dann Heerscharen von Reportern und Fotografen durch die Autos.

Doch der erste Eindruck täuscht. In Genf wird spürbar, dass nicht nur der rasante technologische Wandel, der die Mobilität in den nächsten Jahren radikal verändern wird, die Branche beschäftigt. Sondern die weltweit vernetzte Autoindustrie sich plötzlich mit politischen Risiken konfrontiert sieht, die überhaupt noch nicht abschätzbar sind. Der neue US-Präsident Donald Trump, der Brexit, die unsichere Zukunft des Diesels, alles Dinge, die gravierende Auswirkungen haben können. Oder auch nicht. Und dann ist da ja auch noch die Sache mit Opel.

Der neue Chef von Ford Deutschland, Gunnar Herrmann, bislang als Vizepräsident von Ford Europa für die Qualitätssicherung zuständig, ist da ein guter Gesprächspartner. Denn Ford ist gewissermaßen auf allen politisch heiklen Feldern involviert. Ein US-amerikanisches Unternehmen, global tätig, das die Motoren für seine europäischen Modelle größtenteils in Großbritannien baut. Und das von seinen deutschen Kunden trotzdem seit Jahrzehnten irgendwie als deutscher Hersteller wahrgenommen wird. Genau wie Opel, der jetzt unter französische Fuchtel gerät. Das eröffnet plötzlich ganz neue Perspektiven.

Welche Auswirkungen wird der Austritt der Briten haben? "Gute Frage", sagt der Ford-Chef

Ende Januar war Herrmann, frisch im neuen Amt, auf der Jahresversammlung des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) bestürmt worden. Kurz zuvor hatte der neue US-Präsident Trump die Vertreter der US-Autoindustrie zum Gespräch zitiert, und die Herren wirkten dabei nicht eben wie selbstbewusste Unternehmenslenker, sondern eher wie brave Schulbuben. Was er denn für Signale aus der Konzernzentrale habe, wurde Herrmann gefragt, aber der Deutsche konnte zu diesem Zeitpunkt auch nicht viel zur Aufklärung beitragen. In Genf präsentiert sich der Ford-Mann ein ganzes Stück entspannter, was vermutlich weniger mit Trump zusammenhängt, sondern eher mit der Gewissheit, dass die Konzernzentrale in den USA nicht den "America first"-Parolen folgt, sondern an der eigenen Agenda festhält. Ford habe 2008 angefangen, sich als globales Unternehmen aufzustellen, das jetzt plötzlich zurückzudrehen, "das geht gar nicht mehr". Ja klar, die Pläne für ein Werk in Mexiko seien beerdigt worden, aber das sei schon vor Trump entschieden worden. Das Timing sei allerdings "mehr als unglücklich" gewesen, gibt Herrmann zu.

Und was wird der Brexit mit Ford machen? "Gute Frage", antwortet Herrmann. Er habe in der Europa-Zentrale von Ford dafür plädiert, lieber mal von einem Worst-Case-Szenario auszugehen, weil dann am Ende alles nur besser werden könne. Ein Worst-Case-Szenario würde ungefähr so aussehen: Für die britischen Ford-Motoren, die in die Europa-Modelle eingebaut werden, müssten Einfuhrzölle gezahlt werden und für die Autos, die dann danach mit den Motoren nach England geliefert werden, müssten noch mal Einfuhrzölle gezahlt werden, diesmal von den Briten. "Das wäre das Schlimmste", sagt Herrmann, aber davon gehen sie bei Ford inzwischen nicht mehr aus. Man setzt auf den Pragmatismus der Briten, was vermutlich belastbarer ist, als auf den Pragmatismus von Trump zu setzen.

Und Opel? Da wirkt Herrmann so tiefenentspannt wie einer, der am Flussufer sitzt und in Ruhe warten kann, bis die Beute vorbei schwimmt. Klar sei da für Ford was möglich, sagt Herrmann. Das gilt auch für die Händler. Die Gerüchte über Abwanderungstendenzen zu Ford hat man in der Kölner Zentrale natürlich registriert. Wenn da jetzt einer anklopfe und das für Ford von Nutzen sei, "werden wir dem nicht die Tür weisen", sagt Herrmann.

© SZ vom 11.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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