Autoenthusiasten:Im Duft der Power

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Im britischen Goodwood treten die stärksten, schnellsten und teuersten Sport- und Rennwagen geballt auf. Doch das Geld der Autoindustrie nimmt dem "Festival of Speed" nach und nach seinen charmanten Charakter.

Von Thomas Harloff

Der Sommer zeigt sich warm und trocken in Südengland - so trocken, dass sich das Grün der Wiesen in ein Braun verfärbt. Doch besonders viel Grün ist vor dem Goodwood House in der Grafschaft West Sussex ohnehin nicht zu entdecken: Dicht an dicht sind hier einfach zu viele wertvolle Autos auf den Rasenflächen geparkt. Alte und neue, schnelle und langsame, schöne und nicht so schöne. Zwischen ihnen wimmelt es von Menschen, die meisten tragen Mützen und manche haben Hüte auf, um sich vor der Sonne zu schützen. Ohropax trägt kaum jemand. Dabei wäre das angebracht, schließlich dröhnt im Hintergrund alle paar Sekunden ein Sport- oder Rennwagen.

Oberhalb des Herrenhauses stehen endlose Reihen von Pavillons, in ihnen bunte Rennwagen aller Epochen und Rennserien. Hier wird geschraubt, gehämmert und gefachsimpelt, das Publikum kennt sich aus. Als ein Mechaniker den Motor eines Porsche aus den frühen Siebzigerjahren startet und warmlaufen lässt, bahnt sich der Abgasdunst seinen Weg aus dem Pavillon hinaus ins Freie. Das stört aber keinen, im Gegenteil. "The smell of power, and the smell of success", sagt ein Passant, um anschließend die Rennerfolge des Boliden aufzuzählen. Der Geruch von Kraft und Erfolg, er umweht die meisten Autos hier auf dem "Festival of Speed".

Klassisch schnell: ein Teilnehmer bei einem Rennen beim Goodwood-Festival. (Foto: Tristan Fewings/Getty)

Der Hausherr persönlich lädt jedes Jahr im Juli zu diesem Festival der Pferdestärken, Dezibel und qualmenden Reifen ein, am vergangenen Wochenende war es zum 25. Mal soweit. Charles Gordon-Lennox, Träger der Titel Duke of Richmond, Duke of Lennox und Duke of Gordon, ging es ursprünglich darum, die in der frühen Nachkriegszeit von seinem Großvater erbaute Bergrennstrecke wiederzubeleben. Und um Fahrzeuge, nicht Stehzeuge zu präsentieren: "Man muss Autos im Fahren sehen, muss sie hören und riechen und nicht einfach nur auf einem Messestand anschauen", sagte er mal in einem Interview. Autos und Prominente sollten nahbar sein, befand der Duke, und nicht in VIP-Zonen versteckt werden. Ein Erfolg war das Festival von Beginn an. Zum Start im Jahr 1993 rechnete er mit 2500 Gästen - und schon am ersten Tag standen morgens zehnmal so viele vor den Toren seines Anwesens. Heutzutage finden sich an den vier Festivaltagen bis zu 200 000 Menschen ein.

Längst kooperiert der Herzog eng mit Autoindustrie und Sponsoren. Auf den Bannern neben dem Haupteingang finden sich Logos von 38 Firmen. Das Festival of Speed ist nicht mehr nur das Treffen britischer Motorsportenthusiasten, die die heimische Autoindustrie und Rennsportszene feiern. Es ist ein durchkommerzialisiertes Event, ausgerichtet auf Show und Prestige. Autohersteller sonnen sich im Glanz des Festivals, einige werden mit unterschriebenen Kaufverträgen in die Firmenzentrale zurückkehren. In Goodwood finden sie ein Publikum, das wohlhabend genug ist, um die teuren Preziosen direkt vom Hügel in die eigene Garage zu fahren.

Goodwood ist ein Festival der Pferdestärken, Dezibel und qualmenden Reifen. (Foto: Tristan Fewings/Getty)

Natürlich ist auch die britische Luxusmarke McLaren aus dem nur 40 Meilen entfernten Woking in Goodwood vertreten. Dort, am südwestlichen Stadtrand Londons, entstehen im verglasten monumentalen Entwicklungszentrum und in der benachbarten Produktionshalle etwa 4500 Sportwagen pro Jahr. Der derzeit stärkste Vertreter der gewiss nicht an Leistungsmangel leidenden McLaren-Modellpalette ist der 720S. Auf den holprigen und schmalen, aber wunderbar idyllischen B-Roads zeigt der Zweisitzer, welch präzises Kurvenskalpell er ist. Wer mit diesem Auto nicht die Ideallinie trifft, ist selber schuld. Und wer damit zu spät kommt, ist definitiv zu spät losgefahren. Am 720 PS starken Vierliter-Biturbo-V8 kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Ehrlicherweise ist dieses - in der Basisausstattung - etwa 250 000 Euro teure - Supercar hier völlig verschenkt; sein Potenzial lässt sich nur ankratzen. Der McLaren 720S gehört auf eine Rennstrecke, und sein Fahrer sollte seine eigenen Fähigkeiten optimiert haben, um ihn in Schach zu halten.

Der Herzog aus Südengland räumt McLaren eine Sonderstellung ein. Während andere Hersteller am Fuße der Bergstrecke dicht gedrängt zwischen den Wettbewerbern um Aufmerksamkeit konkurrieren, darf sich die Schmiede aus Woking weiter oben präsentieren, hinter dem größten Haus am Platze. Dieses Privileg nutzt McLaren, um neue Autos zu zeigen. Diesmal den 600LT, eine in Gewicht, Leistung und Fahrdynamik optimierte Sonderversion der unter dem 720S angesiedelten Modellreihe. Als das mindestens 230 000 Euro teure, auf eine bisher unbekannte Anzahl limitierte Coupé in Goodwood enthüllt wird und den Berg hinauffährt, sitzt der Duke interessiert auf der Tribüne.

Mittlerweile präsentieren sich in Goodwood viele Hersteller, in diesem Jahr zeigte Porsche eine Sternskulptur. (Foto: Paul Melbert; Thomas Harloff)

Dass das Festival of Speed für McLaren so wichtig ist und umgekehrt, hat noch einen anderen Grund. "Die Amerikaner haben die Detroit Motor Show, die Deutschen haben die IAA. Uns fehlt eine große Automesse in England, deshalb enthüllen wir wichtige Modelle in Goodwood", sagt McLaren-Sprecher Wayne Bruce.

Noch strahlender lässt der Duke aber seinen Hauptsponsor Porsche zu dessen 70-jährigem Jubiläum glänzen. Die Schwaben steuern die diesjährige Skulptur bei - ein weit in den Himmel ragender Stern, an dessen Spitzen diverse Porsche-Renner befestigt sind. Mehrfach nehmen röhrende Zuffenhausener Boliden auf der Kies-Zufahrt Aufstellung, während Hunderte Festivalbesucher Spalier stehen und danach ein Feuerwerk genießen. Hinzu kommen ein privates Dinner im Goodwood House, ein eigenes Fahrerlager und ein abgetrennter Catering-Bereich. Viel Ehre für den deutschen Sportwagenbauer, der sich dies einiges kosten lässt. Von einem zweistelligen Millionenbetrag ist die Rede.

Ob sich das Festival in die richtige Richtung entwickelt hat, ist unter den langjährigen Besuchern umstritten. "Es wurde größer und größer, vor allem dank der Hersteller. Dadurch gibt es mehr zu sehen heutzutage", sagt Keith Sherman. Er und sein Bruder John sind Goodwood-Fans der ersten Stunde und Mitglieder im Goodwood Road Racing Club. John Sherman hält das Programm dagegen für zu vollgestopft. Die früher üblichen Probefahrten über die Bergstrecke, für Jedermann und mit normalen Autos, seien nun nicht mehr möglich. "Früher gab es außerdem mehr klassische Autos, es ging eigentlich nur um das Bergrennen. Heute stehen fast nur noch neue Autos in den Schaufenstern."

Einen Tipp haben dann aber fast alle Besucher: "Kommen Sie doch im September wieder, zum Goodwood Revival." Da gebe es kaum Kommerz, dafür wunderschöne alte Autos, deren jüngste Vertreter etwa 60 Jahre alt sind, sowie Besitzer und Besucher, die sich in der Mode jener Epoche kleiden, aus der die Autos stammen. Der britischen Autokultur spürt man wohl besser dort nach. Doch auch das Festival of Speed fasziniert, nur auf eine andere, pompöse Weise. Der Geruch von Kraft und Erfolg, er umweht jede Ecke dieses Anwesens - und seinen Besitzer, den Duke of Richmond, Lennox und Gordon.

© SZ vom 21.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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