ADAC-Skandal und die Folgen:In der Vertrauenskrise

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Dem ADAC stehen harte Zeiten bevor: Die Deutschen sind von Institutionen des Verbraucherschutzes zunehmend enttäuscht. (Foto: REUTERS)

Der ADAC wurde der Täuschung überführt - und die Deutschen der schönen Vorstellung beraubt, dass sie wenigstens noch ihrem Autoklub vertrauen können. Die Bürger müssen zur Kenntnis nehmen, dass sie die Verantwortung für ihre Konsumentscheidungen nicht an Organisationen delegieren können.

Ein Kommentar von Karl-Heinz Büschemann

Die Deutschen sind um eine Illusion ärmer. Der ADAC, über 100 Jahre alte Autofahrerorganisation und Wohltäter pannengeplagter Menschen am Straßenrand, wurde der Täuschung überführt. Seitdem steht die Republik Kopf. In den Nachrichten verdrängte das ADAC-Debakel sogar die Staatskrise in der Ukraine auf hintere Plätze. In Talk-Runden reden sich Experten die Köpfe heiß, als stünde die Nation vor dem Untergang. Dabei hat nur ein selbstherrlich gewordener Autoklub ein paar Zahlen gefälscht. Kein Mensch ist zu Tode gekommen, niemand hat seine Gesundheit oder sein Vermögen verloren.

Und dennoch: Die Deutschen wurden der schönen Vorstellung beraubt, dass sie wenigstens noch ihrem Autoklub vertrauen können, wenn sie schon den Pfarrern, Managern und Politikern zunehmend kritisch gegenüber stehen. Sie sind geradezu maßlos empört, weil sich eine der letzten Instanzen, der sie vertrauten, als fehlbar erwies.

Die Deutschen haben ein merkwürdiges Verhältnis zu Autoritäten. Sie sind argwöhnisch und vertrauensselig zugleich. Sie mögen keine Zusammenballung von Macht in der Wirtschaft, doch gleichzeitig haben sie unbeschränktes Vertrauen zu anderen Quasi-Monopolen vor allem wenn sie dem Verbraucher- oder Umweltschutz dienen. Dann ist es vorbei mit der kritischen Vorsicht. Das ist erstaunlich.

Vor 40 Jahren: Tumbe Gasfußlobby gegen Tempolimit

Der ADAC gerät nicht zum ersten Mal in die Schlagzeilen. Schon vor 40 Jahren hat er sich mit dem idiotisch anmutenden Slogan "Freie Fahrt für freie Bürger" als tumbe Gasfuß-Lobby gegen ein Tempolimit auf den Autobahnen profiliert, der das Gemeinwohl egal ist. Die Stiftung Warentest, die seit fünf Jahrzehnten den Nimbus der Unfehlbarkeit kultiviert, hat Ärger mit dem Schokoladenhersteller Ritter-Sport, der mehr der Stiftung schadete als dem kritisierten Unternehmen. Der TÜV hat sich mit fehlerhaften Kontrollen bei der Herstellung von Silikon-Brustimplantaten blamiert. Die vermeintlichen Schutzpatrone der Verbraucher erweisen sich als zunehmend unzuverlässig.

Die boomende Test-Industrie mit ihren Prüfsiegeln und Qualitätszertifikaten hatte es zu einem tadellosen Ansehen gebracht. Die drei TÜV-Gesellschaften wie die Stiftung Warentest gehen bei vielen Bürgern als staatliche Einrichtungen durch. Sogar der ADAC wird als verlängerter Arm des Staates wahrgenommen, der nicht an den eigenen Vorteil denkt.

Weit gefehlt. Auch vermeintlich gemeinnützige Einrichtungen haben Interessen. Die drei TÜV-Gesellschaften sind Milliardenkonzerne in der Form von Aktiengesellschaften, deren Aufgabe es ist, Gewinn zu machen. Von Gemeinwohl keine Spur. Je mehr Prüfsiegel sie vergeben, desto besser für die TÜV-AGs. Ob den Menschen gedient ist, steht auf einem anderen Blatt.

Pünktlich zu Weihnachten: Hoher Giftanteil in Spielzeug

Die Stiftung Warentest lebt zum Teil von Steuergeld. Sie muss aber den größten Teil ihres Etats mit ihren Zeitschriften Test und Finanztest einspielen. Sie hat ein Interesse daran, wie andere Unternehmen auch, hin und wieder mit schrillen PR-Aktionen auf sich aufmerksam machen. Das könnte erklären, warum die quasi-staatlichen Verbraucherschützer fast regelmäßig vor Weihnachten den hohen Giftanteil von Holzspielzeug beklagen oder warum sie gelegentlich die Inhalte von Schulbüchern prüfen, um danach über katastrophale Mängel zu klagen. Das sorgt für mediale Aufmerksamkeit. An Autotests wagen sich die Berliner dagegen nicht heran. Zu teuer, sagen sie. Das überlassen die Gralshüter der Unabhängigkeit nach eigenen Angaben lieber dem ADAC. Dass der schon lange im Verdacht steht, eine Autolobby zu sein, scheint keine Rolle zu spielen.

Kein Zweifel. Verbraucherschutz muss sein, Testeinrichtungen und Konsumenteninformationen sind ein Grundbedürfnis der Gesellschaft , das auch vom Steuerzahler zu finanzieren ist. Die großen Verbraucherorganisationen haben viel zum Schutz der Käufer und zur Sicherheit im Verkehr beigetragen. Aber das Desaster beim ADAC zeigt, dass auch angesehene Organisation nicht deshalb unfehlbar sind, weil sie einer guten Sache dienen.

Die Bürger müssen zur Kenntnis nehmen, dass sie die Verantwortung für ihre Konsumentscheidungen nicht an Organisationen delegieren können, die schöne Qualitätszertifikate vergeben. Die sind bestenfalls ein Anhaltspunkt für Entscheidungen. Nur wenn die Verbraucher sich dieser Verantwortung bewusst sind und sie vor dem Kauf viele Informationen über ein Produkt einholen, sind sie mündige Konsumenten. Dann fällt auch die Reaktion weniger heftig aus, wenn wieder einmal Machenschaften einer Verbraucherorganisation enthüllt werden. Und das wird kommen.

© SZ vom 25.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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