Samstag, 6. August 1932: Es ist ein großer Tag im Leben des seit knapp 15 Jahren amtierenden Kölner Oberbürgermeisters. Zwar hat er zuvor schon erfolgreich für andere Großprojekte gekämpft, etwa die Errichtung der Mülheimer Rheinbrücke oder den Bau der Kölner Ford-Werke, aber heute, das ahnt er, geschieht in seiner Heimatstadt etwas buchstäblich Bahnbrechendes. "So werden die Straßen der Zukunft aussehen", verkündet der 56-jährige Konrad Adenauer prophetisch. Damit zerschneidet er das weiße Band, und die erste deutsche Autobahn zwischen Köln und Bonn ist eröffnet - wenngleich die zwölf Meter breite Betonpiste offiziell zunächst noch die Bezeichnung Kraftwagenstraße trägt.
Ein Blick auf die erste Autobahnanschlussstelle Europas in Wesseling vor der Eröffnung. Am 06.08.1932 wurde zwischen Köln und Bonn die erste nur für Autos bestimmte vierspurige Schnellstraße in Deutschland für den Verkehr freigegeben.
(Foto: dpa)Vor diesem historischen Hintergrund - und angesichts der massiven Verdichtung des Autobahnnetzes im Dritten Reich - sehen wir Deutsche uns gern als Erfinder der mehrspurigen Schnellstraßen. Zumindest haben wir mit ihnen das Verständnis von "schnell" um eine Dimension bereichert, die uns kein anderes Land der Welt nachmacht. Kein Wunder, dass unsere geliebten Schnellbahnen immer wieder als internationale Referenz herhalten müssen: Wenn Autohersteller oder Motorjournalisten in den USA ein Fahrzeug als besonders sportlich kennzeichnen wollen, lautet einer ihrer Lieblingsetiketten "Autobahn tested". Das heißt, man hat mit dem Boliden in Deutschland selbst bei Tempo 200 oder 250 keine Probleme gehabt. Außerhalb der deutschen Grenzen wären Ausflüge dieser Art bekanntlich strikt verboten und zögen den sofortigen Verlust des Führerscheins nach sich.
Aber wurde die Autobahn wirklich in Deutschland erfunden? Klare Antwort: nein. Als die Strecke Köln-Bonn in Betrieb ging, gab es Vergleichbares in anderen Ländern schon seit einem Vierteljahrhundert. Das Grundkonzept, wenn auch natürlich ohne Autos, geht sogar auf die Zeit des antiken Rom zurück: Im 1. Jahrhundert n. Chr. ließ Kaiser Claudius die Städte Rom und Ostia durch den vermutlich ersten Verkehrsweg verbinden, der separate Fahrspuren für jede Richtung besaß - wie die heutigen Autobahnen getrennt durch einen Mittelstreifen. Seinerzeit war der allerdings für Fußgänger gedacht. Diese ursprünglich 24 Kilometer lange Strecke, die "Via Portuensis", dürfte damals die meistbefahrene Straße der Welt gewesen sein. Einige ihrer Teilstücke sind zwischen Pozzuoli und Porta Portese noch heute zu besichtigen.
Das Imperium Romanum ging bekanntlich unter, und mit ihm verfielen die meisten seiner Städte, sodass die spätrömisch-dekadente Idee einer mehrspurigen Straße für fast zweitausend Jahre im Dunkel der Geschichte verschwand. Aber nun sind wir im beginnenden 20. Jahrhundert: Mit der Erfindung des Automobils und der Fließbandfertigung ändert sich die Situation dramatisch. Der Großangriff der knatternden Kisten überfordert zunehmend die herkömmlichen Pferdestraßen. Eine grundlegend neue Lösung muss her. Dabei setzen als Erste nicht etwa die Deutschen zum Überholen an, sondern die Amerikaner: Schon von 1907 an entstehen im Ballungsgebiet um New York City sogenannte Parkways - vierspurige Schnellstraßen mit Beton- oder Ziegelmauern als Fahrbahntrenner, zum Teil auch mit begrüntem Mittelstreifen. Diese frühen Autobahnvorläufer sind allerdings noch nicht konsequent kreuzungsfrei.