100 Jahre General Motors:Schleichender Niedergang

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Vom einst mächtigsten Autohersteller der Welt zum Sanierungsfall: General Motors feiert heute seinen 100. Geburtstag - doch in Detroit ist niemandem nach Feiern zumute.

Susanne Kilimann

Man schrieb den 16. September des Jahres 1908, als ein gewisser William Crapo Durant aus dem US-Bundesstaat Michigan ein Unternehmen gründete, dass sich in atemberaubendem Tempo zum größten Automobilkonzern der Welt entwickeln sollte: General Motors, kurz "GM" genannt. Noch im Gründungsjahr erwarb der Automobilvisionär aus Boston die Firma Buick, die sich ein paar Jahre zuvor als Spezialist für "pferdelose Karossen" an den Start gebracht hatte.

Aus der großen Zeit der Muscle-Cars: die Corvette Stingray (Foto: Foto: GM)

In kurzer Folge kaufte Durant weitere Unternehmen, die, wie er auf das Vehikel der Zukunft setzten. Oldsmobile und Oakland - die spätere Marke Pontiac - wurden Tochterunternehmen des aufsteigenden GM-Konzerns. Ein Jahr nach Firmengründung erwarb der GM-Mann aus Michigan auch die Cadillac Automobile Company, die seit 1902 automobile Fahrzeuge produzierte und in den kommenden Jahren und Jahrzehnten als Luxusmarke im GM-Konzern das Image der eleganten US-Luxusstraßenkreuzer so entscheidend mitprägen sollte.

Allerdings richtete die GM-Konzernzentrale ihr Augenmerk nicht nur auf den motorisierten Individualverkehr zwischen Ost- und Westküste. In den zwanziger Jahren holte man sich die Firma Yellow Coach ins Boot und baute fortan die Busse der legendären Greyhound-Linien, die schon bald Hunderttausende Amerikaner kreuz und quer durch die Staaten beförderten. GM setzte dabei von Anfang an auf Asphalt und Verbrennungsmotoren - und lehrte die Konkurrenz, die an Bahnen und Schienen festhalten wollte, das Fürchten. Das Unternehmen aus Michigan gründete Tochterfirmen, die im großen Stil Straßenbahnhersteller aufkauften und im Land der unbegrenzten Möglichkeiten Bahnen flächendeckend durch Busse ersetzten.

Bald schon weiteten die GM-Strategen ihr Automobil-Monopoly auch auf den europäischen Kontinent aus. 1929 sicherten sich die Amerikaner - für knapp 26 Millionen Dollar - eine satte Aktienmehrheit beim deutschen Autobauer Opel. Anfang der 30er Jahre führt General Motors erstmals die Rangliste der weltgrößten Autobauer an, Und diese Position wird der Industriekoloss mit Stammsitz in Detroit über 77 Jahre lang erfolgreich verteidigen.

Während des Zweiten Weltkriegs zeigt die GM-Führung, dass ihr die Gewinnmaximierung der höchste Wert von allen ist. Warum sollte sich ein Unternehmen auf Erfolgskurs von patriotischen Gefühlen stoppen lassen, wenn an der Kriegsfront richtig Kasse zu machen ist? GM liefert seine Lastwagen an das amerikanische Militär - und auch an die deutsche Wehrmacht, der zum Beispiel die gepanzerten Opel-Blitz-Lastwagen aus GM-Produktion gute Dienste leisten.

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Nach Kriegsende stellte der Konzern aus Detroit - ebenso wie Konkurrent Ford - sogar Reparationsforderungen an die Regierung in Washington, weil GM-Automobilwerke in Deutschland durch Angriffe der Alliierten zu Schaden gekommen waren.

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wird GM zum Inbegriff eines Industriegiganten mit globalem Wirkungsfeld. Den scheinbar unersättlichen US-Automarkt bedient GM mit Straßenkreuzern von Buick, Cadillac, Chevrolet, Oldsmobile, Pontiac und Saturn, mit GMC-Pick-ups und Geländewagen, mit den martialischen Geländewagen von Hummer. In Europa sichert sich der Automobil-Gigant aus Detroit einen Teil vom Kuchen, indem er Autos unter den Marken Cadillac, Chevrolet, Corvette, Hummer, Opel und Vauxhall auf die Märkte schickt.

Doch nicht jede Neuerwerbung der GM-Monopoly-Spieler erweist sich als Erfolg. 1989 greifen die Detroiter Strategen nach der schwedischen Autoschmiede Saab. Mit Saab, so die Hoffnung der Amerikaner, wird man die europäischen Konkurrenz auch im Luxussegment endlich ernsthaft angreifen können. Doch der schwedische Neuzugang erfüllte die hohen Erwartungen nicht. Im Gegenteil. Saab erwies sich als echter Problemfall, verbuchte schon im ersten Geschäftsjahr nach der Übernahme einen Rekordverlust und fährt noch immer auf Krisenkurs.

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Doch Saab ist bei weitem nicht das einzige Problem, dass den Global Player zittern lässt. Jahrelang präsentierte Opel unerfreuliche Bilanzen, dann kam mit steigenden Benzinpreisen und der US-Finanzkrise der Katzenjammer in die USA. Vor allem durstige Pick-ups, große Geländewagen und SUVs lassen sich derzeit kaum noch an die US-Kunden verkaufen.

Inzwischen ist GM selbst zum Sanierungsfall geworden. 2007 machte General Motors zwar einen Umsatz von 181,1 Milliarden Dollar, fuhr aber mit 38,7 Milliarden Dollar den größten Verlust in der Konzerngeschichte ein. Werksschließungen und Tausende Entlassungen sollen den Abwärtstrend stoppen. Die Traditionsmarke Oldsmobile wurde schon 2005 eingestellt. Jetzt ist der Verkauf von Hummer beschlossene Sache. Außer Chevrolet und Cadillac stehen alle Konzern-Töchter zur Disposition.

Im ersten Halbjahr 2008 verkaufte Toyota weltweit erstmals mehr Autos als GM. Dass der Konkurrent ausgerechnet im Jubiläumsjahr die Führung in der Weltrangliste der Automobilhersteller übernommen hat, dürfte die Sektlaune in der Führungsriege von GM-Chef Rick Wagoner Jr. auch nicht gerade steigern. Jetzt ruht die Hoffnung der Detroiter Zentrale auf der neuen Modellgeneration. Ein Hoffnungsträger, der in den Startlöchern steht, ist das Elektroauto Chevrolet Volt, mit dem GM ab 2010 das Ruder herumreißen will.

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