Wissensnachrichten der Woche:Für immer unerhört

Warum quakt dieser Frosch, obwohl niemand ihn hören kann? Wohin wandert der Blick bei der ersten Begegnung? Und können Lebewesen ohne Hirn schlafen? Fragen, die Wissenschaftler diese Woche beschäftigten.

Wohin der Blick wandert

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(Foto: AFP)

Beim Betrachten eines möglichen Sexualpartners wirken bestimmte Körperregionen als Signale, die sexuelles Begehren auslösen. Dabei ist das Gesicht - bei Männern und Frauen gleichermaßen - von geringerer Bedeutung als der übrige Körper, berichten Forscher aus Genf. Sie analysierten Blickbewegungen von heterosexuellen Testpersonen. Es zeigte sich, dass Männer hauptsächlich auf den Brustbereich einer fremden attraktiven Frau reagieren. Bei Frauen erregte die Bauch- und Hüftregion der Männer das größte sexuelle Interesse. Dem Genitalbereich schenkten sie weniger Beachtung als dem Brustkorb. An der Studie beteiligten sich 44 männliche und weibliche Singles im Alter von durchschnittlich 25 Jahren. Jedem Probanden wurden 60 Fotos von attraktiven Personen des jeweils anderen Geschlechts in Badebekleidung vorgelegt. Die Aufgabe bestand darin zu beurteilen, welche dieser Personen Gefühle von sexuellem Verlangen auslösen. Gleichzeitig analysierten die Forscher mithilfe eines Eyetrackers die Blickbewegungen beim Betrachten jedes einzelnen Fotos. Nach Angaben der Testpersonen erregten bei den Frauen 30 Prozent der Fotos sexuelle Gefühle, bei den Männern waren es 55 Prozent. Alle Teilnehmer schenkten dem Gesicht weniger Aufmerksamkeit als dem übrigen Körper und bevorzugten im Gesicht weder die Augen- noch die Mundpartie. (wsa)

Schlummernde Quallen

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(Foto: REUTERS)

Nicht nur Wirbeltiere, auch Quallen brauchen Schlaf, berichten amerikanische Biologen. Ravi Nath vom California Institute of Technology in Pasadena und seine Kollegen beobachteten das Verhalten von Schirmquallen der Gattung Cassiopea. Diese Mangrovenquallen liegen meist mit nach oben gerichteten Tentakeln auf dem Meeresboden. Etwa einmal pro Sekunde erzeugen sie mit pulsierenden Bewegungen ihres schirmförmigen Körpers einen Wasserstrom, aus dem sie Nahrung herausfiltern. Nachts gibt es allerdings eine Ruhephase, in der sich die pulsierende Aktivität von einer Frequenz von 58 auf 39 pro Minute verringert. Außerdem reagieren schlafende Quallen verzögert auf äußere Reize: Das zeigten die Forscher, indem sie die Tiere in ein wassergefülltes Plastikrohr setzten, dessen siebartige Bodenplatte zwei Zentimeter unterhalb der Wasseroberfläche eines größeren Bassins lag. Nachdem sich die Qualle auf die Bodenplatte gesetzt hatte, wurde das Rohr schnell 16 Zentimeter abgesenkt. Das Tier schwebte dadurch plötzlich frei im Wasser. Auf diesen Reiz reagieren die Quallen, indem sie sich aktiv nach unten bewegen, bis sie wieder den Boden erreichen. Tagsüber benötigten sie dazu 8,6 Sekunden, nachts dauerte es zwölf Sekunden. Schließlich testeten die Biologen, ob es eine Reaktion auf Schlafentzug gibt. Dazu störten sie die Nachtruhe der Tiere, indem sie alle 20 Minuten einen Wasserstrahl zehn Sekunden lang auf sie richteten. Nach einer solchen Nacht verringerte sich die Aktivität der Quallen zu Beginn des nächsten Tages um bis zu 17 Prozent. Die Tiere versuchten wohl, den verlorenen Schlaf nachzuholen. (wsa)

Blauer Dunst über dem Champagner

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(Foto: dpa)

Wer Champagnerkorken knallen lässt, löst ein verblüffendes Farbenspiel aus: Nach dem Plopp bildet sich weißgrauer Nebel über der Flaschenöffnung oder gar blauer Nebel im Flaschenhals. Die Ursache dafür entschlüsselten nun Wissenschaftler aus Reims, der Hauptstadt der Champagne. Ihre Analyse in der Fachzeitschrift Scientific Reports offenbart, dass abhängig von der Flaschentemperatur mal Wassertröpfchen zu Eis und mal Kohlendioxid zu Trockeneis gefrieren. Waren die Champagnerflaschen auf sechs Grad gekühlt, bildete sich ein grauweißer Nebel über der Öffnung. Grund dafür war die starke Abkühlung des Gasgemischs aus Luft, Wasserdampf und Kohlendioxid auf etwa minus 78 Grad Celsius, die bei dem plötzlichen Druckabfall beim Entweichen des Korkens auftrat. Diese Kühlung durch die sogenannte adiabatische Expansion ließ Wassertröpfchen zu kleinen Eiskristallen gefrieren. Sie streuten diffus das einfallende Licht, sodass weißgraue Schwaden sichtbar wurden (Mie-Streuung). Bei 20 Grad warmen Flaschen konnten die Forscher blaue Schwaden im Flaschenhals beobachten. Die Ursache: In der warmen Flasche herrschte ein deutlich höherer Ausgangsdruck des eingeschlossenen Kohlendioxids als in der stark gekühlten Flasche. Da nun ein höherer Druck beim Öffnen plötzlich auf Normaldruck der Umgebung absackte, war auch der Kühleffekt größer. Das Gasgemisch kühlte sich auf minus 90 Grad Celsius ab: Kalt genug, um das Kohlendioxid im Flaschenhals zu Trockeneis gefrieren zu lassen. Diese Kristalle streuten den blauen Anteil im Lichtspektrum und blaue Schwaden wurden sichtbar (Rayleigh-Streuung). (wsa)

Hört mich denn keiner?

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(Foto: Sandra Goutte)

Es ist seltsam, das Leben dieser daumennagelgroßen Froschlurche und irgendwie auch traurig. Die Tiere, die noch nicht einmal einen deutschen Namen haben, kriechen mitten im brasilianischen Regenwald im Laub umher. Wie die meisten Frösche quaken sie - doch niemand kann sie hören, wie Zoologen jetzt herausgefunden haben. Zumindest nicht ihre natürlichen Ansprechpartner, also die Artgenossen, die mit ihnen im Laub leben. Die Tiere sind nämlich ausgerechnet für die Frequenzen, auf denen sie quaken, taub. "Wir haben so etwas noch nie erlebt", sagt der dänische Froschexperte Jakob Christensen-Dalsgaard, der das Hörvermögen der Amphibien im Labor getestet hat. Normalerweise rufen Frösche, um einen Partner zu finden. Brachycephalus pitanga hat das aber wahrscheinlich gar nicht nötig, weil sich die Tiere aufgrund ihrer grellorangen Färbung im grün-braunen Laub auch so finden. Die Frage ist, warum sie trotzdem immer weiter rufen, dadurch enorme Mengen an Energie verschwenden und möglicherweise auch noch Feinde mit ihrem Geschrei anlocken. Handelt es sich um einen Irrweg der Evolution? Bis jetzt hat jedenfalls niemand eine Erklärung für diese Art der Kommunikationsstörung gefunden.

Reiseplanung der Fledermäuse

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(Foto: dpa)

Den richtigen Zeitpunkt für eine Reise zu finden, kann über Leben und Tod entscheiden. Zumindest im Fall von Fledermäusen, die - ähnlich wie viele Vögel - für den Winter in wärmere Gebiete als ihr Sommerquartier ziehen. Dabei machen es sich Fledermäuse alles andere als einfach mit ihrer Entscheidung, wann sie aufbrechen. Vielmehr verrechnen sie zahlreiche Umweltfaktoren wie Windgeschwindigkeit und -richtung sowie den Luftdruck - und setzen das alles zudem in Relation zum Fortschreiten des Frühlings. Das schreibt ein Team um Dina Dechmann vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell in den Biology Letters. Zwar warten auch Zugvögel günstige Wind- und Luftdruckbedingungen für ihre Reise ab. Für die meisten von ihnen steht aber noch etwas anderes im Vordergrund: Sie benötigen ein ordentliches Fettpolster vor ihrem Aufbruch. Darauf verzichten die in der Studie untersuchten Großen Abendsegler. Stattdessen verbringen die Fledermäuse unterwegs jeden Abend etwa anderthalb Stunden mit der Jagd auf Insekten, um genug Energie für die kommende Wegstrecke zur Verfügung zu haben. Entscheidend ist der passende Zeitpunkt der Frühjahrswanderung vor allem für die Fledermaus-Weibchen, die bereits schwanger sind, wenn sie sich auf den Weg machen. Ein möglichst früher Aufbruch im Frühjahr wäre daher günstig - lange Reisen im fortgeschrittenen Stadium einer Schwangerschaft sind nun einmal beschwerlich. Andererseits kann es die werdenden Mütter auch zu stark erschöpfen, wenn sie etwa bei starkem Gegenwind aufbrechen würden, nur um möglichst früh im Sommerquartier anzukommen. Um herauszufinden, welche Faktoren die Fledermäuse besonders beeinflussen, verfolgten die Forscher 29 Weibchen des Großen Abendseglers, die sie zuvor im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet am Bodensee mit Sendern ausgestattet hatten. Dabei zeigte sich, dass es nicht die eine einzelne Umweltbedingung gibt, die über den Zeitpunkt des Aufbruchs entscheidet, sondern dass die Tiere verschiedene Wind- und Luftdruck-Faktoren miteinander verrechnen. Mehr noch, im Lauf des Frühjahrs gewichten sie die einzelnen Faktoren sogar unterschiedlich. "Anfangs sind Rückenwinde am wichtigsten, die die Abendsegler in ihre Zugrichtung befördern", sagt Co-Autor Teague O'Mara. "Später wollen sie klare Nächte und fliegen ungeachtet der Windverhältnisse, solange nur das Wetter gut ist." Allzu viele solch detaillierter Erkenntnisse über migrierende Fledermäuse hat die Wissenschaft bislang nicht zusammentragen können. Über ihre Wanderungen ist viel weniger bekannt als über die der Vögel. Frühere Studien haben gezeigt, dass wandernde Fledermausarten wie Großer und Kleiner Abendsegler oder die Rauhautfledermaus im Spätsommer zum Beispiel aus Nordost-Europa Richtung Frankreich aufbrechen. Auf dem Flug ins Winterquartier paaren sich die Tiere. In Frankreich angekommen, fallen sie erst einmal in Winterschlaf, was aufgrund der höheren Temperaturen dort ohne die Gefahr zu erfrieren möglich ist.

Roboter-Muskeln

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(Foto: Aslan Miriyev/Columbia Engineering)

Alle reden über künstliche Intelligenz, etwas vernachlässigt wurde darüber, dass die Automaten und Roboter der Zukunft auch angetrieben werden müssen. Nun haben Ingenieure der Columbia University in New York einen künstlichen Muskel vorgestellt, der angeblich einen Durchbruch bei der Imitation biologischer Systeme darstellt (Nature Communications). Der mit einem 3-D-Drucker produzierte Muskel besteht aus Silikon, das von kleinen, mit Ethanol gefüllten Bläschen durchsetzt ist. So erhält man ein Gebilde, das bereits von einer niedrigen Spannung von acht Volt in Gang gesetzt werden kann; wird es elektrisch auf 80 Grad Celsius erhitzt, dehnt es sich um 900 Prozent aus. Das Material sei leicht herzustellen, billig und umweltfreundlich, versichern die Forscher. Dabei sei der Muskel stark genug, um das Tausendfache seines eigenen Gewichts zu heben, das ist dreimal mehr, als ein natürlicher Muskel schafft. So mache die neue Entwicklung endlich autonome, kabellose Roboter möglich, die nicht mehr auf Leitungen mit hoher Spannung oder Kompressoren angewiesen sind, so wie die bisherigen Kunstmuskeln. "Unser weiches, funktionelles Material kann als ein robuster Muskel dienen, der möglicherweise die Soft-Robotik revolutioniert. Er kann drücken, ziehen, biegen, drehen und Gewichte heben", sagt der Postdoc Aslan Miriyev, Hauptautor der Studie. Noch mehr verspricht sein Betreuer Hod Lipson: "Wir haben eine der letzten Barrieren für den Bau lebensähnlicher Roboter überwunden."

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