Wahrnehmung:Mit den Augen eines Kindes

Wie wäre es, als Erwachsener zurückversetzt in den Körper eines Kind durch die Welt zu laufen? Dieser Frage sind Neurowissenschaftler nachgegangen, indem sie ihre Probanden in eine virtuelle Welt geschickt haben.

Von Sebastian Herrmann

Es ist ein Wunsch, der längst zum Klischee geronnen ist: die Welt wieder mit den Augen eines Kindes zu sehen. Wie wäre das wohl, zurückversetzt in einen kleinen Körper, durch den Wahnwitz der Gegenwart zu laufen?

Die Probanden hatten den Eindruck, sich in einem kleinen Körper mit kindlichen Proportionen zu befinden - hier in einem Spiegel in der virtuellen Welt zu sehen -, oder ... (Foto: Mel Slater)

Einen Teil dieser Frage beantworten Neurowissenschaftler um Mel Slater im Fachmagazin PNAS (online): Mit den Augen eines Kindes überschätzen Menschen systematisch die Größe von Gegenständen in ihrer Umwelt.

... oder im Körper eines Erwachsenen in einer Welt mit übergroßen Gegenständen. (Foto: Mel Slater)

Tja, das klingt nun zunächst kaum nach heiler Welt und auch wenig überraschend. Doch das Ergebnis der Versuche überrascht, sobald man sich mit den Details beschäftigt.

Das Team um Slater versetzte seine Probanden in eine virtuelle Umgebung. Die Teilnehmer des Tests trugen Displays vor den Augen, mit denen sie sich als Avatar in einer künstlichen Umgebung sahen. Außerdem steckten sie in einem Anzug, der ihnen taktiles Feedback gab - sie spürten es also, was ihr Avatar berührte und konnten mit normalen Bewegungen ihr künstliches Selbst bewegen.

Das Display, mit dem die Versuchsteilnehmer in die virtuelle Welt versetzt wurden (Foto: Mel Slater)

Aus vergleichbaren Versuchen ist bekannt, dass Probanden unter solchen Bedingungen sich stark mit ihrem künstlichen Selbst identifizieren und quasi in dessen Identität schlüpfen. Eine Hälfte der Probanden sah nur eine verkleinerte Version ihrer selbst; die andere bewegte ein vier Jahre altes kindliches Selbst durch die künstliche Umgebung.

Tatsächlich identifizierten sich die meisten Probanden rasch mit ihrem verkleinerten, künstlichen Ich; und alle überschätzten systematisch die Größe von Objekten. Doch bei jenen, die ein Kind statt nur einen kleinen Erwachsenen steuerten, war dieser Effekt besonders ausgeprägt.

© SZ vom 16.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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