Trinkwasser:Die Nebelmelker

Im Nebel stecken große Mengen Wasser - oft in bester Trinkwasserqualität. Mit Netzen lässt sich das kostbare Nass einfangen. Gerade in regenarmen Regionen könnte das nützlich sein.

Der Londoner Nebel ist legendär-- wer ihn in der britischen Metropole nicht selbst erlebt hat, kennt ihn vielleicht aus Edgar-Wallace-Krimis.

Nebelkollektor in Chile

Mit einem Nebelkollektor wird in Chile Wasser gewonnen.

(Foto: dpa/Universität Münster)

Der Nebel im nordchilenischen Iquique dürfte hingegen nur wenigen bekannt sein. Dabei sei die Stadt am Pazifik das "Mekka" der Nebelforscher, sagt Otto Klemm vom Institut für Landschaftsökologie der Universität Münster. "Ganz dichter Nebel mit Wind - traumhaft zum Melken", beschreibt er die Bedingungen dort. Und mit dem "Melken" meint der Wissenschaftler das Auffangen von Nebel.

Das findet zu Forschungszwecken statt - aber auch zur Trinkwassergewinnung werden in Südamerika und anderswo in der Welt riesige Netze aufgespannt. Das Thema steht ab Sonntag in Münster auch auf der Agenda der fünften Internationalen Nebel- und Taukonferenz.

Dort kommen etwa 140 Nebelexperten aus mehr als 30 Nationen zum ersten Mal in Europa zusammen. Auf der Tagesordnung stehen dabei Themen wie Nebel-Chemie, Städtischer Nebel und Nebeltrends, Nebelsammeln oder auch die Fernerkundung von Nebel und sein Einfluss auf Verkehrssysteme.

Dem einen oder anderen mag das Programm der Tagung seltsam erscheinen. Doch die Nebelforschung könnte in Zukunft von großer Bedeutung sein - gerade in regenarmen Regionen der Erde. Denn sie erlaubt die Trinkwassergewinnung dort, wo das nasse Gut sonst knapp ist. Oder wo es in Zukunft knapper wird.

"Wir reden dabei nicht nur von Südamerika und Afrika. Spanien zum Beispiel wird wahrscheinlich schon in 50 bis 100 Jahren unter extremer Wasserarmut leiden", sagt Klemm. Dort gebe es Überlegungen, Flüsse umzuleiten, oder riesige Anlagen zur Meerwasserentsalzung zu bauen. Einige spanische Gegenden haben aber viel Nebel.

"An der Küste Ostspaniens, zum Beispiel in der Region Valencia, und an der Pazifikküste Südamerikas oder in Ostafrika liegen Gebirgsketten sehr nah am Meer", erklärt Klemm die geografischen Besonderheiten solcher Regionen. "Über dem Meer bilden sich Wolken. Die ziehen an Land, Nebel staut sich an den Berghängen und kann gemolken werden."

Der Experte weist jedoch darauf hin, dass "Nebelmelken" zur Lösung künftiger Trinkwassernotstände nicht ausreichen wird - "zumindest nicht im großen Stil."

Die Wasserstiftung setzt dennoch auf den Wasserspeicher Nebel: "Vor einigen Jahren sind wir noch belächelt worden. Aber letztlich haben wir bei der Versorgung von Kleinbauern oder Schulen in Eritrea einige Erfolge erzielt", berichtet der Stiftungsvorsitzende Ernst Frost. "In der Nebelsaison kann man mit einem Netz täglich bis zu 170 Liter Wasser in bester Qualität melken. Das reicht für eine richtig große Familie."

Allerdings erweise sich die längerfristige Betreuung und Wartung der Netze durch die Einwohner als schwierig. Da sei noch mehr Aufklärung nötig, sagt Frost. Aber Trinkwasser aus Tankwagen sei für viele Menschen in Afrika nicht bezahlbar. Frauen und Kinder müssten deshalb oft stundenlang zur nächsten Wasserstelle wandern.

Nebelforscher Klemm hebt auch die geringen Anschaffungskosten hervor. Die Netze selbst, auch Nebelkollektoren genannt, kosten rund zehn Euro. Und die Gestelle seien teils mit am Ort vorhandenen Materialien zu bauen.

Die Nebelkollektoren seien zudem keine speziellen Netze, die eigens hergestellt werden müssen: "Es handelt sich um Gewebe aus Kunststofffasern, das in heißen Regionen als Sonnenschutz etwa für offene Autogaragen oder im Gartenbau genutzt wird", erklärt der Experte.

Die 140 Nebelexperten - darunter Chemiker, Geografen und Meteorologen - beschäftigen sich bei dem fünftägigen Kongress auch damit, wie man etwa mit Satelliten Nebel erspähen kann. Die Informationen sind für Wettervorhersagen und den Flug- oder Straßenverkehr wichtig. "Viel ist aber auch Grundlagenforschung. Wir erforschen, wie sich Nebel zusammensetzt und entwickelt, wie stark er verschmutzt ist und welche chemischen Reaktionen dort ablaufen."

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