Super-Virus:Grippeforscher wollen Versuche wieder aufnehmen

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Nachdem Forscher im Labor Grippeviren verändert hatten, verständigten sich weltweit Influenza-Experten auf ein Moratorium für solche Versuche. Nun wird erneut diskutiert, wie es mit der Forschung weitergehen soll.

Katrin Blawat

Wie geht es mit der Erforschung von Grippeviren weiter? Wer soll in welchen Laboren welche Experimente durchführen dürfen? Auch knapp neun Monate, nachdem sich weltweit 39 Influenza-Experten auf ein Moratorium verständigt haben, gibt es dazu kontroverse Ansichten. Das zeigen die Beiträge mehrerer Forscher im Fachmagazin mbio (online) der Amerikanischen Gesellschaft für Mikrobiologie.

Auslöser der Debatte waren Versuche von Ron Fouchier in Rotterdam und Yoshihiro Kawaoka in Wisconsin mit mutierten Vogelgrippeviren. Die Forscher hatten die Erreger im Labor so verändert, dass sie für Frettchen hochansteckend wurden. Frettchen sind übliche Versuchstiere, um Influenza bei Säugern zu untersuchen. Die Versuche befeuerten die Angst vor einem Supervirus, das für Menschen sowohl hochansteckend als auch tödlich sein könnte.

Kurz bevor die beiden Studien veröffentlicht werden sollten, sprachen sich einige Forscher gegen derartige Experimente oder zumindest gegen deren Veröffentlichung aus. Die mutierten Erreger könnten versehentlich aus den Laboren entkommen, oder Bioterroristen könnten die Erkenntnisse der Forscher missbrauchen, argumentierten Kritiker. Dennoch wurden beide Studien schließlich vollständig publiziert.

Das ursprünglich nur für zwei Monate geplante Forschungsmoratorium besteht jedoch noch immer. Geht es nach dem Willen von Fouchier und Kawaoka, soll es nun in Ländern wie den Niederlanden und Kanada enden, in denen die Bedingungen für diese Art von Forschung erneut überprüft wurden.

Dabei geht es vor allem um die Frage, welche Sicherheitsstufe die betroffenen Labore erfüllen müssen: die vierte, also die höchste? Dies würde wegen der strikten Sicherheitsvorschriften in diesen Laboren die Zahl der qualifizierten Wissenschaftler stark einschränken und die Versuche verteuern. Die Weltgesundheitsorganisation solle die notwendige Sicherheitsstufe weltweit verbindlich festlegen, fordert Ian Lipkin von der Columbia University in New York. Er selbst hält die dritte Stufe für nicht ausreichend.

Anthony Fauci von den Nationalen Gesundheitsinstituten der USA in Bethesda ermahnt seine Kollegen, schon vor dem Beginn potenziell gefährlicher Experimente eine öffentliche Debatte über deren Nutzen und Risiken anzustoßen. "Dabei dürfen wir auch nicht die Möglichkeit ausschließen, dass sich ein breiter Konsens bilden wird, demzufolge bestimmte Versuche nicht gemacht oder veröffentlicht werden dürfen", schreibt Fauci.

Ähnlich sieht es Stanley Falkow, Emeritus der Stanford University: "In der aktuellen Debatte geht es weniger um die Freiheit der Forschung als um deren soziale Verantwortung." Es sei vor allem Sache des einzelnen Wissenschaftlers, sich vor einer Studie Gedanken über die Konsequenzen zu machen. Falkow spricht sich dafür aus, das Moratorium fortzusetzen: "Das ist eine gute Gelegenheit, um zu lernen, wie man effektiv mit der Öffentlichkeit kommuniziert."

© SZ vom 10.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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