Zum Tod von Stephen Hawking:"Ich möchte das Universum ganz und gar verstehen"

Stephen Hawking schreckte nicht davor zurück, über Zeitreisen und Außerirdische zu reden. Nur ein Leben im Jenseits hielt er für ausgeschlossen. Ein Nachruf.

Wenn Stephen Hawking etwas sagte, dann lauschte die Welt. Gibt es einen Gott? Oder noch anderes Leben in den Weiten des Universums? Was auch immer Hawking dazu sagte, seine Worte wurde viel diskutiert. Es waren diese Fragen und die Antworten, die er zu geben vermochte, die Hawking zu einem der größten Wissenschaftler aller Zeiten machten.

Jetzt ist er im Alter von 76 Jahren gestorben.

Einer seiner bedeutendsten Erfolge war, dass er Anfang der 70er-Jahre voraussagte, dass Schwarze Löcher - riesige, extrem massereiche Objekte im Kosmos - unter bestimmten Umständen Energie verlieren. Die Schwarzen Löcher sind demnach keine Endstationen. Sie saugen zwar durch ihre enorme Schwerkraft alles ein, was ihnen zu nahe kommt, und lassen nicht einmal das Licht entkommen. In der Theorie konnte Hawking zeigen, dass Schwarze Löcher langsam verdampfen - eine Folge der Quantenphysik. Dieses Verdampfen geschieht allerdings so langsam, dass bisher noch niemand die dabei entstehende Hawking-Strahlung nachweisen konnte.

Bereits als Doktorand hatte Hawking 1965 zusammen mit dem Briten Roger Penrose einen wichtigen mathematischen Beleg für die Urknalltheorie geliefert. Die Idee war damals noch umstritten, unter anderem weil sie eine mathematische "Singularität" postulierte, in der Naturgesetze nicht mehr gelten und dadurch eine Art Schöpfungsakt notwendig zu werden schien. "Ein Ergebnis, das die Kirche interessiert zur Kenntnis nahm", wie Hawking in seiner Autobiografie "Meine kurze Geschichte" schrieb.

"Es gibt kein Leben nach dem Tod für kaputte Computer"

Später zeigte er jedoch, dass der Anfang des Universums nicht zwangsläufig in einer Singularität gelegen haben muss. Außerdem versuchte Hawking über Jahrzehnte, Einsteins Relativitätstheorie mit der Quantenphysik zu vereinen und auf diese Weise eine Art "Weltformel" zu finden - in der Sprache der Physiker eine "große vereinheitlichte Theorie", die alle Bereiche des Universums beschreiben kann, vom Mikro- bis zum Makrokosmos. "Ich möchte das Universum ganz und gar verstehen", sagte er einmal. "Ich möchte wissen, warum es so ist, wie es ist, und warum es überhaupt existiert."

Hawking entwickelte sich zu einer Art Popstar der Wissenschaft, da er nie davor zurückschreckte, sich auch zu populären Ideen wie Zeitreisen und Außerirdischen zu äußern. Sein 1988 erschienenes Buch "Eine kurze Geschichte der Zeit" machte ihn auch bei Laien populär.

30 Jahre lang war er mit seiner Jugendliebe Jane verheiratet, mit ihr hatte er zwei Söhne und eine Tochter. Nach der Scheidung brachte Jane Hawking Ende der 90er-Jahre ein Buch heraus, in dem sie ihren Ex-Mann als Haustyrannen beschrieb, den sie gelegentlich daran erinnern musste, dass er nicht Gott sei. 1995 heiratete Hawking seine ehemalige Pflegerin, die Ehe hielt bis 2006. In einem Interview mit der Zeitschrift New Scientist antwortete er auf die Frage, worüber er jeden Tag am meisten nachdenke: "Frauen. Sie sind ein komplettes Rätsel."

In seinen letzten Jahren wurde Hawking immer mehr zum Mahner: Er warnte die Menschheit vor einem selbst verschuldeten Untergang, etwa durch die Erderwärmung oder künstliche Viren. Auch Maschinen traute er nicht - sie könnten eines Tages klüger werden als ihre Schöpfer. Zudem entwickelte er Ideen für eine Übersiedlung der Menschheit auf andere Himmelskörper.

Was Hawking so faszinierend machte, war allerdings nicht nur seine Leidenschaft für die großen Fragen der Menschheit und der Wunsch, für sämtliche Phänomene eine naturwissenschaftlich fundierte Erklärung zu finden. Es war die Symbolik der Hoffnung bei seinen Auftritten: Er konnte nicht mehr ohne Hilfe schreiben, nicht sprechen - aber mit dem Kopf reiste er zu den Sternen.

Er war Anfang 20, als Ärzte bei ihm Amyotrophe Lateralsklerose diagnostizierten, besser bekannt als ALS. Drei Jahre gaben sie ihm noch. Das hatte Folgen und trieb seinen Ehrgeiz noch weiter an: Der Gedanke an den Tod hat ihn seit langem begleitet. Angst habe er davor nicht, behauptete er stets. Dennoch schwanden seine Kräfte über die Jahre sichtbar. Seit 1968 war Hawking auf den Rollstuhl angewiesen, schon seit langem konnte er sich nur noch mühsam mit Hilfe eines Computers verständigen. Nun also der Tod.

Und damit das Ende.

Ein Jenseits hielt Hawking für ausgeschlossen. "Ich sehe das Gehirn als einen Computer an, der aufhört zu arbeiten, wenn seine Einzelteile nicht mehr funktionieren", sagte er einst der britischen Zeitung The Guardian.

"Es gibt kein Leben nach dem Tod für kaputte Computer; das ist ein Märchen für Leute, die Angst im Dunkeln haben."

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