Psychologie:Wer sich beobachtet fühlt, ändert leichter sein Verhalten

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Wir verändern eher ungern unsere Gewohnheiten. Fühlen wir uns jedoch beobachtet - und sei es nur, dass wir an einer wissenschaftlichen Studie teilnehmen -, sieht das schon anders aus.

Von Sebastian Herrmann

Die Menschen sind bockig. Auf Veränderungen reagieren sie mit Widerwillen, wenn nicht gar mit blankem Zorn. Was lässt sich gegen diese störrischen Wesen unternehmen, wenn ihr Verhalten dennoch erfolgreich in eine Richtung bugsiert werden soll?

Aus der aktuellen Studie eines Teams um den Sozialwissenschaftler Daniel Schwartz von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, lässt sich folgende Empfehlung ableiten: Teilen Sie den Starrköpfen mit, dass ihr Verhalten für eine wissenschaftliche Studie untersucht und beobachtet wird ( PNAS, online).

Das klingt abstrakt und schwer umzusetzen, ist allerdings weniger abwegig als es scheint. Die Wissenschaftler schrieben zufällig ausgewählte Kunden eines Energieversorgers an, die binnen vier Wochen fünf Postkarten erhielten. Darauf wurde den Verbrauchern mitgeteilt, dass sie ausgewählt wurden, um an einer einmonatigen Untersuchung teilzunehmen, die sich ihrem Stromverbrauch widmen würde.

Auf den Postkarten war keine Rede davon, dass es um die Einsparung von Energie oder um andere konkrete Ziele ginge - es wurde lediglich darauf hingewiesen, dass der Energieverbrauch im Fokus stehe. Als die Forscher den tatsächlichen Stromverbrauch der Studienteilnehmer mit dem einer gleich großen aber ahnungslosen Kontrollgruppe verglichen, zeigte sich ein kleiner, aber klarer Unterschied: Die Haushalte, die vermeintlich an der Studie teilnahmen, hatten ihren Energieverbrauch um durchschnittlich 2,7 Prozent reduziert.

Die Probanden hatten ihr Verhalten offenbar so verändert, wie sie es für sozial erwünscht hielten. In anschließenden Befragungen gaben viele auch an, dass das Ziel der Studie die Untersuchung von Strategien zur Energieeinsparung gewesen sei. In vorauseilendem Gehorsam passten sie ihren Energieverbrauch also entsprechend an.

Einige Wochen nach Ende der Studie überprüften Schwartz und seine Kollegen übrigens abermals den Stromverbrauch der Haushalte in den beiden Gruppen. Der Energieverbrauch hatte sich wieder angeglichen. Wenn niemand kontrolliert, so mögen die Teilnehmer gedacht haben, ist auch kein Wohlverhalten mehr nötig.

Die Forscher werten ihre Ergebnisse als lupenreinen Hawthorne-Effekt. Hinter diesem Begriff verbirgt sich der Umstand, dass eine Studie häufig genau jenen Parameter verändert, der untersucht werden soll - schlicht, weil sich die Probanden besonderer Aufmerksamkeit bewusst sind, sich beobachtet fühlen oder besonders eifrig mitarbeiten wollen.

Benannt ist der Effekt nach einer Fabrik der Western Electric Company im amerikanischen Ort Hawthorne. Dort wurde in den 1920er-Jahren untersucht, wie sich künstliche Beleuchtung auf die Produktivität der Arbeiter auswirkte. Offenbar veränderte das bloße Wissen um den Versuch das Verhalten der Arbeiter bereits in die gewünschte Richtung.

Auch wenn das Ergebnis des ursprünglichen Versuches umstritten ist, existieren längst zahlreiche Belege für den Hawthorne-Effekt. Relevant ist er insbesondere bei der Untersuchung medizinischer Therapien. Denn meist bewirkt die Aufmerksamkeit durch einen Arzt oder die Fokussierung auf das eigene Befinden eine für den Patienten deutlich spürbare Veränderung.

© SZ vom 03.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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