Primatologie:Affen als versierte Nussknacker

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Kapuzineräffchen beim Fressen. (Foto: dpa)

Archäologen entdecken 700 Jahre alte Affen-Werkzeuge. Lernten die Menschen einst von den Tieren?

Von Katrin Blawat

Gute Handwerker wählen ihr Werkzeug sorgfältig aus. Diese Erkenntnis beherzigten Kapuzineraffen offenbar bereits vor mehreren Jahrhunderten. In Brasilien haben Forscher um Michael Haslam von der University of Oxford Steine ausgegraben, die sie als Belege für eine bis zu 700 Jahre alte Kultur des Einsatzes von Hammer und Amboss bei Kapuzineraffen interpretieren ( Current Biology, online). Dies sei der älteste Hinweis auf Werkzeuggebrauch nicht-menschlicher Primaten außerhalb Afrikas. An der Elfenbeinküste nutzten Schimpansen vermutlich schon vor mehr als 4000 Jahren steinerne Hämmer und Ambosse, um harte Nüsse zu knacken.

Dass auch heutige Kapuzineraffen diese Technik beherrschen, um Cashewnüsse zu öffnen, bestätigten die Beobachtungen von Haslam und Kollegen in einem Nationalpark im Nordosten Brasiliens. Dort wählten die Primaten für ihre Hämmer Quarzite, die im Durchschnitt mit gut 200 Gramm etwa vier Mal so schwer waren wie das übrige herumliegende Geröll. Die zum Amboss umfunktionierten Sandsteine waren auffallend flach und abermals etwa vier Mal so schwer wie die Hämmer. Diese Werkzeuge nutzten die Kapuzineraffen sogar in einer Art Werkstatt; die Forscher sprechen jedenfalls von "erkennbaren Cashew-Verarbeitungs-Stätten".

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An dieser Technik halten die Primaten offenbar seit mindestens 700 Jahren fest. So alt waren laut Radiokarbondatierung einige der knapp 70 Werkzeug-Proben, auf die das Forscherteam in dem Ausgrabungsareal gestoßen war. Mithilfe der Massenspektrometrie vergewisserten sich die Forscher, dass die Verfärbungen an den mutmaßlichen Werkzeugen tatsächlich von Nussresten stammten. Daraus leiten die Autoren weitreichende Überlegungen ab: Haben vielleicht die Kapuzineraffen die Menschen nach deren Ankunft in der Neuen Welt gelehrt, wie man am besten mit Cashewnüssen verfährt?

Unter anderem um solche Fragen zu untersuchen, brauche es das Forschungsfeld der Primaten-Archäologie, argumentierte Michael Haslam vor sieben Jahren zusammen mit 17 weiteren Forschern in einem Nature-Aufsatz. Eine seiner damaligen Co-Autoren, Elisabetta Visalberghi vom römischen Istituto di Scienze e Tecnologie della Cognizione, ist jedoch kritisch. Sie mahnt zur Zurückhaltung damit, aufgrund der Größe der mutmaßlichen Hämmer und Ambosse und ihrer räumlichen Häufung schon von Belegen für "prä-kolumbianische Affen-Werkzeuge" zu sprechen.

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Ignacio de la Torre vom University College London hält die von Haslam beschriebenen Einkerbungen für Artefakte. Skeptisch ist er, ob es immer gelingt, solch frühe Werkzeuge zweifelsfrei Affen oder Menschen zuzuordnen. "Trotzdem ist es gut möglich, dass Haslam und seine Kollegen hier richtig liegen und die Werkzeuge vor 700 Jahren von Kapuzineraffen genutzt wurden", sagt de la Torre. "Das wäre dann sehr bedeutsam für die Entwicklung früher nicht-menschlicher Kulturen - etwas, das noch vor einem Jahrzehnt als völlig undenkbar galt."

© SZ vom 12.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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