Neandertaler:Ordnung in der Steinzeit-Höhle

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Archäologen untersuchen in einer Höhle der Neandertaler bei Riparo Bombrini im Nordwesten Italiens (Foto: Fabio Negrino)

Der grunzende Urmensch mit der Keule auf der gebeugten Schulter - so sehen wir den Neandertaler schon lange nicht mehr. Aber selbst bei der Gestaltung ihrer Wohnräume waren unsere nahen Verwandten gut organisiert und umsichtig.

Von Christian Weber

Immer noch gelten Neandertaler als eher raue Gesellen, denen man zuallerletzt einen Sinn für das ordentliche Einrichten ihrer Wohnräume zutrauen würde.

Doch genau diesen hatten sie, behaupten jetzt Forscher um den Paläoanthropologen Julien Riel-Salvatore von der University of Colorado Denver ( Canadian Journal of Archaeology, Bd. 37, S. 70, 2013): "Wir haben herausgefunden, dass die Neandertaler ihre Sachen nicht einfach irgendwohin geworfen haben, sondern in ihren Wohnräumen gut organisiert und umsichtig waren."

Die Forscher berufen sich auf ihre Studien in Riparao Brombini im Nordwesten Italiens, wo einst Neandertaler und später auch Menschen über Tausende Jahre im Schutz von Felsüberhängen lebten.

Bei den Ausgrabungen entdeckten die Anthropologen, dass die Neandertaler in ihren höhlenartigen Wohnräumen auf offenbar drei Ebenen lebten, die sie auf unterschiedliche Weise nutzten. Die oberste Ebene diente als eine Art Werkbank, vielleicht auch als Ort, wo Tiere getötet und zerlegt wurden. Darauf deuten zahlreiche tierische Überreste.

Die mittlere Ebene war wahrscheinlich so etwas wie das Wohnzimmer: Hier fanden die Wissenschaftler die meisten Spuren, unter anderem Tierknochen und Splitter, die vermutlich bei der Herstellung von Steinwerkzeugen angefallen sind. Diese waren allerdings an den vorderen Rand der Ebene gekehrt. Niemand sollte sich daran verletzen, spekulieren die Forscher. Als eigentlicher Aufenthaltsraum habe daher vermutlich der gut gefegte Raum um eine Feuerstelle herum gedient.

Nicht ganz klar sei indes die Funktion der untersten Ebene. Zahlreiche steinerne Artefakte lassen vermuten, dass dort vor allem Werkzeuge hergestellt wurden - die Frühform eines Hobbykellers. Ebenfalls unklar ist die Funktion des Ockers, der auf allen Ebenen gefunden wurde. Möglicherweise diente er zum Gerben von Leder, als Kleber, Antiseptikum, oder er wurde für symbolische Zwecke in Ritualen benötigt. Denn eines bestätigten auch diese neuen Funde, sagt Riel-Salvatore: "Im Großen und Ganzen ist diese Studie ein weiterer Beleg dafür, dass die Neandertaler eine Art Logik nutzten, um ihren Lebensraum zu organisieren."

© SZ vom 04.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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