Naturschutz:Umbau im deutschen Wald

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Fast die gesamte Waldfläche in Deutschland wird bewirtschaftet

(Foto: dpa)

Mit den Urwäldern von einst hat der deutsche Forst nicht mehr viel zu tun: Überall wird geerntet und umgebaut, kaum eine Fichte oder Eiche erreicht noch ihr natürliches Alter. Dennoch macht der Schutz des Waldes Fortschritte, vielerorts kehren Buchen und andere Laubbäume zurück.

Ein Kommentar von Marlene Weiß

Es ist selten genug, dass sich beim Umgang mit der Natur die Vernunft durchsetzt, darum sollte man die gute Nachricht nicht kleinreden: Dem Wald geht es wieder besser. Es gibt etwas weniger kranke Bäume als im vergangenen Jahr, und sogar deutlich weniger als vor zehn Jahren - und es geht dem Wald insgesamt viel besser, als man sich das in den Achtzigerjahren je erhofft hätte. Das war die Zeit, als die Deutschen ein Wort kreierten, das es auch in andere Sprachräume schaffte: Le Waldsterben, sagten zum Beispiel die Franzosen.

Agrarminister Christian Schmidt (CSU) hat am Montag den neuen "Waldzustandsbericht" vorgestellt, und er sagt, der Wald sei heute ein im Kern gesundes Ökosystem. Na ja. Der Wald bedeckt heute ein Drittel der Fläche in Deutschland, aber er hat mit dem Ökosystem, das er jahrtausendelang war, mit den alten Urwäldern, herzlich wenig zu tun. Er ist zivilisiert, geglättet und gepflegt; nicht die Natur, sondern der Förster bestimmt, was wachsen darf und was nicht. Vor allem wird geerntet: Fast die gesamte Waldfläche wird bewirtschaftet. Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, vom Jahr 2020 an fünf Prozent der Fläche in Ruhe zu lassen. Aber es gibt wenig Anzeichen, dass aus dieser Utopie mal Realität wird.

Der Wald ist zu jung

Noch in den Neunzigern wurden in Deutschland jährlich 40 Millionen Kubikmeter Holz aus dem Wald geholt, das entspräche einem Kinderbauklotz mit 340 Meter langen Seiten. Inzwischen sind es weit mehr als 50 Millionen. Holz gilt als nachhaltiger, natürlicher Rohstoff, Hackschnitzelheizungen haben das Image, ökologisch wertvoll zu sein und treiben die Nachfrage hoch. Der Wald bekommt das zu spüren. Auch wenn mehr Holz nachwächst, als geschlagen wird: Es müssten mehr Bäume alt werden dürfen. Eine Buche etwa wird mit 120 Jahren als Lebensraum für Insekten erst richtig interessant - dann wird sie aber oft schon gefällt, und geht dem Wald verloren.

Der Wald hat dadurch ein demografisches Problem: Er ist zu jung. Und ein junger Wald sieht vielleicht ganz hübsch aus, aber wo nur ein oder zwei Baumgenerationen stehen, gibt es längst nicht den Wald, der den Namen wirklich verdient: mit totem Holz und Sträuchern, mit Moosen und Flechten, mit jungen, alten und sehr alten Bäumen. Keine 80 Jahre sind Bäume in deutschen Wäldern im Schnitt alt; dabei würden Eichen mehr als 850 Jahre schaffen, Buchen: 250; Fichten: 300.

Überhaupt, Fichten. Nadelwälder waren in Deutschland einst nur im Gebirge heimisch, sie bedeckten drei Prozent der heutigen Waldfläche. Nach Jahrhunderten der Waldnutzung stehen sie heute jedoch auf mehr als 60 Prozent der Fläche - Fichten, Kiefern oder die aus Nordamerika eingebürgerten Douglasien wachsen schnell und sind pflegeleicht; was soll's, dass die Natur auf dem meisten Grund eigentlich Mischwälder mit vielen Buchen vorgesehen hätte.

Deutschlands Wälder gleichen Großbaustellen

Und doch ist der Wald inzwischen auf keinem ganz schlechten Weg. Ein kleines Wunder, wenn man sieht, mit welcher Gelassenheit die meisten Menschen Auto fahrend den Klimawandel ignorieren. Warum bedeutet ihnen der Wald so viel, und das Klima so wenig? Vielleicht hat es in Deutschland doch mit dem Nationalcharakter zu tun. Schließlich drapierte man hierzulande Denkmäler lange vorzugsweise zwischen Bäume; den Hermann, den Kyffhäuser, all die Bismarcktürme. Die Dichter der Romantik schwärmten vom Wald, Caspar David Friedrich setzte darin einsame Jäger und Denker in Szene; noch heute ziert Eichenlaub die deutschen Cent-Münzen. Vielleicht ist der Grund, dem Wald zu helfen, aber auch der: Jeder kann kranke Bäume sehen, anders als den Klimawandel, da muss man sich auf Forschung und Statistiken verlassen. Es war die kollektive Angst vorm Waldsterben, die dazu geführt hat, dass die Luft heute viel sauberer und der Regen weniger sauer ist als vor drei Jahrzehnten.

Auch im Umgang mit dem Wald verändert sich etwas, 300 Jahre nachdem dem sächsischen Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz der damals revolutionäre Gedanke kam, dass man nicht mehr Holz schlagen sollte, als nachwächst. Inzwischen hat sich sogar die Erkenntnis durchgesetzt, dass Holz nicht gleich Holz ist. Der Wald ist jetzt eine Großbaustelle, seit Jahren wird umgebaut: Wo lange Zeit Fichten standen, sollen wieder mehr Buchen und andere Laubbäume wachsen. Das passiert nicht so schnell und nicht so flächendeckend, wie es Naturschützer gerne hätten, aber immerhin.

Dem Wald geht es besser als im Vorjahr, besser als vor zehn Jahren? Schön. Aber ein Jahr, das ist für einen Baum nur ein weiterer Ring im Stamm; der Wald rechnet in Jahrhunderten. Die wirklich gute Nachricht - auf die wird man noch sehr lange warten müssen.

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