Meteorologie:Kreisel in der Klemme

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Hüfthoch, und noch nicht das Ende: Bis zum Wochenende sollen in Houston über 1000 Liter Regen pro Quadratmeter niedergehen. (Foto: Michael Ciaglo/AP)

Normalerweise sind Tropenstürme kurz und heftig . Wieso verhält es sich bei "Harvey" vor der Küste der USA diesmal anders?

Von Jonathan Ponstingl

Für gewöhnlich sind Tropenstürme kurz und heftig. Mit ihrer ganzen Wucht treffen sie auf Land, decken Dächer ab und verwüsten Straßen und Orte. Nach ein bis zwei Tagen ist der Spuk vorbei. Der Wind legt sich und driftet als Tiefdruckgebiet nach Osten ab.

Nicht so Harvey. Seit fünf Tagen verharrt der Tropensturm nun schon vor der US-Küste und lässt Regen fallen, ohne Pause. In den Hochhausschluchten von Houston fahren nun Boote und Jetskis umher, Tausende Menschen haben ihr Obdach verloren. Für ein Nachlassen der Niederschläge gibt es keine Anzeichen. Zwar hatte sich Harvey zeitweise über den Golf von Mexiko zurückgezogen. Doch am Mittwoch traf er an der Grenze von Louisiana und Texas erneut auf Land und brachte noch stärkere Niederschläge mit. Bis Ende der Woche sollen in Houston über 1000 Liter Regen pro Quadratmeter niedergehen.

Das alles klingt nach viel Bewegung, doch das Gegenteil ist der Fall: "Der Sturm ist eingeklemmt", sagt Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst (DWD). "Die Höhenströmung im Golf von Mexiko ist zurzeit sehr schwach." Das heißt vom Meer her weht kaum Wind, der Harvey weitertreibt. Auf der Nordseite verhindern wiederum zwei Hochdruckgebiete das Vorankommen. Der Sturm kann nicht in das Landesinnere weiterziehen - was gut wäre, denn ohne Wasser fehlt ihm die Energiequelle.

Doch solange sich der Tropensturm an der Küste festkrallt und Kontakt zu dem in diesem Jahr besonders warmen Golfwasser hat, nimmt er weiterhin Feuchtigkeit auf, die er dann über Land als heftige Niederschläge ablässt. Harvey ist im Prinzip ein gigantischer Kreisel, der sich an seinem südlichen Ausläufer mit Wasser vollsaugt und es über dem Festland wieder fallen lässt.

Wegen der Erwärmung der Atmosphäre nehmen die Stürme tendenziell mehr Wasser auf

Der Klimawandel indes sei zwar nicht die Ursache des Wetterphänomens, er könne aber durchaus die Auswirkungen der tropischen Stürme verstärken, sagt Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). "Durch die Erwärmung der Arktis verlangsamt sich die Westwindzirkulation. Die Wanderung von Hochs und Tiefs von West nach Ost nimmt ab", erklärt der Wissenschaftler. Hurrikane könnten dadurch länger an einer Stelle ausharren. Dies hätten beispielsweise frühere Modellrechnungen eines Teams um den Klimawissenschaftler Dim Coumou am PIK ergeben.

Durch die Erwärmung der Atmosphäre nehmen tropische Tiefdruckgebiete außerdem tendenziell mehr Wasser auf. Dementsprechend stärker fallen die Niederschläge aus, die Anzahl von Starkregenereignissen nimmt weltweit zu. In Houston und Umgebung ist dies im Moment eindrücklich zu beobachten.

© SZ vom 31.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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